Am Sonntagvormittag fand ein Zeuge neben einer Sitzgruppe am Straußfurter Bahnsteig im Landkreis Sömmerda einen verdächtigen Gegenstand und informierte die Polizei. Am Bahnsteig lag ein Bettlaken mit einer Plastiktüte. Beamt*innen entdeckten darunter zwei Rohrbomben, darauf ein dickes, schwarzes Hakenkreuz. Beide Sprengkörper sollen grundsätzlich zündfähig gewesen sein, seien jedoch aus unterschiedlichen Sprengstoffen hergestellt worden, so die Polizei. Eine Fernzündung gab es jedoch nicht, auch ein Bekennerschreiben fehlt bisher. Der Staatsschutz, der die Ermittlungen übernommen hat, sicherte die Bomben und entschärfte eine direkt vor Ort. Der Bahnhof war in der Folge am Sonntag stundenlang weiträumig abgesperrt.
Nach Ansicht der Polizei war die Infrastruktur der Bahn kein mögliches Anschlagsziel. Die Sprengsätze hätten sich im Bereich der Bahnsteige, nicht an den Gleisen befunden. Ein Zusammenhang zur Sabotage an Kabeln der Bahn am Samstag in Herne und Berlin sei deshalb nahezu auszuschließen.
Trotz des verfassungsfeindlichen und verbotenen Symbols geht die Polizei nicht von einem terroristischen Hintergrund aus. Da der Inhalt „nicht profimäßig“ zusammengebaut worden war, richteten die Ermittler*innen ihr Augenmerk eher auf Täter aus dem Straußfurter Umfeld, berichtet der MDR. Gegenüber der taz drückte Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) jedoch seine Besorgnis aus: „Für mich sieht das nicht nach einem Dumme-Jungen-Streich aus“. Für ihn sei der Bombenfund ein sehr beunruhigender Vorfall, der keineswegs kleingeredet werden dürfe.
Parallelen zum NSU?
Die Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss (Linke) weist unterdessen auf Parallelen zum NSU hin: Bevor das Kern-Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 1998 in den Untergrund gingen, wurden 1996 und 1997 in Jena drei Bombenattrappen an öffentlichen Plätzen abgestellt. Die Taten werden dem NSU-Kerntrio zugerechnet. Am 6. Oktober 1996 wurde auf einem Jenaer Sportplatz eine mit der Aufschrift „Bombe“ und einem Hakenkreuz bemalte Holzkiste gefunden, die Ermittler*innen später dem Trio zuordnen konnte. Im Inneren der Kiste befand sich ein Benzinkanister, der mit Granatsplitt, Dämmwolle und einem Stück Metallrohr gefüllt war.
Im Januar 1997 gingen mehrere Briefbombenattrappen bei Jenaer Institutionen ein. Eine Bombe mit einigen Gramm TNT – zündfähig war das Gemisch jedoch nicht – wurde am 2. September 1997 in einem mit Hakenkreuz bemalten Koffer vor dem Theaterhaus Jena abgelegt. Auch Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos wurden damals verhört, aber nicht festgenommen. Am 26. Dezember 1997 entdeckten Spaziergänger an der Gedenkstätte für einen ermordeten KZ-Häftling auf einem Jenaer Friedhof einen ebenfalls mit Hakenkreuz bemalten Koffer. Auch diese Taten wurden später dem Trio zugeordnet.
Gerade vor diesem Hintergrund könnte der aktuelle Bombenfund als Hommage an das mordende NSU-Netzwerk gedeutet werden. „Es sind deutliche Ansagen von rechts, die gemacht werden“, so König-Preuss via Twitter.
Tatort Apolda
Der andere besorgniserregende Vorfall ereignete sich einen Tag nach dem Hakenkreuz-Bombenfund, am Montag, dem 10. Oktober. Ein bisher Unbekannter hatte sich am Nachmittag Zutritt zu einer Industriebrache in der Nordstraße in Apolda verschafft. Direkt gegenüber liegt eine Unterkunft für 147 Geflüchtete aus der Ukraine, die vor dem russischen Angriffskrieg geflohen sind. Im Eingangsbereich stapelte der Unbekannte Holzpaletten und zündete sie an. Zeug*innen beobachteten das Geschehen und riefen die Feuerwehr. Nur wenige Meter vom Brandherd entfernt fanden Feuerwehrleute eine geöffnete Gasflasche mit Acetylen, wie der MDR berichtet.
Dieses farblose Gas bildet in Verbindung mit Luft ein leicht entzündbares und hochexplosives Gemisch. Die Feuerwehr konnte die Gefahr rechtzeitig bannen. Am Dienstagmittag wurde dann bekannt, dass Ermittler*innen nicht von einem gezielten Anschlag ausgehen. Viel mehr hätte sich die Gasflasche auch zufällig auf dem Gelände befinden können.
Gefahr von rechts
Angesichts der Vorfälle in Thüringen weist Katharina König-Preuss auf rechte Stimmungsmache in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft hin: „Sprache schafft Realität“, so König-Preuss. Federführend bei rassistischer, menschenverachtender Hetze, sind erneut Akteure der AfD. „Aber auch Abgeordnete demokratischer Parteien sowie kommunale Akteure müssen sich bewusst sein, dass ihre Äußerungen im rassistischen Kontext eine Ermutigung für derartige Taten sein können.“