Dortmunder Neonazis versuchten im letzten Jahrzehnt immer wieder, eine eigene braune Infrastruktur – Wohnhäuser, Gaststätten, Übernachtungsmöglichkeiten für Neonazi-Gäste, einen eigenen Versandhandel mit neonazistischen Materialien et cetera – aufzubauen. Einige Versuche konnten durch kontinuierliche Gegenproteste und städtische Aktivitäten verhindert werden.
Zupass dürfte ihnen jetzt die Eröffnung eines „Thor Steinar“- Ladens der Firma Tønsberg in der Dortmunder Innenstadt kommen. Die Neueröffnung wird auf der Website des Betreibers sowie im Magazin der braunen Dortmunder Kleinstpartei „Die Rechte“ massiv beworben. „Schöner leben mit ‚Naziläden‘“, titeln die Neonazis. In Dortmund hat sich allerdings massiver Gegenprotest entwickelt.
Zum Hintergrund: Thor Steinar ist eine Kleidungsmarke, die vor allem von Rechten getragen wird und als szeneeigene Erkennungsmarke gilt, aber zeitweilig auch in der eigenen Szene umstritten war. 2009, nach der zeitweiligen Übernahme der Firma durch einen arabischen Investor aus Dubai, hatten einzelne Neonazi-Gruppierungen deren Boykott gefordert. Ein Jahr später war der nationalistische Frieden wieder gesichert: Uwe F. und der Schweizer Marco W. übernahmen wieder die Geschäftsführung mit Sitz in Mittenwalde. In der Schweiz betreibt ein langjähriger Aktivist der „Hammerskin“-Szene einen Internetversand.
„Identitätsstiftendes Erkennungszeichen“
Das Landesamt für Verfassungsschutz Brandenburg stellte bereits 2004 fest, dass „dem engeren und weiteren Umfeld der Firma Rechtsextremisten“ angehörten und dass „Thor Steinar“ für Rechtsextremisten ein „identitätsstiftendes Erkennungszeichen“ sei. Im Bundestag und sowie u.a. im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist das Tragen der Kleidung ausdrücklich untersagt. Das Tragen der Kleidung der Marke „Thor Steinar“ „erfülle zwar keinen Straftatbestand, könne jedoch „eine rechtsextreme oder antidemokratische Gesinnung zum Ausdruck bringen“, bestätigte ein Bundestagssprecher 2008.
Bundesweit gibt es seit mehr als einem Jahrzehnt heftige Auseinandersetzungen um die rechte Ladenkette. Als sehr rechte Erkennungsmarke wird die Kleidung bevorzugt in Fußballstadien getragen. Vereine wie etwa „Borussia Dortmund“ reagierten hierauf mit Verboten innerhalb ihres Stadions. Außer dem Dortmunder Laden existieren nur noch zehn Läden, alle in Ostdeutschland, wie auch ein studentisches Magazin aus dem Ruhrgebiet in einem Hintergrundbeitrag zu Dortmund recherchiert hat.
In der Nachfolge der Essener „Thor Steinar“-Filiale?
In den vergangenen Jahren mussten entsprechende Läden mit „Thor Steinar“-Kleidung nach kontinuierlichen Protesten insbesondere aus dem antifaschistischen Spektrum in Magdeburg, Leipzig, Berlin, Hamburg, Bremen und Hannover schließen. Teils wurde dies auch durch Gerichte entschieden, wie 2015 in Hannover.
Vor einem halben Jahr, im März 2019, machte die „Thor Steinar“-Filiale „Oseberg“ in Essen nach zahlreichen Protesten als letzte Filiale in Westdeutschland dicht. Dieser Laden bestand seit 2009 und hatte sich nach Einschätzung der Zeitung „Der Westen“ „als Anlaufpunkt für Rechtsradikale und Neonazis“ erwiesen. Der Vermieter versicherte – wie nun auch der Dortmunder Vermieter – dass er nichts über die sehr rechten Hintergründe des Mieters gewusst habe. Die Neueröffnung des Ladens im Dortmunder Zentrum wird als eine Nachfolge der Essener Filiale verstanden.
Gegendemonstranten und Neonazis vor dem Dortmunder Laden
Am vergangenen Montag versammelten sich in Dortmund etwa 250 Gegendemonstranten 100 Meter entfernt vom Laden. Es wurde dabei insbesondere die Gefahr für Anwohner hervorgehoben, die durch diesen zentral gelegenen rechten „Szenetreff“ zu erwarten sei. In den vergangenen Tagen habe der Laden sehr viel Kundschaft gehabt.
Vor dem in einem Hinterhof liegenden Laden, auf den auf dem Brüderweg großformatig der Firmenname zu sehen ist, hatten sich etwa zehn bekannte Dortmunder Neonazis von der „Rechten“ postiert, darunter der Kader Michael Brück, der erneut den Gegenprotest abfilmte.
Auf der Straße wurde mit mehreren Aktionsformen sowie mit zahlreichen Transparenten dagegen protestiert. Auch in einer Wohnung direkt über der Toreinfahrt brachten Anwohner*innen ein Protestplakat an.
In einer umfangreicheren, gemeinsamen Pressemitteilung mehrerer antifaschistischen Gruppen aus Dortmund, darunter die „Autonome Antifa 170“ sowie „Mean Streets Antifa DO“, wird die Stadt Dortmund aufgefordert, „rechtliche Möglichkeiten“ für eine zeitnahe Schließung des Ladens zu prüfen.
Die Initiative fordert zu regelmäßigen Protesten gegen den rechten Laden auf. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort. Nach 90 Minuten zogen die Neonazis unter Polizeibegleitung ab.
Auch die regionale Presse hat zwischenzeitlich über die Ladeneröffnung und die Gegenproteste berichtet. Der WDR sowie das studentische Magazin „ak(duell)“ vermelden, dass der griechischstämmige Vermieter, der namentlich aus Angst vor Bedrohung nicht genannt werden möchte, mit Hilfe der Stadt den Laden so rasch wie möglich wieder loswerden möchte. Er habe nicht gewusst, wer der Mieter sei. Der Mietvertrag laufe jedoch fünf Jahre.
Der Protest geht weiter
Auf Anfrage von bnr.de äußerte auch die Dortmunder SPD-Landtagsabgeordnete Nadja Lüders ihren scharfen Protest: Es gelte aufzupassen, dass nun nicht „sämtliche Nazis aus NRW hier hin pilgern, um sich mit ihrer Kleidung einzudecken“. Sie sei selbst am Montag in Dortmund bei der Kundgebung gegen die Eröffnung dabei gewesen und es sei „toll gewesen“ zu sehen „wie zahlreich und friedlich viele Bürgerinnen und Bürger“ gezeigt hätten, dass für so einen Laden „in Dortmund kein Platz“ sei. Der Protest werde auf jeden Fall weitergehen: „Das Bündnis BlockaDo wird zu weiteren Kundgebungen aufrufen und wir werden uns beteiligen“, sagte die SPD-Politikerin.
Der städtische Sonderbeauftragter der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie, Hartmut Anders-Hoepgen, erklärte auf eine Anfrage von bnr.de in sprachlich etwas gewundener Form: Auch wenn „die Handlungsoptionen einer Stadtverwaltung begrenzt“ seien so stünden sie dem Vermieter des Ladens sowie Nachbarn „bezogen auf Informationen zu den ideologischen Hintergründen“ sowie der „Umsetzung des Dortmunder Aktionsplans gegen Rechtsextremismus zur Verfügung“. Mit dem „menschenverachtenden Hintergrund“ des Bekleidungslabels und „der damit einhergehenden Kundschaft von Neonazis“ sei dieses Geschäftsangebotes „in einer Stadt der Vielfalt deutlich unerwünscht“. Dem „zivilgesellschaftlichen Engagement“ wünschten sie „viel Erfolg“.
Dieser Text erschien zu erst auf Blick nach rechts und hagalil.
„Nazi-Kiez“-Graffiti ist Geschichte
Derweil ist in Dortmund noch ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu vermelden: Nach langjährigen Verhandlungen haben die Vermieter einer Immobilie in Dortmund-Dorstfeld zugestimmt, den Schriftzug „Nazi-Kiez“ übermalen zu lassen, mit dem Dortmunder Rechtsextreme praktisch ihr Revier markiert haben. Am Freitag wurde der schwarzweißrote Nazi-Spruch mit bunten Farben übermalt – unter massivem Polizeischutz, und unter Abfotografieren von Künstlern und Presse durch die Rechtsextremen im Haus auf der anderen Straßenseite. Nun heißt es „Our colours are beautiful. Es soll in diesem Viertel für neuen Mut sorgen soll. Stadt, Polizei und engagierte Bürger haben die Aktion angestoßen – sie wollen damit zeigen, Dortmund- Dorstfeld ist kein Nazi-Kiez. (vgl. WDR, Ruhr24.de)