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Thor Steinar – In Rechter Lage

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Von Hauke Friederichs

Die Boutique „Brevik“ in einer Passage an der Hamburger Mönckebergstraße wirkt auf den ersten Blick wie ein gewöhnliches Outdoorgeschäft, doch verkauft sie ausschließlich Kleidung der Marke „Thor Steinar“, die unter Rechtsextremen als schick gilt. Mit ihr kleiden sich Neonazis nach der Mode und sind von Gleichgesinnten dennoch zu erkennen.

Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln, Bomberjacke und Braunhemd trugen sie gestern, heute ist es Kleidung mit dem Aufdruck der „Nordic Company“. Die Schnitte sind aktuell, die Stoffe hochwertig und der Katalog hat Hochglanz-Qualität. Lediglich kleine Runen oder zweideutige Sprüche weisen die Textilien als Gesinnungswäsche aus. Eine Kollektion heißt „Nordmark“ – wie ein NS-Arbeitslager, ein Jeanshosentyp „Thule“ – wie die gleichnamige rechtsextreme Gesellschaft. Mit „Ski Heil“, „Nordic Division“ und „Germanischer Gotteskrieger“ sind T-Shirts bestickt. Das ist alles nicht strafbar, was den Umgang mit dem Phänomen nicht einfacher macht. Thor Steinar gibt sich modern und unpolitisch. Und die Geschäfte, in denen es verkauft wird, hausen nicht mehr in Schuppen am Stadtrand – sie präsentieren sich in bester Lage.

Das Unternehmen Mediatex, das Thor Steinar vermarktet, beliefert Läden in Berlin, Dresden, Leipzig und Magdeburg. Die Geschäfte führt der Kaufmann Uwe Meusel aus dem brandenburgischen Königs Wusterhausen. Er gründete Mediatex im Jahr 2003 zusammen mit seinem Partner Axel Kopelke, der im Sommer 2007 in die Schweiz übergesiedelt ist. Beiden wirft die Website Inforiot, die von einer linken Gruppe in Brandenburg betrieben wird, Verstrickungen in die rechtsextreme Szene vor. Kopelkes Reaktion darauf ist nicht bekannt; Meusel wehrt sich mit juristischen Mitteln gegen solcherlei Behauptungen. Von seinen rechtsextremen Kunden, die Thor Steinar loben, distanziert er sich nicht. Der Rechtsrock-Versand Rock-Nord habe Thor-Steinar-Kunden als „patriotisch“ bezeichnet, berichtet der Verfassungsschutz. Die „Nationalen Sozialisten Mainz-Bingen“ schreiben im Internet von einer in „nationalen Kreisen“ beliebten Marke; die NPD Hannover freut sich, wie gut die Kleidung bei der „nationalen Jugend“ ankomme.

Der Staat Norwegen klagt wegen Missbrauchs seiner Flagge

Vom brandenburgischen Zeesen aus vertrieb Mediatex Thor Steinar zunächst über das Internet und rechtsextreme Versandhändler. Im Jahr 2006 begann Meusel Boutiquen zu eröffnen. Als Mieter tritt meist die Firma Protex auf, deren Geschäftsführer er ist.

Seine Läden liegen stets in der Innenstadt: in Dresden am Ferdinandplatz, wo im Winter der traditionelle Striezelmarkt stattfindet, in Magdeburg im Hundertwasserhaus in der Nähe des Doms und des Landtages und in Leipzig mitten im Zentrum. Die Läden führen die Namen skandinavischer Städte, Thor Steinar zelebriert einen nordischen Kult. Da die Marke ihre Textilien gerne mit der Flagge Norwegens bedruckt, hat der norwegische Staat Mediatex wegen Missbrauchs seines Hoheitszeichens verklagt.

Das Berliner Geschäft „Tonsberg“, im Februar eröffnet, liegt an der Rosa-Luxemburg-Straße im Scheunenviertel, in der Nachbarschaft von Galerien und Cafes. Anwohner wehren sich in der Initiative „Mitte gegen Rechts“. Sie erinnert vor dem Geschäftshaus mit goldfarbenen, in den Gehweg eingelassenen Stolpersteinen an sieben jüdische Bewohner, die von den Nazis deportiert wurden. Sie hat auf einem Platz in der Nähe des Ladens einen Baucontainer aufgestellt, in dem sie die Symbolsprache der Marke erläutert. Bis 2005 verwendete Mediatex ein Logo, das aus der Tyr- und der Gibor-Rune des germanischen Runenalphabets bestand. Sie dienten im „Dritten Reich“ als Abzeichen der SA-Reichsführerschulen und SS-Einheiten. Nach etlichen Strafverfahren gegen Rechtsextreme, die Kleidung mit diesem Symbol trugen, änderte Mediatex das Logo.

Am 26. September eröffnete Meusel nun das Geschäft „Brevik“ in der HSH Nordbank Passage, die an der Mönckebergstraße liegt, Hamburgs wichtigster Einkaufsstraße. Die HSH Nordbank, ein Zusammenschluss der Landesbanken Schleswig-Holsteins und Hamburgs, spricht von einer „arglistigen Täuschung“. Ihre Mieterin, die Protex GmbH, habe verschwiegen, dass sie Thor Steinar verkaufen wolle. Juristen der Bank bereiten eine Räumungsklage vor.

Immer wieder klagen Vermieter gegen die ungeliebten Läden. Im März wurde dem Berliner Geschäft „Tonsberg“ wegen Täuschung gekündigt. Meusel weigert sich auszuziehen. Nun verhandelt das Landgericht Berlin über eine Räumungsklage. Die Entscheidung soll am 14. Oktober fallen. In diesem Monat will auch das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalts über die Räumung von „Narvik“ aus dem Hundertwasserhaus entscheiden. In Leipzig klagt der Vermieter des Thor-Steinar-Ladens ebenfalls wegen „arglistiger Täuschung“.

Die HSH Nordbank verhandelt derzeit mit Meusel über einen Auszug, während jeden Tag vor der Ladenpassage demonstriert wird. Zwei Hamburger Zeitungen schrieben, dass Meusel eine hohe Entschädigungszahlung fordere. In Leipzig sollen Meusel ohne Erfolg 200.000 Euro geboten worden sein, berichtete die Bild-Zeitung.

Die HSH Nordbank will nicht zahlen. In der HSH Nordbank Arena, dem Stadion des Hamburger Sport-Vereins, gibt es auch eine klare Haltung. Wer Thor-Steinar-Kleidung trägt, darf nicht hinein – Hertha BSC Berlin, Werder Bremen und viele andere Vereine halten es genauso.

Nach nur zwei Wochen gibt Mediatex auf: Jetzt ziehen sie doch aus: Spätestens zum 31. Oktober soll der Laden wieder leer sein, berichtet die Welt. Die näheren Konditionen sind unklar. Die Firma Mediatex und Meusel waren zu keinem Gespräch mit der ZEIT bereit und verweigerten jede Stellungnahme.

Dieser Text erschien in Die Zeit am 8. Oktober 2008. Wir bedanken und für die freundliche Unterstützung.

Zum Thema:

| Initiativen gegen Läden für den rechten Lifestyle

| Die Thor-Steinar-Welt der Zufälle

| Die Thor-Steinar-Welt der Zufälle II

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Hass zum Anziehen Marken, die bei Neonazis beliebt sind

„Nationale“ Marken sind Marken, die sich bewusst an die rechtsextreme Szene wenden; sie sind in der Regel nur in Neonazi-Geschäften oder -Versänden zu erwerben. Oft fließen Erlöse auch in die rechtsextreme Szene zurück. So sind „nationale“ Marken auch eine Finanzierungsmöglichkeit für die Neonazi-Szene.

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