Auf der rechtsextremen Demonstration waren es nun die so genannten freien Kräfte bzw. autonomen Nationalisten, die diese Kleidung trugen. Man sah dort aber auch die „klassischen“ Skinheads mit Bomberjacken und schwarz-weiß-roten Fahnen. Als die Demo der Rechtsextremen für längere Zeit zum Stehen kam, weil die Wegstrecke blockiert war, ließ sich beobachten, wie eine kleine Gruppe von Teilnehmern des rechten Aufzuges sich in einem Kreis zusammenstellte und improvisiert rappte. Sie trugen die entsprechende HipHop-Kleidung: Weite Hosen und Basecaps. Als die rechte Demo dann weiterzog, spielte der Lautsprecherwagen den Song „Steh auf, wenn du am Boden liegst“ der Düsseldorfer Punkband „Die Toten Hosen“. Zuvor waren von der rechten Demo auch Songs der Berliner Punkband „Die Ärzte“ und der linken 68er Band „Ton Steine Scherben“ zu hören. Eine gezielte Provokation für die Gegenseite? Oder andere Töne aus Überzeugung?
Ortswechsel: Auf zwei Demos im ostwestfälischen Gütersloh ? eine davon ebenfalls für ein „nationales Jugendzentrum“ ? im März bzw. im September 2006 zeigte sich ein ganz ähnliches Bild ? und seitdem an anderen Orten immer wieder: Auch hier trugen die Teilnehmer des rechtsextremen Aufzuges, der ebenfalls von Gruppierungen der „freien Kräfte“ angemeldet wurde, neben Glatze und Bomberjacke überwiegend schwarze Baseball-Caps, schwarze Kapuzenpullis und dunkle Sonnenbrillen. Aber auch Palästinenser-Tücher (eigentlich lange Zeit ein linkes Symbol für die Solidarität mit Palästina) waren zu sehen. Auch Slogans und Design der Transparente waren an denen der Linken angelehnt: So war dort unter anderem die Aufschrift „Kapitalismus zerschlagen“ zu lesen. Darunter waren zwei wehende Fahnen abgebildet ? eine rote und eine schwarze ? in einem Kreis sichtbar. Auch dies war bislang ein Symbol, das von der „Antifaschistischen Aktion“ verwendet wurde. Bei den Neonazis ist allerdings im Zentrum der roten Fahne ein weißer Kreis zu sehen. Damit ähnelt dieses Symbol der Fahne der Nationalsozialisten: Einer roten Fahne mit einem schwarzen Hakenkreuz in einem weißen Kreis. Auf einem anderen Transparent war ein „Ninja-Turtel“, eine vor allem bei Kindern beliebte Comic-Figur, in voller Kampfmontur zu sehen. In Gütersloh bzw. in der Region Westfalen machten sich die Linken allerdings diese Ähnlichkeit des Auftretens zu Nutze: Da auch sie ein überwiegend schwarzes Outfit trugen, ließen sie sich schweigend von der Polizei, die sie für Rechtsextremisten hielt, zum abgesperrten rechten Aufmarsch geleiten. Dort protestierten sie plötzlich lautstark und feixend, aber friedlich, gegen die Neonazis.
Diese beiden Beispiele zeigen: Zum einen hat bei den Neonazis ein Wandel stattgefunden. Die Szene hat sich anderen Jugendkulturen geöffnet und dabei auch Kleidung und Symbole des politischen Gegners übernommen wie beispielsweise der ebenfalls jugendkulturell geprägten Antifa. Zum anderen ist dieser Wandel weder ein Phänomen der Großstadt noch des Ostens. Es lassen sich in der ganzen Bundesrepublik ähnliche Beispiele wie aus Berlin oder Gütersloh finden. Gerade dieser Wandel macht die Neonazi-Szene dabei gefährlich, denn sie treten ? von Demonstrationen abgesehen ? dadurch weniger offen und eindeutig auf. Auf diese Weise kann die extreme Rechte in gesellschaftliche Bereiche einsickern, die ihr bisher verschlossen waren, in denen sie bisher verpönt war. Dazu gehören auch andere Subkulturen der Jugendkultur.
Der Wandel zum modischen Neonazi
Lange prägte das Bild vom Skinhead mit Bomberjacke und schweren Stiefeln das äußere Erscheinungsbild und die öffentliche Wahrnehmung der extremen Rechten ? nicht nur in Deutschland. Dabei war auch diese Ende der 1960er Jahre entstandenen Jugend- und Subkultur, die ihre Wurzeln in der britischen Arbeiterklasse hat, nicht von Beginn an rechtsradikal. Es gab ebenso unpolitische und linke Skinheads. Gemeinsam war allen Teilen der Skinhead-Kultur neben der aggressiven Musik und dem Hang zum exzessiven Alkoholgenuss auch das Outfit: der kahl rasierte Schädel, die Bomberjacke und Stiefel, um sich Respekt zu verschaffen. Dieses Auftreten sollte dabei martialisch wirken, es diente zum einen der Stiftung einer gemeinsamen Identität nach innen und zum anderen der Abgrenzung von anderen Jugendkulturen nach außen. Und diesen anderen sollte es Angst einflössen ? zur Steigerung des Selbstwertgefühls.
Dazu gehörte auch das Tragen bestimmter Modemarken wie Fred Perry, Ben Sherman oder Lonsdale. Vor allem Letztere galt lange als Marke der Rechtsradikalen. Mittlerweile versucht sich das britische Mode-Label aber von dieser Klientel zu distanzieren und hat damit bereits Boykott-Aufrufe radikaler Rechter auf sich gezogen. Alle die genannten Mode-Marken wurden freilich auch von unpolitischen und sogar linken Skinheads oder von Jugendlichen getragen, die sich gar nicht dieser Szene zugehörig fühlten, genauso wie Bomberjacken. Entscheidend waren vielmehr zusätzliche Zeichen der ideologischen Ausrichtung ? wie beispielsweise Aufnäher der SHARP-Skins (Skinheads Against Racial Prejudice = Skinheads gegen Rassenvorurteile) oder das berühmt- berüchtigte „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“ bzw. eine schwarz-weiß-rote (Farben des Deutschen Reiches) Fahne.
Seit Mitte der 1990er Jahre hat sich dieses Erscheinungsbild nun gewandelt: Die Rechtsextremisten haben sich anderen Jugendkulturen geöffnet und rekrutieren ihren Nachwuchs in vielerlei Milieus. So sind neben den klassischen rechtsextremen Skinheads weitere jugendkulturelle Elemente in die extreme Rechte eingeflossen. Und umgekehrt: Durch diese Öffnung konnten sich rechtsextreme Symbole auch außerhalb der (geschlossenen) Szene verbreiten. So sieht man ? wie oben beschrieben- auf Demos der extremen Rechten eben auch Jugendliche in HipHop-Kleidung, mit langen Haaren, mit Piercings oder mit einem modischen Kinnbart, wie er in der Metal- bzw. Hardcore-Szene beliebt ist. Andererseits trifft man im Alltag zum Beispiel auf der Straße oder in der Schule zunehmend auf rechtsextreme Symbole bzw. auf Zeichen, die auch von der extremen Rechten benutzt werden, beispielsweise als Anstecker am Rucksack oder an der Jacke. Dabei müssen die Träger dieser Symbole nicht unbedingt der rechtsextremen Szene angehören oder ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild haben. Oftmals reicht bei ihnen allein schon das Gefühl rechtsaußen zu sein aus, um sich diese Zeichen anzustecken. Und doch lassen sich in ihrer Gedankenwelt zumindest Versatzstücke einer autoritären, ausgrenzenden, rassistischen und nationalistischen Ideologie feststellen.
Diese Durchmischung unterschiedlicher (Jugend-) Kulturen (also das, was die Neonazis ansonsten um jeden Preis verhindern wollen), dieser Wandel innerhalb der rechtsextremen Szene bedeutet, dass Rechtsextremisten nicht mehr allein anhand ihres Auftretens offen als solche erkennbar sind. Ausschlaggebend sind heute vielmehr kleine, oftmals versteckte Symbole, welche die politische Gesinnung ausdrücken ? und auch dies nicht in jedem Fall. Die Agentur für soziale Perspektiven (ASP), die sich intensiv mit den Veränderungen innerhalb der Neonazi-Szene auseinandergesetzt hat, spricht deshalb auch von einem „Versteckspiel“. Mehr als 120 solcher Symbole und Codes, die verschlüsselt oder offen eine rechte politische Orientierung ausdrücken, zählt die ASP. Diese Symbole und Codes dienen dabei als Erkennungsmerkmal für Gleichgesinnte und erzeugen ein gewisses Gruppengefühl.
Pseudolinke Parolen
Mit ihrem „Versteckspiel“ trägt die rechtsextreme Szene zum einen dem verstärkten staatlichen und öffentlichen (Verfolgungs-) Druck Rechnung, der Mitte der 1990er Jahre nach den rassistisch motivierten Anschlägen und Morden in Mölln, Solingen und Rostock einsetzte. Und auch aus einer anderen Erfahrung wurden Konsequenzen abgeleitet: Wer bei rechtsextremen Aufmärschen auffällige Kleidung trägt, wird in der Regel besonders lange von der Polizei gefilzt oder gar aus dem Verkehr gezogen. Deshalb mahnen rechtsextreme Demonstrationsveranstalter ihre Gefolgschaft stets im Vorfeld, lieber neutrale Sachen anzuziehen oder sich ihren Gegnern anzupassen.
Mit der Kleidung kommt auch der Versuch zumindest eines Teils der Szene zum Ausdruck, sich ein „sozialrevolutionäres“, ein „antikapitalistisches“ oder ganz allgemein ein „systemoppositionelles“ Image zu verschaffen. Dies zeigt sich beispielsweise auch daran, dass die „Freien Kameradschaften“ genauso wie die NPD immer wieder versuchen, sich an sozialen Protesten zu beteiligen. Dabei werden auch tatsächlich oder vermeintlich linke Slogans oder Symbole übernommen bzw. umgedeutet. Damit greifen die Neonazis wiederum auch auf sozialistische Wurzeln der Hitler-Partei NSDAP zurück, um mit antikapitalistischen und antiglobalistischen Slogans insbesondere bei verunsicherten jugendlichen Wirtschaftsverlierern zu punkten. Dies bedeutet eine inhaltliche Verschiebung, die sich auch im Rückgriff auf die Ideologie und die Symbole des „sozialrevolutionären“ Flügels der Nationalsozialisten zeigt.
Typische Kennzeichen
Dass die rechtsextreme Szene dabei allerdings nicht nur auf linke Symbolik, sondern auch auf ihre tatsächlichen historischen und ideologischen Vorbilder zugreift, zeigt ein (Ab-)Zeichen, dass sich auch heute noch bei vielen Rechtsextremen beispielsweise als Anstecker, aber auch auf Transparenten, findet: Ein mit einem Hammer gekreuztes Schwert, dass die Einheit (bzw. „Volksgemeinschaft“) von Arbeiter und Soldat symbolisieren soll und bereits dem „nationalrevolutionären“ Flügel der NSDAP und später der HJ als Symbol diente. Ein weiteres Beispiel ist die so genannte Schwarze Sonne, die als zwölfarmiges Hakenkreuz oder als Rad aus zwölf Siegrunen deutbar ist. Im Nationalsozialismus diente dieses Zeichen der SS als Sinnbild für die nordisch-heidnische Religion und für uraltes geheimes Wissen. So findet sich dieses Symbol beispielsweise in der ehemaligen SS-Ordensburg Wewelsburg. Heute symbolisiert die „Schwarze Sonne“ für die rechtsextreme Szene die Verbundenheit mit der „eigenen Art und mit den arteigenen Wertvorstellungen“. Beliebt ist dieses Zeichen in weiten Teilen der extremen Rechten.
Die klassischen Zahlencodes: 88, 18 und andere
Zu diesen Symbolen mit deutlichem nationalsozialistischem Bezug sind allerdings neue, verstecktere Zeichen hinzugekommen. Bekanntestes Beispiel hierfür sind wohl die in der Szene verwendeten Zahlencodes, eine beliebte Verschlüsselung für strafrechtlich relevante Begriffe, Grußformeln oder Organisationszeichen. Dass allerdings auch hier ein deutlicher Bezug zum Nationalsozialismus besteht ? gerade dies macht ja die strafrechtliche Relevanz aus ?, zeigt das Beispiel der in der rechtsextremen Szene oft verwendeten Zahl 88: Sie steht für den NS- Gruß „Heil Hitler“. Als Basis für diesen wie für die meisten anderen internen Codes dient dabei die Stellung der verwendeten Buchstaben im Alphabet: Das H ist dort der achte Buchstabe, 88 steht somit für HH, was in der Neonazi-Szene als „Heil Hitler“ gedeutet wird, das Alphabet rückwärts gezählt SS. Diese Codes lassen sich dabei fast beliebig verwenden und weiterführen:
Die Zahl 18 steht in der rechten Szene für AH (Adolf Hitler), die 74 für GD (Großdeutschland), die Kombinationen 13/47 für MDG (13ter, 4ter und 7ter Buchstrabe, Mit deutschem Gruß = „Hitler-Gruß“) und 19/8 für SH (Sieg Heil). Und die Zahl 28 verweist auf das Kürzel des mittlerweile in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“ (BH). Nur der Zahlencode „14“ stellt eine Ausnahme dar: Er steht für „14 words“, eine rassistische Losung des amerikanischen Rechtsextremisten David Lane, deren Wortlaut lautet: „We must secure the existence of our race and a future for white children“ ( „Wir müssen die Existenz unserer Rasse und die Zukunft unserer weißen Kinder sichern“).
Alle diese Zahlencodes finden sich beispielsweise in Organisations- oder Club-Namen der extremen Rechten wieder, zum Beispiel beim Terrornetzwerk „Combat 18“ oder beim „Club 88“ in Norddeutschland) und werden sehr häufig in E-Mail-Kennungen verwendet. Sie werden aber auch sehr häufig auf T-Shirts oder auf der Jacke getragen. Hierbei wird wiederum der neue pop- bzw. jugendkulturelle Bezug der Szene deutlich: So sind dort beispielsweise T-Shirts (oder T-Hemden, wie sie in der Sprache der Neonazis eingedeutscht heißen) oder Tops beliebt, auf denen zwei schwarze Billardkugeln abgebildet sind- tragen diese Kugeln doch die Zahl 8 und lassen sich somit dem oben beschriebenen Zahlencode entsprechend als 88 deuten. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass Zahlenaufdrucke auf Kleidungsstücken bei Jugendlichen allgemein sehr beliebt sind- drücken sie doch eine gewisse Sportlichkeit aus, wenn sie beispielsweise als Rückennummer eines Fußballspielers deutbar sind. Sie müssen also nicht zwangsläufig eine politische Bedeutung haben. Wichtig ist deshalb der weitere Kontext, in dem diese Zahlen getragen und verwendet werden.
Typische Kleidung: T-Shirts, Turnschuhe, mitunter Handschuhe
Wie oben bereits beschrieben hat sich die Kleidung der Neonazis vor allem in zwei Richtungen verändert: Zum einen weg vom martialischen Stil der Skinhead-Subkultur hin beispielsweise zum Style der HipHoper, Raver oder Hardcore-Fans, Basecaps inbegriffen. Und zum anderen weg von bislang szenetypischen Marken wie beispielsweise Lonsdale, hin zu anderen Modemarken bzw. eigenen Marken der Szene, oft mit nicht auf Anhieb politischen Sprüchen. Zumindest bei Demonstrationen fällt aber oft auch im Sommer ein szenetypisches Zubehör in der Hosentasche griffbereit auf – Handschuhe, um im Ernstfall besser zuschlagen zu können, ohne dass sich dabei die eigene Hand verletzt.
Was die Bekleidung betrifft, sind in der bekennenden rechtsextremen Szene beispielsweise Jacken der Marke Alpha Industries beliebt. Deren Logo erinnert an das verbotene Zivilabzeichen der SA. Doch darf man dem Hersteller der Marke damit keine Verbindungen zur Neonazi-Szene unterstellen. Und auch hier gilt: Diese Marke wird auch außerhalb der Szene getragen. Das bekannteste Beispiel für eine in der extremen Rechten sehr beliebte Jacke ist aber wohl die der Marke Thor Steinar. Denn: Das Symbol dieser Marke setzte sich aus einer Kombinationen von Runen zusammen, die während der NS-Zeit verwendet wurden: der Todesrune (auch Tyr-Rune, im NS Abzeichen der SA und SS) und einer Mischung aus Sieg-Rune (auch S-Rune, im NS als Doppel-Rune Zeichen der SS, als einzelne Rune Zeichen der HJ) und Gibor-Rune (auch Wolfsangel, im NS leicht abgeändert Abzeichen der HJ und der SS). Aufgrund von öffentlichem, politischem und juristischem Druck wurde das Zeichen allerdings Anfang 2005 geändert. Dabei stellt auch das neue Logo der Marke eine Rune dar ? diese fand allerdings im Nationalsozialismus keine Verwendung. Und Trotzdem: Durch die Verwendung von Symbolen und Namen aus der nordischen Mythologie ist die Bekleidung von Thor Steinar auch weiterhin in der rechten Szene sehr beliebt.
Eine weitere populäre Marke der extremen Rechten ist Consdaple. Die Kleidung dieser Marke ist szeneintern beliebt, weil im Markenname das Kürzel NSDAP enthalten ist. So werden beispielsweise T-Shirts mit dem Schriftzug Consdaple in der rechten Szene gerne so unter der Jacke getragen, dass nur noch der Name der Hitler-Partei zu lesen ist. Ähnliches gilt für Kleidung des Boxsportausrüsters Lonsdale, der sich aber zunehmend gegen den Missbrauch von Rechtsextremen wehrt. Bei Consdaple ist zusätzlich der Adler, der ebenfalls als Logo der Marke dient, dem Reichsadler sehr ähnlich. Anders als beispielsweise bei Alpha Industries handelt es sich bei Consdaple um eine Marke von Nazis für Nazis: Sie wird ausschließlich in neonazistischen Läden oder Versanden vertrieben. So beispielsweise beim Patria-Versand, der neben Baseballschlägern (hier als „Sportgeräte“ deklariert) auch T-Shirts mit dem Aufdruck „Division 88“ verkauft. Neben Jacken und T-Shirts gibt es aber auch Schuhmarken, die unter Neonazis sehr beliebt sind. So beispielsweise die Marke New Balance, deren Symbol ein aufgenähtes N ist, das im neonazistischen Spektrum als Abkürzung für Nationalist bzw. Nationalsozialist gedeutet wird. Aber auch hier gilt: Nicht jeder Träger der Marke ist ein Anhänger der rechten Szene. Und: New Balance hat sich vom neonazistischen Kundenkreis distanziert.
Fazit: ein taktisches Spiel
In den vergangenen 10 Jahren war die Neonazi-Szene starken Umbrüchen ausgesetzt. Die vormals dominierende Kultur der rechten Skinheads hat ihre Führungsrolle verloren. Neben ihr existieren verschiedene andere rechte Jugendkulturen. Durch diesen Wandel haben diverse Musikrichtungen und Dresscodes in die Neonazi-Szene Einzug gehalten. Auf eine eindeutige stilistische Abgrenzung zur restlichen Gesellschaft wird zunehmend verzichtet und neue, dezentere Codes werden geschaffen.
Alle genannten Beispiele beschreiben den Wandel, der zumindest in Teilen der Neonazi-Szene stattgefunden hat: Die Grenzen zu anderen Jugendkulturen sind fließender geworden, innerhalb der Szene existieren heute mehrere jugendkulturelle Elemente nebeneinander, der „Klassiker“, der Skinhead mit Glatze, Stiefeln und Bomberjacke ist zwar nicht verschwunden, er dominiert die rechtsextreme Szene aber auch nicht mehr wie beispielsweise noch in den 1980er Jahren oder Anfang der 1990er. Zu diesem Wandel gehört auch die Übernahme bzw. Umdeutung von Symbolen und Inhalten, die ursprünglich aus der ebenfalls jugendkulturell geprägten linken Szene stammen. Darin drückt sich auch zumindest der Versuch der rechten Szene aus, sozialpolitische Themen aufzugreifen und sich als „Systemopposition“ darzustellen.
Die genannten Beispiele zeigen aber auch, dass die Neonazis nach wie vor gerne eine Art „Versteckspiel“ betreiben, so dass Anhänger der rechtsextremen Szene nicht mehr so leicht zu erkennen sind, wie es vor einigen Jahren noch der Fall war. Es sind oftmals nur kleine, unauffällige Codes und Zeichen, die Jugendliche als rechtsextrem kennzeichnen, die aber oft nur Anhänger der Szene verstehen. Andererseits reicht das alleinige Tragen dieser Symbole oder Modemarken heute nicht mehr aus, um Anhänger der rechtsextremen Szene zwangsläufig als solche zu identifizieren. Häufig ist es die Kombination aus mehreren Symbolen und bestimmten modischen Accessoires, die einen Jugendlichen als Neonazis kenntlich macht. Andererseits kann ein Jugendlicher sich auch rechtsextrem äußern, ohne durch Kleidung oder Symbole seine Gesinnung nach außen zu tragen. Und unter Schülern mahnen rechtsextreme Sammlungsbewegungen wie die Sammlungsbewegung „Freier Widerstand“ sogar dazu, eine gewisse Unsichtbarkeit aufrecht zu erhalten: „Wenn ihr noch nicht als Nationalist bekannt geworden seid, hängt es nicht an die große Glocke. Es bringt niemandem etwas, wenn er es weiß“, heißt es etwa in einem internen Verhaltensmaßregelkatalog.
Die Nichterkennbarkeit hat also einerseits taktische Gründe. Und sie kann als Teil der in der rechtsextremen Szene propagierten Strategie der Erreichung einer „kulturellen Hegemonie“ verstanden werden (auch diese ist im Übrigen ein von der Linken „übernommenes“ Konzept). „Kulturelle Hegemonie“ meint dabei im Sinne der Neonazis, gezielt in möglichst allen Bereichen des alltäglichen Lebens rechtsextreme und rassistische Einstellungen sowie einen rechten Lebensstil zu etablieren. Um dies zu erreichen haben in den letzen Jahren „Freie Kameradschaften“ und NPD gezielt versucht, Jugendliche und ihre Kultur für sich zu gewinnen und zu beeinflussen. Dies geschieht nicht nur beispielsweise über Musik oder Demonstrationen, die gerade für Jugendliche einen großen ‚Erlebnisfaktor‘ darstellen, sondern auch über Nachhilfe- oder Beratungsangebote. Diese Strategie trägt bereits gefährliche Früchte: Die Wählerreservoirs, welche die rechtsextreme NPD bei Wahlen in den vergangenen Jahren besonders gut ausschöpfen konnte, sind überwiegend Erst- und Jungwähler, also die Träger von Jugendkultur.
Dieser Text wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Bundeszentrale für politische Bildung