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Tierschutz als Deckmantel für Naziideologien

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(Quelle: Screenshot Facebook 2012)

Beim Thema Tier- und Umweltschutz geht es den Nazis nicht um die Sache an sich, sondern vielmehr um die Sicherung der „Lebensgrundlage“ der deutschen „Volksgemeinschaft“. Durch gesellschaftskritische Inhalte und clevere Kommunikationsmaßnahmen wird versucht, in sozialen Bewegungen Fuß zu fassen und Sympathisanten für sich zu gewinnen.

Mit Vorgeschichte

Wenn sich „Autonome Nationalisten“ in Sachen Tierrechte und Naturschutz engagieren, können sie auf NS-Traditionen zurückgreifen. Schon im Jahr 1933 verabschiedeten die Nationalsozialisten das erste Tierschutzgesetz („Reichstierschutzgesetz“) in Deutschland. Für sie war bereits damals der Tierschutz ein populäres Thema, das genutzt wurde, um Juden mit Tierschutzargumentationen zu diskriminieren.

Am 21. April 1933 wurde das Schächten, eine Schlachtart, bei der das Tier zum rückstandslosen Ausbluten gebracht wird, vom Reichstag unter Strafe gestellt. Das Gesetz beinhaltete, warmblütige Tiere beim Schlachten vor Beginn der Blutentziehung zu betäuben. Ausnahmen waren nur bei Notschlachtungen gestattet. Bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Zuwiderhandlungen wurden Geldstrafen oder Gefängnisstrafen von bis zu sechs Monaten Haftdauer angedroht.

Ein weiterer wesentlicher Inhalt des Gesetzes verbot sämtliche Tierversuche an lebendigen Tieren, auch Vivisektion genannt. Besonders makaber, diese Versuche wurden später auf grausame Weise an Häftlingen in den Konzentrationslagern durchgeführt. Das Gesetz gehörte den ersten und in erheblichem Maß propagandistisch verwendeten Gesetzgebungsmaßnahmen der NS-Zeit an. Es bediente eine Vielzahl weit Verbreiteter antisemitischer Feindseligkeiten und schränkte die religiösen Freiheiten der Juden erheblich ein.

Traditionen werden fortgesetzt

Auch heute ist das Schächten noch ein wichtiges Thema bei rechtsextremen Gruppierungen. Durch das erneute Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Januar 2002 wurde eingeräumt, dass aus religiösen Gründen mit einer Ausnahmegenehmigung das Schächten erlaubt ist. Das Urteil wird immer wieder von der NPD und rechten Organisationen in Frage gestellt und angefochten zu werden.

So steht im aktuellen Wahlprogramm der NPD, dass die Partei „für einen effektiven und konsequenten Tierschutz“ kämpft. Ein Engagement, für das viele Parteien eintreten. Die Verbindung zum Antisemitismus und Islamfeindschaft kommt dann einige Absätze später: „Unnötige Tierquälerei beim betäubungslosen Schlachten (Schächten) lehnt die NPD strikt ab. Zuwiderhandlungen sind strafrechtlich zu ahnden“ (Quelle: NPD Wahlprogramm). Hinter diesen Forderungen steht eine klare Strategie. Die vermeintlich progressiven Inhalte fungieren als Fassade für rechtsextreme Ideen. Tierschutz scheint geeignet, um mit gesellschaftskritischem Anstrich neue Anhänger aus gänzlich anderen Kontexten zu gewinnen.

Randnotiz….

Gerade junge Menschen fühlen sich oft durch das populäre Thema „Tierschutz“ angesprochen und können darüber in das Netz der national-ökologischen Strategie geraten. Es ist für viele Menschen schwierig zu erkennen, dass es den Nazis beim Umwelt- und Tierschutz die alte NS-Blut-und-Boden Ideologie geht, die jedes ?Volk? ohne seinen ?Lebensraum? sterben sah. Geschickt verpacken sie ihre ideologische Überzeugungsarbeit unter dem Deckmantel des Tierschutzes.

Den Deckmantel nutzen

Die Nazis analysieren dabei, wo tatsächlich Potential für inhaltliche Vereinnahmung vorhanden ist. „Autonome Sozialisten“ protestieren nicht nur bei Montagsdemos gegen die Hartz-IV-Reform mit, sie engagieren sich in Sachen Umweltschutz und interessieren sich auch für Tierrechte und Veganismus. Das engagierte Gesicht wird aufgetragen, um sich beliebt zu machen und in der Gesellschaft Fuß fassen zu können.

Neonazis und der Antispeziesismus

So wird versucht, „links“ definierte Szene-Codes zu kopieren. Über politische Schlagworte wie „Antikapitalismus“ bis hin zum szenetypischen Bekleidungsstil und subkultureller Musik wird dem rechten Lebensstil angepasst, was sich irgendwie mit der rechten Ideologie vereinbaren lässt. So ist zum Beispiel das schwarz-grüne Symbol «Antispeziesistische Aktion», angelehnt an das Symbol der „Antifaschistischen Aktion“, das Symbol der Antispeziesistischen Bewegung der linken Tierschützer-Szene (Speziesismus bezeichnet die Ungleichbehandlung von Lebewesen aufgrund ihrer Art, wendet sich also gegen die Ungleichbehandlung von Menschen und Tieren, für die Freiheit und Gleichheit aller Lebewesen).

Original (links) und rechtsxtreme Version (rechts).

Obwohl der Grundgedanke der „Gleichheit aller Lebewesen“ in eklatantem Widerspruch zur rechtsextreme Ideologie steht, die ja gerade auf Ungleichwertigkeiten basiert, wird das Symbol und auch die Idee des Antispeziesismus kurze Zeit später wird es von den ?Nationalen Sozialisten? aufgegriffen.

Zitat aus einem rechten Internet-Forum:
?Ursprünglich steht das Symbol für die Antispeziesistische Aktion. D.h. für die Gleichstellung verschiedener Spezies (Tier und Mensch). Wir haben uns das Symbol angeeignet, da es für uns eine Verbindung zwischen der National Sozialistischen Weltanschauung und der Naturverbundenheit darstellt. Das Symbol ist aber schon abgeändert worden, damit unmissverständlich klar wird, dass auch Nationale Sozialisten im freien Widerstand für die Rechte der Tiere kämpfen!?

Allerdings sind sich die Nazis selbst unsicher, was das für sie jenseits der platten Formel ?Tierschutz ist Heimatschutz? in Referenz an die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Ideologie heißt. So trösten sie sich etwa in einem Posting einer rechten ?AG Tierrecht? damit, dass nicht-rechte Tierrechtsaktivisten da auch nicht konsequent leben würden. Als Ziele definieren sie an anderer Stelle etwa ein „Zucht- bzw. Kreuzungsverbot verschiedener Tierarten und -rassen. Dieses soll gewährleisten, dass sich die einzelnen Arten und Rassen ’selbstbestimmt‘ entwickeln, können, ohne menschlicher Manipulation ausgeliefert zu sein.“ Das passt zu neurechten, ethnopluralistisch-rassistischen Theorien, die ?Völker? sollten unter sich bleiben und sich nicht mischen.

Gezielte Unterwanderung der Szene

Zum ersten Mal ins Licht der Öffentlichkeit gerieten rechtsextreme Tierschützer aus Dresden und Pirna im Frühsommer 2006. Sie beteiligten sich in Dresden an einem Aktionstag gegen die Pelzindustrie. Vor der örtlichen Filiale von „Peek & Cloppenburg“ verteilten sie, in Boxer-Shorts gekleidet, Flugblätter der Tierschutzorganisation PeTA. Deren bekannte Kampagne „Der Holocaust auf deinem Teller“, der Fleischverzehr mit dem Massenmord der Nazis gleichsetzte und diesen damit verharmloste, bot den Nazis vorzügliche Möglichkeiten der Anknüpfung. Während der überwiegende Teil der Anti-Pelz-Aktivisten sich klar abgrenzte, gab es auch Stimmen, die die Anwesenheit der Neonazis durchaus für hinnehmbar hielten. „Hauptsache für die Tiere“, hieß es beispielsweise.

Im März 2007 tauchte in einer Kleinstadt in Baden-Württemberg eine polizeibekannte Gruppe Nazis vor einem Wanderzirkus auf und verteilte Anti-Zirkus-Flugblätter. Es kam zu einer Schlägerei. Initiiert wurde die Aktion von Anhängern der so genannten „Nationalen Sozialisten – AG Tierrecht“, ein Zusammenschluss mehrerer nationalistischer Kleingruppen aus Nordrhein-Westfalen, die laut ihrer inzwischen inaktiven Webseite „Stimme und Fäuste gegen die grausame Ausbeutung der Tierwelt“ erheben wollte. „Erwünschenswert ist es auch, dass man sich an Aktionen anderer Organisationen beteiligt“, heißt es in der Satzung. Dieser Aufruf offenbart die Strategie der Unterwanderung der Tierschutzszene von rechts. Die Vorgehensweise zeigt, dass ganz gezielt bekannte Institutionen missbraucht und vereinnahmt werden, um die Ideale der ?Nationalen Sozialisten? publik machen zu können und neue Stimmen für sich einzufangen.

Oktober 2009. Ein muslimischer Metzger aus Mittelhessen kriegt zum wiederholten Male vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass er weiterhin ohne Betäubung nach muslimischem Ritus schlachten darf. Sein Kampf mit der Justiz hält bereits 15 Jahre an. Immer wieder wurde der Fall von Nazis aufgegriffen, so auch von Patrick Wieschke, einer der aktivsten Rechtsextremen in Deutschland und derzeitiger NPD-Funktionär in Thüringen. In dem NPD-finanzierten Thüringer Anzeigenblatt „Wartburgkreisbote“ hetzte Wieschke: „Nur in derart verseuchten Richterhirnen, mit einem Korpus ohne Rückrat und Herz, dem Multi-Kulti-Wahn verfallen, vermag so grauenhafte, archaische und anachronistische, nach Deutschland eingeschleppte Tierquälerei wie betäubungsloses Tierabmetzeln zur Religionsausübung mutieren.“

Probleme werden sichtbar

Gerade die ideologische Offenheit von Teilen der Tierrechtsszene gegenüber rassistischen und antisemitischen Inhalten bietet Neonazis ungeahnte Möglichkeiten der Anknüpfung. Die Tatsache, dass mit der Beschränkung auf die Forderung nach Tierrechten keine anderen Herrschaftsmechanismen angegriffen werden, macht es den Neonazis sehr leicht, Gemeinsamkeiten zu entdecken und diese für sich zu nutzen.

Was sagt der „Deutsche Tierschutzbund“?

Der „Deutsche Tierschutzbund“ als Dachorganisation der Tierschutzvereine und Tierheime in Deutschland ist sich des Problems bewusst. „Wir sehen absolut keine Berührungspunkte mit Nationalsozialisten. Wir treten für die Tiere ein, dass bedeutet aber nicht das wir Rassismus akzeptieren“, sagt Thomas Schröder, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Tierschutzbundes.

Beim Thema Schächten geht es dem Tierschutzbund vor allem um die respektvollen Methoden, unter denen das Tier geschlachtet wird. ?Wir sehen das Tier und das Leid. Wir sehen die Religion, die dahinter steht und versuchen gemeinsam nach Lösungen zu suchen?, erläuterte der Geschäftsführer. In vielen Gesprächen mit Muslimen und Juden werden Lösungsansätze erarbeitet, die für alle Seiten akzeptabel sind. So ist das Schächten mit Elektrokurzzeitbetäubung mittlerweile für die Mehrheit akzeptabel.

Generell schließt der „Deutsche Tierschutzbund“ Berührungspunkte mit den Nazis aus. „Wer Mitmenschlichkeit im Hetzen trägt, kann mit Rassismus nichts zu tun haben.“ Trotzdem ist sich Thomas Schröder bewusst, dass gerade der Tierschutz und auch der Umweltschutz ein Einfallstor für Einzelpersonen und Gruppierungen der Rechten Szene bietet. „Wir nehmen das Thema ernst und gehen keinesfalls naiv damit um, denn meistens werden solche Werte Orientierung erst auf den zweiten, dritten Blick erkennbar.“

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