Julia Ebner beschreibt in ihrem gerade auf deutsch erschienen Buch „Wut“, wie ähnlich sich Islamisten und Rechtsextremisten tatsächlich sind. Beide Gruppen pflegen das Narrativ vom unvermeidlichen „Endkampf“ zwischen dem Islam und dem Westen, beide generieren sich als Opfer und gleichzeitig als einzig wahre Alternative. Im jeweils eigenen Klientel wird Angst, Unsicherheit und Wut instrumentalisiert, um zu rekrutieren und Propaganda zu verbreiten. Die vermeintlich so gegensätzlichen Ideologien haben dabei eine Menge Gemeinsamkeiten.
Beide lehnen die westlichen und demokratischen Werte ab und preisen eine Vergangenheit als Idealbild an, die so nie existiert hat: Gleichberechtigung gelte es zu bekämpfen, Minderheiten sollen keine Rechte haben. Zentral ist dabei vor allem Antisemitismus. Auf der Feindesliste der Islamisten stehen Israel und Juden und Jüdinnen weit oben, genauso wie bei Rechtsextremen.
Ebner beschreibt zum Beispiel den Fall von Claude Hermant, einem französischen Aktivisten aus dem Umfeld der rechtsextremen „Identitären Bewegung„. Hermant wurde zu sieben Jahren Haft und 30.000 Euro Bußgeld verurteilt, unter anderem weil er Waffen an Amédy Coulibaly verkauft hatte. Coulibaly verübte damit im Auftrag des sogenannten „Islamischen Staates“ am 9. Januar 2015 den Anschlag auf den jüdischen Supermarkt Hyper Cache in Paris. Dort ermordete er vier Menschen. Schon am Tag zuvor hatte er eine Polizistin erschossen.
Schon in der 2015 Hypercacher-Geiselnahme erhielt der AQ-Terrorist seine Kalashnikov vom Rechtsextremisten Claude Hermant. Fälle von Neonazi-IS-Überläufern zeigen ideol. Überlappungen u.a. im Antisemitismus, Anti-Liberalismus, Anti-Multikulturalismus, Anti-Individualismus, etc pic.twitter.com/ViuaXN22RU
— Julia Ebner (@julie_renbe) 18. April 2018
Auch die Gruppe „Nordadler“ soll Listen mit potentiellen Anschlagsopfern geführt haben, darunter auch Juden und Jüdinnen. Wladislav S. ist ein mutmaßliches Mitglied der Gruppe und hat dem NDR-Magazin Panorama ein Interview gegeben. Dabei bezeichnet er sich als „Nationalsozialisten“. Das ist eine durchaus bemerkenswerte Selbstbezeichnung, hatten doch die rechtsextremen Terroristen der „Hepp-Kexel-Gruppe“ schon 1983 ihr Manifest „Abschied vom Hitlerismus“ veröffentlicht, indem sie die „Abart“ des „NS- und Uniformfetischismus“ anprangern. Auch aktuelle Protagonist_innen von NPD bis sogenannter „Neuer Rechter“ legen, zumindest in der Öffentlichkeit, gerne Wert auf ihre Distanz zum Nationalsozialismus.
Der Antisemitismus von „Nordadler“ ist nicht hinter absurden Verschwörungstheorien wie dem „Großen Austausch“ versteckt, die von Vertreter_innen der alten und „neuen“ Rechten propagiert wird. Juden und Jüdinnen werden von „Nordadler“ ganz offen gehasst.
Auf der Website der Gruppe finden sich mehrere Artikel, in denen unterschiedliche Philosophien, Denkschulen und Gesellschaftskonzepte angegriffen werden. Mehrere der Texte sind – ohne Quellenangabe – Schulungs- und Propagandamaterialien der SS entnommen. Die Artikel befassen sich mit Freimaurerei, dem Puritanismus, Liberalismus, Imperialismus. Texte zum Zionismus, dem Judentum, Islam und Christentum sind offenbar geplant, Vorschaubilder dazu gibt es schon, Artikel allerdings nicht. Gemeinsam ist laut den Verfasser_innen all diesen Philosophien vor allem eins: sie dienen Juden und Jüdinnen dazu, das „Volk“ zu versklaven und in Schranken zu halten. Immer wieder geht es um das „auserwählte Volk“, „Minderheiten“ und „Minderwertige“, die das Volk im „innersten bedrohen und in seinem Bestand erschüttern“. Zum Liberalismus haben die Verfasser_innen folgendes zu sagen: „Die Gleichheit aller Staatsbürger, gleich welcher Rasse sie angehören, hat die Rassenmischung der europäischen Menschen mit dem außereuropäischen Völkern, Afrikanern, Mongolen usw. zur Folge und damit die Zersetzung und den Untergang der europäischen Rassen hervor gebracht.“ [sic!]
Links auf der Website verweisen auf 90-minütige Predigten des verurteilten Holocaustleugners Horst Mahler. Mehrere Rechtsrock-Videos werden verlinkt, die den kommenden Untergang der Demokratie ankündigen. In anderen Beiträgen wird die deutsche Kriegsschuld verneint. Die eigentlich Schuldigen? Natürlich Juden und Jüdinnen.
Ähnlich explizit geht es auf der Facebookseite der Gruppe weiter – die übrigens weiterhin erreichbar ist. Auch hier werden Artikel und Videos geteilt, die den Holocaust – „das gewaltigste Abzock-Unternehmen der Geschichte“ — leugnen oder behaupten, dass jüdische Banker den zweiten Weltkrieg angezettelt hätten. Alternativ war es doch Hitler, der den Krieg begonnen hat, allerdings nur, weil er „einer der ganz wenigen [war], die das Geldsystem wirklich verstanden hatten“. Die Kronzeugen der Rechstextremen sind dabei alle Antisemiten, die Deutschland und Europa so hervorgebracht hat, angefangen mit Martin Luther, auf dessen Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ verlinkt wird.
Das Ergebnis der angeblichen jüdischen Vernichtungspläne ist schließlich doch ein „Bevölkerungsaustauch“: „Nun vernichtet Massenimmigration die weissen Völker der Erde!“ [sic!] Und: „Europas Überschwemmung durch Immigranten und Asylanten jeder Art und Farbe ist nicht Zufall, sondern Absicht.“ Das ist eine Erzählung, die auch zentral für die sogenannte „Neue Rechte“ ist. Bei den Aktivist_innen rund um IB und Antaios-Verlag sind die Schuldigen nie so ganz auszumachen, Antisemitismus verbirgt sich hier hinter Codes und Andeutungen. Bei „Nordadler“ ist man da offener: Die „Herrschaft von Mulatten, Israel-Lobbyisten und Ostküstenkapitalisten“ droht.
Die Zusammenarbeit zwischen Wladislav S. und Sascha L. erscheint in diesem Licht mehr als folgerichtig. Westliche Werte, Humanismus, Gleichwertigkeit und Weltoffenheit lehnen beide ab. Für den einen ist der Islam die Erlösung, für den anderen der Nationalsozialismus. Juden und Jüdinnen sind für die Extremisten Personifikation der westlichen und damit dekadenten Welt. Den Nationalsozialisten S. und den Islamisten L. eint vor allem eines: Hass.