Selbst dem Bundesvorstand zu weit rechts
Teilen der AfD fällt es zunehmend schwer, sich von rechten Positionen abzugrenzen. Das betrifft nicht nur Björn Höcke, der in seiner Rede in Dresden das Holocaust-Denkmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet hat. Geradezu ein Sinnbild für den mangelnden Willen der Partei, Personen mit Nähe zum rechtsextremen Spektrum auszuschließen, ist der Landesverband der AfD im Saarland (vgl. Parteiausschluss nur als Taktik). Schon bei der Wahl Josef Dörrs zum Vorsitzenden der Partei tritt ein Teil des Landesvorstands zurück, weil sie befürchteten, Dörrs „politische Ausrichtung“ werde „nicht der bisher erfolgreiche, liberal-konservative Kurs sein“. Auch distanzierten sie sich von seiner „Feuersturm“-Rede (saar-depesche). Nachdem Dörr und seinem Stellvertreter, Lutz Hacker, Kontakt zu rechtsextremen Gruppierungen und Personen nachgewiesen wurden, distanziert sich auch die Parteiführung. So versuchte die AfD-Saar, Mitglieder der „Freien Bürger Union (FBU)“ abzuwerben, die der NPD nahe stehen soll. Es soll sogar Vorschläge für vergünstigte Doppelmitgliedschaften gegeben haben. Höhepunkt war der Auftritt Josef Dörrs bei einer Veranstaltung der FBU, sowie eine Demonstration gemeinsam mit bekannten Rechtsextremen (Stern).Als Reaktion löst der Bundesvorstand im März 2016 den Landesverband mit sofortiger Wirkung auf. Man sehe „schwerwiegende Verstöße gegen die politische Zielsetzung und die innere Ordnung der Partei“. Eine scheinbar klare Ansage. Jedoch sehen das nicht alle Instanzen der Partei so.
Dörr legt Widerspruch beim Bundesschiedsgericht der Partei ein und lässt sich am 17. April beim Landesparteitag in seiner Position als Vorsitzender der AfD-Saarland bestätigen. Beim Bundesparteitag Ende April beschließt die Mehrheit der Anwesenden die Auflösung des Verbands, die letztendliche Entscheidung soll aber beim Bundesschiedsgericht liegen.Ende Oktober wird die Angelegenheit dann beiseitegelegt, da sich das Bundesschiedsgericht gegen eine Auflösung entscheidet. Zwar wird in der Begründung der Sachverhalt nicht angezweifelt. Die beiden hätten Kontakte zur rechtsextremen Szene. Jedoch bewertet das Gremium die Auflösung des Landesverbands als „unverhältnismäßig“ (Stern).Daraufhin fordern Frauke Petry und Jörg Meuthen den Landesverband auf, zumindest nicht bei der Landtagswahl im März anzutreten.
Wer tritt für die AfD an?
Doch das tut die AfD Saar. Letztendlich ist Josef Dörr Vorsitzender geblieben und tritt am 23. März auf Platz 1 des Wahlkreises Saarbrücken an. Sein Stellvertreter Lutz Hacker bekleidet Platz 1 des Wahlkreises Neunkirchen. Aktuelle Prognosen sehen die AfD bei 7 Prozent (INSA). Spitzenkandidat ist Rolf Müller. Im September vergangenen Jahres ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen ihn. Müller verkaufte im Antiquitätenladen seiner Frau NS-Devotionalien, darunter NS-Orden, auf denen Hakenkreuze abgebildet sind und Geld aus dem Konzentrationslager Theresienstadt (Panorama). Das Verfahren wurde jedoch eingestellt, da er die Waren nicht öffentlich ausgestellt habe. Jörg Meuthen legte ihm daraufhin einen Parteiaustritt nahe.
Was sind die Themen im Saarland? Wie tritt die AfD auf?
Im Gegensatz zur personellen Besetzung der Partei erscheint das Wahlprogramm im Vergleich zu anderen Landesverbänden (vgl. Bericht Sachsen-Anhalt) eher gemäßigt. Wurde dort noch offensiv mit Identität, Volk und Nation geworben, hält sich die AfD-Saar in dieser Thematik im Wahlprogramm zurück. Die Themen innere Sicherheit und Migration stehen auf der Webseite und auf Facebook im Vordergrund. Im Programmpapier werden sie als letztes aufgeführt.Bisher (Stand:10.03.2017) sind zwei Wahlwerbespots erschienen. Der erste wirbt mit dem Motto „Zeit zum Umschwenken“ und zeigt einige Kandidat_innen beim Grillen im Regen. Das zweite Video heißt „Die starken Frauen der AfD“. Der Frauenanteil der AfD ist im Saarland im Vergleich zu den anderen antretenden Parteien eher gering. Nicht mal jede fünfte Person auf der Landesliste ist eine Frau (18,9 Prozent). Damit liegen sie im Vergleich mit den anderen Parteien im unteren Mittelfeld (Gesamtdurchschnitt: 29,73 Prozent). Vom Altersschnitt befindet sich die Partei mit 55,41 Prozent hinter der „Freie Bürger Union“ und der Partei „Die Reformer“ auf Platz drei (Gesamt: 48,79 Prozent). (SR)
Geschichte, Schulden, Migration
Die thematischen Schwerpunkte des Wahlprogramms sind zusammengefasst im ersten Punkt: „Eigenständigkeit des Saarlandes“. Das Saarland sei trotz seiner Geschichte und bewussten Entscheidung für den Beitritt in die Bundesrepublik vernachlässigt worden. Anstelle des Saarlandes habe man vor allem nach der Wende die Neuen Bundesländer gefördert, weswegen das Land jetzt tief verschuldet sei. Am Ende sei es jedoch die finanzielle Belastung der sogenannten Flüchtlingskrise, die von der Landesregierung ignoriert würde und die „Existenz des Saarlandes“ gefährde. Auch in Punkt dreizehn des Wahlprogrammes steht: „Immer wieder wird die Eigenständigkeit des Saarlands diskutiert“. Wer die Eigenständigkeit des Saarlands in Frage stellt, lässt sich aber in keiner Textpassage erkennen.
Interessanterweise zieht die AfD als Vergleich für den finanziellen Notstand des Saarlands (ca. 14,1 Milliarden Euro Schulden) Griechenland heran. „Dem Saarland steht das gleiche Maß an Solidarität zu wie Griechenland“, heißt es im Kernpunkteprogramm der Partei. Zu einem stabilen Haushalt soll ein Schuldenschnitt führen.
Die AfD stellt ihr eigenes Sparprogramm vor: Sie fordert ein „Teilzeitparlament“ oder eine Verkleinerung der Abgeordnetenzahl. Dabei sollen Posten nur noch nach „Erfordernis oder Qualifikation“ vergeben werden, anstelle von „Partei-Proporz“. Dies solle ein Signal senden, dass man es mit den Sparmaßnahmen ernst meine.Der Posten des Ministerpräsidenten oder der Ministerpräsidentin soll in Zukunft per Direktwahl ermittelt werden. Das Konzept erinnert dabei eher an eine präsidentielle als parlamentarische Demokratie. So solle das Parlament vom „Anhängsel der Regierung zu einem echten Gegengewicht“ werden, um Gewaltenteilung zu garantieren.In der Bundesrepublik Deutschland gilt die Gewaltenverschränkung, bei denen die Opposition die Kontrollfunktion gegenüber der Regierung übernimmt. Dies unterscheidet die parlamentarische Demokratie von einem präsidentiellen Regierungssystem (bpb.de).
Zudem setzt sich der Landesverband für die Auflösung der Landeszentrale für politische Bildung ein, da die sich „als Hort einseitiger linkslastiger Agitation“ erwiesen habe. Ebenfalls erhofft man sich Einsparungen durch die Auflösung der Arbeitskammer, die sich für Arbeitnehmerrechte einsetzt.
Migration
Beim Thema Migration spricht sich die AfD für die Aussetzung des Schengenvertrags und Grenzkontrollen in Deutschland aus, bis die EU-Außengrenze gestärkt würden. Als Folge unkontrollierter Migration befürchtet man eine „Erosion der kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Grundlagen Deutschlands“. Teil der kontrollierten Einwanderung, welche die AfD durch ein Einwanderungsgesetz festlegen will, ist die Abweisung von Menschen, die „unsere Kultur, unsere rechtliche Ordnung und unsere Werte grundsätzlich ablehnen.“ Dabei soll Kanadas Migrationspolitik der qualifizierten Zuwanderung und Australiens Abschiebepolitik als Vorbild dienen. Australien inhaftiert Geflüchtete, die per Boot das Land erreichen, auf pazifischen Inseln der Nachbarstaaten. Amnesty International kritisierte die australische Regierung heftig, sprach von Freiluftgefängnissen und Folter (Zeit). Das individuelle Asylrecht bezeichnet die AfD als „Vehikel der Masseneinwanderung“.
Familienpolitik
Beim Thema Familienpolitik ist für die AfD „eine ausreichende Anzahl von Kindern von zentraler Bedeutung für die demographische Entwicklung und somit für den Fortbestand unseres Volkes sowie der Funktionsfähigkeit unserer sozialen Sicherungssysteme.“ Die AfD fürchtet sexuelle Vielfalt, da die Gender-Theorie zu einer „Frühsexualisierung“ führe und die Vorstellung einer heterosexuellen Familie mit Kindern „entnormalisiert“.
Ansonsten finden sich klassische AfD-Themen wieder, die auch im Bundesprogramm vorkommen. Zum Beispiel ist man gegen GEZ-Gebühren, gegen die EU, gegen die Abschaffung des Bargeldes.
Bedeutung für das Wahljahr 2017
Obwohl das Saarland das kleinste Flächenbundesland ist und nur knapp unter eine Millionen Menschen dort leben, ist die Wahl am 23. März der erste Stimmungstest vor der Bundestagswahl im September und den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein (07. Mai) und in Nordrhein-Westfalen (14. Mai). Dabei ist abzuwarten, ob die Streitigkeiten und Skandale des Landesverbands oder die Äußerungen Björn Höckes der AfD im Saarland schaden. Die letzten Prognosen sprechen dafür, dass ein Teil der Wähler_innen mit der Rechtsoffenheit einiger Kandidat_innen kein Problem zu haben scheint. Bleibt es bei den aktuellen Prognosen, wird die Partei mit 7 Prozent das erste Mal in den Landtag im Saarland einziehen.
Außerdem: Rechtsextreme Parteien, die zur Landtagwahl 2017 im Saarland antreten
Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)
Für die NPD ist es die erste Wahl nach dem gescheiterten Verbotsverfahren. Im Januar wurde die Partei, trotz ihres verfassungsfeindlichen Charakters, aufgrund ihrer politischen Bedeutungslosigkeit nicht verboten. Die Partei fühlt sich gestärkt durch den Rechtspruch und erhofft sich dadurch einen Aufschwung. Im Saarland tritt Peter Richter als Spitzenkandidat an, der die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht als Anwalt vertreten hat und bei der Bürgermeisterwahl 2016 in der Gemeinde Mettlach immerhin 9 Prozent der Stimmen gewinnen konnte. Vom 11. bis 12. März fand in Saarbrücken der Bundesparteitag der NPD statt, bei dem sich der amtierende Vorsitzende Frank Franz gegen seinen Herausforderer Thorsten Heise durchsetzen konnte. Franz war von 2005 bis 2012 Landesvorsitzender der NPD im Saarland.
Im Programm orientiert selbst die NPD sich an Donald Trumps Wahlslogan. „Saarland zuerst!“ ist der erste Punkt des Wahlprogramms. Sonst gibt es im Programm wenige Überraschungen. So will die NPD Asylbewerber_innen abschieben und versucht Rassismus als kulturelle Identität zu tarnen. Deutsche sollen zudem ein Grundeinkommen von 1.000€ pro Monat erhalten. Wie die Finanzierung konkret aussehen sollte, lässt sich nicht erkennen.
Freie Bürger Union (FBU)
Die „Freie Bürger Union“ (FBU) wird von der Bundeszentrale für politische Bildung als „nationalistische und ausländerfeindliche Partei“ bezeichnet. Ein Wahlprogramm zur Landtagswahl 2017 wurde nicht vorgestellt (Stand 13.03.2017). Auf Facebook bewirbt die Partei ein NPD-Wahlvideo und repostet rechtsextreme Seiten mit Reichsflaggen und Runen. Für den Ausgang der Landtagswahl Ergebnis hat die FBU keine große Bedeutung. Bei der letzten Landtagswahl 2012 lag die Partei bei weniger als 0,1 Prozent der Stimmen und wird laut Prognosen wieder deutlich an der 5-Prozenthürde scheitern.Brisant sind jedoch die Kontakte zwischen Parteimitgliedern mit dem Landesverband der „Alternative für Deutschland“ im Saarland. Nachdem Josef Dörr, Vorsitzender der AfD Saarland, bei einer Veranstaltung der FBU aufgetreten ist und sich über die Möglichkeit von Doppelmitgliedschaften ausgetauscht wurde, löste der Bundesvorstand der AfD den Landesverband auf. Darauf folgte ein Machtkampf zwischen dem Verband und dem Bundesvorstand, der letztendlich vom Bundesschiedsgericht beendet wurde. Die Auflösung der AfD-Saar wurde trotz belegter Verbindungen zu rechtsextremen Personen und Gruppen aufgehoben.
Update 27.03.2017
Die AfD zieht nach der Wahl mit 6,2 Prozent der Stimmen in den Landtag ein. Zwar hat die Partei ihr Ziel verpasst, ein zweistelliges Ergebnis zu erzielen, dennoch stehen ihr drei von insgesamt 51 Sitzen zu. Die NPD (0,7%) und die FBU (0,0%) scheiterten deutlich an der 5%-Hürde. Aufgrund des schlechten Ergebnisses erhält die NPD nun keine staatlichen Parteienfinanzierung mehr.
Quellen:
Kernpunkteprogramm Landtagswahl 2017Landtagswahlprogramm 2017Facebook Auftritt der AfD Saarland