Die AfD ist die erfolgreichste Partei auf Facebook. Selbst wenn man die Likes von SPD und CDU zusammenrechnet, sind es immer noch weniger als die 500.000 Likes, die die rechtsradikale Partei mittlerweile gesammelt hat. Dazu kommen unzählige weitere Facebookseiten von Bundestags-, Landtags-, und Kommunal-Fraktionen, Landes-, Kreis- und Regionalverbänden, sowie einzelnen Partei-Vertreter*innen. Eine Studie der George Washington University hatte schon im vergangenen Jahr belegt, dass die Partei gut 1.500 Facebookseiten betreibt, die in einer Woche bis zu 4.000 Fotoposts veröffentlichen. Diese Medien-Offensive funktioniert, denn laut der Studie stammen ganze 85 Prozent aller geteilten Facebook-Beiträge von Parteien von der AfD.
Monika Hübscher von der Universität Haifa in Israel hat jetzt einige der Posts von, bzw. über vier AfD-Politiker*innen mit einem besonderen Augenmerk auf Antisemitismus untersucht. Dabei geht es um Björn Höcke, Beatrix von Storch, Alexander Gauland – der keine eigene Facebookseite betreibt, dessen Äußerungen aber auf anderen Kanälen der Partei verbreitet werden – und der Ex-Vorsitzenden Frauke Petry.
Die Studie beschäftigt sich beispielsweise mit zwei Posts von Björn Höcke und der ehemaligen Parteivorsitzenden Frauke Petry. Petry galt als gemäßigte Vertreterin der Partei, bis sie unmittelbar nach der Bundestagswahl ankündigte, die Rechtsradikalen zu verlassen. Interessant, benutzte sie laut Studie doch sehr ähnliche Kommunikationsstrategien wie AfD-Rechtsaußen Höcke. Im Wahlkampf vor der Bundestagswahl 2017 war Martin Schulz der Spitzenkandidat der SPD. Höcke und Petry veröffentlichten auf ihren Kanälen unterschiedliche Karikaturen des SPDlers, gemeinsam hatten sie antisemitische Elemente. Schulz, der selbst nicht jüdisch ist, wird mit vermeintlich jüdischen Attributen ausgestattet, um ihn in zu diskreditieren. In diesen Fällen mit großer Nase und dicken Lippen. Diese Bildsprache ist in Deutschland spätestens seit Zeiten des “Stürmers” einschlägig. Juden und Jüdinnen werden als degeneriert und „anders“ dargestellt. Auf einem Bild, dass Petry teilte, bläst Schulz gerade Luftblasen mit unterschiedlichen Beschriftungen: „Mehr Lohn“, „Mehr Zuschüsse“, „Mehr Rente“ oder einfach nur „Mehr“ steht darauf. Juden und Jüdinnen Gier, Taschenspielertricks und Lügen zu unterstellen, ist schon seit Jahrhunderten Teil des europäischen Antisemitismus. Dass diese kulturellen Codes nicht verhallen, sondern von den Angesprochenen genau erkannt werden, zeigt ein Blick in die Kommentarspalten. Dort fand vor allem bei Björn Höcke auch Gegenrede statt, die auf die antisemitischen Codes zielte, aber die Politiker*innen bekamen auch viel Zuspruch. Zuspruch, der auf die antisemitischen Konnotationen der Karikaturen zurückgreift. Hübscher beschreibt Kommentare, die Schulz als Strippenzieher einer internationalen Verschwörung darstellen, als Vertreter einer jüdischen Bank, als Marionette des amerikanischen Philanthropen George Soros und als potentiellen Kanzler, der Deutschland Israel untertan machen will.
Obwohl Petry und Höcke unterschiedlichen Teilen der Partei angehörten, machten sie sich laut der Studie Antisemitismus zunutze. Gleichzeitig ist der Rückgriff der Kommentator*innen auf offen und uncodierte antisemitische Verschwörungserzählungen und Lügen ein Beleg dafür, dass antisemitische Codes sehr wohl verstanden werden: „Die Bildsprache antisemitischer Stereotype wurde verinnerlicht, so dass sie nicht nur verwendet werden können, sondern auch als solche erkannt werden. Die Reaktion der Kommentator*innen […] zeigt, dass stereotype antisemitische Darstellungen weit verbreitet, akzeptiert und normalisiert sind.“
Andere Posts von AfD-Politiker*innen belegen laut der Studie eine zumindest fragwürdiges Verhältnis zum Nationalsozialismus. So postet beispielsweise Beatrix von Storch – nicht nur die Enkelin von Hitlers Finanzminister, sondern immerhin auch Antisemitismusbeauftragte der AfD – am 20. Juli 2017 ein Video zum gescheiterten Stauffenberg-Attentat. Dabei scheint sie eine Linie von den Verschwörern zur AfD zu ziehen. Im Hintergrund des Videos ist der Bendlerblock zu sehen, der Ort an dem Stauffenberg und seine Verbündeten hingerichtet wurden. Laut der Analyse in Hübschers Studie benutzt von Storch im Video eine Unterscheidung zwischen „wir“ und „sie“. Dabei ist nicht immer klar, wer mit „wir“ überhaupt gemeint ist. Ist es die AfD oder gar alle Deutsche? Von Storch scheint die AfD mit der Widerstandsgruppe in Verbindung zu bringen und stellt damit die aktuelle, demokratisch gewählte Regierung in eine Reihe mit der NS-Diktatur. Vor allem aber schafft sie das Kunststück, in einem Beitrag über eine NS-Widerstandsgruppe kein einziges mal den Holocaust oder Juden und Jüdinnen zu erwähnen. Natürlich geht sie auch nicht auf das ungeklärte Verhältnis der Verschwörer zum Antisemitismus ein und erwähnt keine andere Gruppe, die im Widerstand aktiv war. Damit reißt sie das missglückte Attentat aus seinem historischen Zusammenhang heraus.
So verstehen es auch die Kommentator*innen, wie die Studie belegen kann. Sie fordern einen neuen Stauffenberg, der diesmal allerdings gegen die Kanzlerin vorgehen soll oder pflichten ihr bei, dass Deutschland auch heute noch eine Diktatur sei.
Auch Alexander Gaulands berüchtigte Rede beim Kyfhäusertreffen des rechtsextremen Flügels wurde von unzähligen AfD-Accounts auf Facebook geteilt. Der ehemalige CDU-Politiker hatte unser anderen gesagt: „Man muss uns diese zwölf Jahre nicht mehr vorhalten. Sie betreffen unsere Identität heute nicht mehr. Deshalb haben wir auch das Recht, uns nicht nur unser Land, sondern auch unsere Vergangenheit zurückzuholen.“ Und ergänzte, dass wenn Menschen in Frankreich und Großbritannien stolz auf ihren Kaiser oder auch Churchill seien, „haben wir das Recht, stolz zu sein auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.“ Auch in seiner Rede fällt kein Wort zum Holocaust. Die Autorin der Studie sieht diese Äußerungen zu Recht extrem kritisch: „Indem er seinen Stolz auf die Wehrmachtssoldaten ausdrückt, die unbeschreibliche Taten begangen haben, unterminiert Gauland nicht nur die jahrelange Forschung und Bildungsarbeit zu den Verbrechen der Wehrmacht, sondern macht sich auch noch über die Opfer lustig.“
Auch hier wissen die AfD-Anhänger*innen in den sozialen Medien genau, wie seine Äußerungen zu verstehen sind. Im untersuchten Post bedanken sich mehrere Kommentator*innen für Gaulands Worte. Nur fünf von insgesamt 42 untersuchten Kommentaren sind Gegenrede. Die Reaktion darauf ist meist Täter-Opfer-Umkehr, also Berichte über deutsche Opfer des zweiten Weltkrieges.
Die Untersuchung von Monika Hübscher zeigt schlaglichtartig, wie Antisemitismus unter AfD-Unterstützer*innen, aber auch gesamtgesellschaftlich funktioniert. Sie belegt, wie tief antisemitische Denkmuster verwurzelt sind und wie leicht antisemitische Codes dechiffriert werden. Daneben liefert sie auch einen Einblick in das Verhältnis der rechtsradikalen Partei zum Nationalsozialismus. Die Studie kann hier heruntergeladen werden.