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Top Ten Die zehn wichtigsten Entwicklungen der rechtsextremen Szene 2009

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1. Der Anwalt, Szene-Geldgeber und NPD-Vize Jürgen Rieger stirbt überraschend im Oktober 2009. Er vererbt sein Vermögen ausschließlich seiner nicht-rechten Familie. Zahlreiche Orte, in denen er Immobilien für Schulungszentren erwerben wollte, atmen auf – offenbar kann kein Neonazi-Aktivist die Lücke füllen, die Rieger gerade finanziell hinterlässt. Posthum verliert er auch seinen wichtigsten juristischen Kampf: Das Bundesverfassungsgericht erklärt für rechtmäßig, dass Verherrlichung des NS-Regimes strafbar bleibt – z.B. Aufmärsche für Rudolf Heß.

2. Im Januar 2009 scheint die DVU vor einem Neubeginn zu stehen. Matthias Faust übernimmt die Parteiführung von Verleger-Patriarch Gerhard Frey, versucht eine Positionierung als neu-rechte Alternative nach dem Vorbild erfolgreicher europäischer Rechtsparteien – und scheitert grandios und scheitert sowohl bei der Europawahl (0,4 %), der Bundestagswahl (0,1 %) und sogar der Landtagswahl in Brandenburg, eigentlich DVU-Stammwählerland (1,2 % statt 2004 6,1 %). Im Dezember steht die DVU vor der Trümmern ihrer Existenz und ist kaum mehr vorhanden.

3. Bei der NPD sieht es auch nicht viel besser aus: Anfang 2009 standen auch hier die Zeichen auf Neubeginn, erst fordert Andreas Molau, dann Udo Pastörs mit einen „politikfähigeren“ Kurs den amtierenden NPD-Chef Udo Voigt heraus. Voigt sitzt allerdings alle Widersacher, Finanzkrisen, Wahlniederlagen und mangelnde Visionen aus, wird bei NPD-Bundesparteitag wiedergewählt, stärkt in Folge den neonazistischen Flügel der NPD und versagt der Partei so und ohne zündende Wahlkampfidee jede Chance auf einen Wahlerfolg jenseits der NPD-Stammwählerländer Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern – wo aber bezeichnenderweise die gemäßigt-bürgerlich auftretenden Neonazis des „Sächsischen Weges“ das Sagen haben. Voigt setzt für die Bundes-NPD den „deutschen Weg“ dagegen: „Systemüberwindung“ (Bundestagwahl: 1,5 %)

4. Im Jahr 2009 stellt die rechtsextreme Szene eindringlich ihr Mobilisierungspotenzial unter Beweis: Im Februar 2009 demonstrieren 6.000 Neonazis ins Dresden, damit die größte rechtsextreme Demonstration Europas , zum NPD-Festival „Rock für Deutschland“ kommen im Juli 3.900 Neonazis nach Gera.

5. Für die rechtsextreme Szene ist 2009 auch ein Jahr des Endes versuchter Einigkeiten: Im Januar kündigt Kameradschaftsaktivist Thomas Wulff die „Volksfront von rechts“, die Kooperation der freien Nazi-Szene mit der NPD auf – was allerdings nur wenig praktische Konsequenz hatte, die lokalen Kameradschaftsstruktuuren halfen trotzdem beim Wahlkampf der NPD. Relevanter: Im Juni kündigt die NPD der DVU den „Deutschlandpakt“, nicht gegeneinander bei Wahlen anzutreten. Die DVU erhält daraufhin bei der Landtagswahl in Brandenburg nur 1,2 %, verpasst den Wiedereinzug in den Landtag (NPD 2,5 %).

6. Das Superwahljahr hielt erfreulicherweise für die rechtsextremen Parteien vor allem Niederlagen bereit: NPD 1,5%, DVU 0,1 %bei der Bundestagswahl, DVU 0,4 % bei der Europawahl, die NPD verpasst den Landtagseinzug in Thüringen (4,3 %) und im Saarland (1,5 %), in Schleswig-Holstein sowieso (0,9 %). Wermutstropfen: Die NPD hat es geschafft, sich als Regionalpartei zu etablieren, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Zweiter Wermutstropfen: In Sachsen schafft die NPD auch den Wiedereinzug in den Landtag (wenn auch nur mit 5,6 % statt 9,2 % 2004).

7. Rund 15 Jahre konnte die „Heimattreue Deutsche Jugend“ in Nachfolge der Hitlerjugend und der 1994 verbotenen „Wikingjugend“ Jungen und Mädchen drillen und rechtsextrem agitieren. Im März 2009 wurde sie verboten. Eine Nachfolgeorganisation ist glücklicherweise noch nicht auszumachen.

8. Aus den Finanzskandalen kommt die NPD auch 2009 nicht hinaus – aktuell beläuft sich die Forderung der Bundestagsverwaltung wegen fehlerhafter Rechenschaftsberichte auf 1,27 Millionen Euro. Allerdings wird die NPD daran nicht bankrott gehen, da Parteischulden in der Regel abgezahlt werden können.

9. Islamfeindlichkeit blüht 2009 erschreckend in Deutschland und Europa. In Dresden wird im Juli 2009 die Ägypterin Marwa El-Sherbini vom Russlanddeutschen Alex Wiens im Gericht erstochen, weil sie sich gegen dessen islamfeindliche Beschimpfungen auf einem Spielplatz wehrte. In der Schweiz stimmen im November bei einer Volksabstimmung 56 Prozent gegen Minarettneubauten – eine Idee, die auch deutsche Rechtsextreme nun für sich als an die Mehrheit anschlussfähiges Thema auszubauen versuchen.

10. Das Bundeskriminalamt erwartet für 2009 erneut Höchstzahlen für rechtsexreme Straf- und Gewalttaten (2008: 20.000 Straftaten). Auch wenn die extreme Rechte derzeit parteipolitisch keinen Fuß auf den Boden bekommt – Neonazis vor Ort schlagen weiter zu. Besonders im Visier: Politische „Gegner“ (z.B. Angriffe auf Jugendinitiative in Mügeln, auf Spieler und Fans des Fußballclubs „Roter Stern Leipzig“ in Brandis). Auch die verbale Gewalt im Internet nimmt zu.

Zum Thema:

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