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Tote nach Entführung Gewalt im „Querdenken“-Umfeld in der Schweiz

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Das Bundeshaus in Bern. (Quelle: Unsplash)

Am 31. März 2022 wurde Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen und oberster Impfchef der Schweiz entführt. In einer schriftlichen Stellungnahme äußert sich der Arzt. Details zum Tathergang werden nicht erwähnt. Berger berichtete, dass er „eine gute Stunde“ in der Gewalt des Täters gewesen sei: „Er hat mich in dieser Zeit mit der Forderung eines substanziellen Geldbetrags konfrontiert. Diese Forderung hat er mit Drohungen verknüpft, was passieren könnte, wenn ich der Forderung nicht innert der von ihm genannten Frist nachkäme.“

Nach seiner Freilassung verständigte Berger die Polizei. In seiner Erklärung heißt es, „einzig wirtschaftliche Interessen“ seien seinem Eindruck nach Grund für die Entführung gewesen: „Bezüge zu meiner Rolle als Präsident der Impfkommission machte der Täter dabei nicht.“

Am 6. April will die Polizei einen 38-jährigen Deutschen verhaften (Alle Name sind der Redaktion bekannt). Doch die Situation gerät außer Kontrolle. Die Einsatzkräfte stellen den mutmaßlichen Entführer im Auto vor der Tiefgarage seines Hauses. Auf dem Beifahrersitz sitzt die 28-jährige Freundin des Mannes. Als die Beamt:innen sich dem Auto nähren, erschießt der Täter die Frau, die Polizei eröffnet das Feuer. Der Täter stirbt. Am Freitag gibt die Staatsanwaltschaft bekannt, dass ein weiterer Mann verhaftet wurde: Der 34-Jährige ist der Geschäftspartner des Täters.

Recherchen in einer Schweizer Business-Datenbank zeigen, dass die beiden Männer mindestens seit Februar 2020 Partner in einem Start-up sind, das eine Nachbarschafts-App entwickelt. Die NZZ hat Social-Media-Profile des 34-jährigen Schweizers ausgewertet und kommt zum Ergebnis, dass er sich im Laufe der Pandemie immer mehr radikalisiert habe. Tatsächlich ist der Mann aber offenbar schon länger Teil der Verschwörungsszene. In einem Magazin erscheint bereits 2019 ein ausführliches Porträt, inklusive Fotos, in dem er sich als Anhänger der Verschwörungserzählung der „flachen Erde“ outet. Demnach ist die Erde eigentlich keine Kugel, sondern eine Scheibe. In zahllosen Videos versuchen die Anhänger:innen dieses Glaubens regelmäßig ihre Überzeugungen zu beweisen. Der jetzt Verhaftete betreibt offenbar auch eine Facebookgruppe namens „Flat Earth Switzerland“. Im Interview berichtet der Mann, dass er sich schon lange für Verschwörungserzählungen — „Meinungen abseits des Mainstreams“ — interessiert habe: Seinen Worten nach existierten keine Zufälle, alles sei mit Blick auf Profite gesteuert.

Im Zuge der Pandemie nahm er an Protesten gegen Corona-Maßnahmen in der Schweiz teil. Die Demo, die er laut Blick im März 2021 besuchte, war einer der größten Aufmärsche von Impfgegner:innen, Maßnahmen-Kritiker:innen und Verschwörungsgläubigen in der Eidgenossenschaft, mit gut 10.000 Teilnehmenden, inklusive Übergriffe auf Polizist:innen und Journalist:innen. Offenbar war Schweizer Teil eines kleinen „Flat Earth“-Blocks in der Demo. Auf einem Transparent der Gruppe stand neben „The earth ist flat“ ein QR-Code, der auf eine Website mit antisemitischen Verschwörungserzählungen verwies. Dabei war offenbar die Story von der flachen Erde zu viel für die Schweizer Maßnahmengegner:innen. Innerhalb der Szene sorgte der Auftritt der Flat-Earthler für Streit. Der Gruppe wurde vorgeworfen, sie wolle die Maßnahmengegner:innen absichtlich in Verruf bringen.

Inwiefern der erschossene Entführer den Glauben seines Geschäftspartners teilt, ist zur Zeit nicht geklärt. Social-Media-Profile geben darüber aktuell keinen Aufschluss. Die Waffen, mit denen er seine Lebensgefährtin tötete und mit denen er auf die Polizei, waren legal in seinem Besitz. Der Täter und seine Freundin waren regelmäßige Gäste auf einer Schießanlage, wie die NZZ berichtet, darüber hinaus soll er Teil der „Civilian Training Unit“ gewesen sein, einer Gruppe von Sportschützen, die gemeinsam den Umgang mit Waffen üben. In seiner Wohnung haben Ermittler:innen mehrere Waffen und Munition finden.

Christoph Berger, das Entführungsopfer, zieht keinen Zusammenhang zwischen der Tat und seiner Tätigkeit als Schweizer Impfchef, sondern geht offenbar von einem finanziellen Motiv des Täters aus. Der Arzt wird in der Schweiz immer wieder angefeindet, in letzter Zeit geht es dabei vor allem um Corona-Impfungen für Kinder. Während Impfgegner:innen ihm vorwerfen, Kinder mit der Impfung zu vergiften und zu töten, sagen andere, er sei zu zögerlich bei der Empfehlung von Impfungen für Kinder und wolle die Bevölkerung durchseuchen.

Ob es Überschneidung in Sachen Verschwörungserzählungen unter den Geschäftspartnern gab, werden die Ermittlungen ergeben.

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