Die Nachricht erreicht Adriana und Benjamin Wolf an einem Montag Ende April diesen Jahres. In der Dresdner Filiale ihres Bestattungsunternehmens wurde in der Nacht eine der Schaufensterscheiben eingeschmissen. Die Polizei wird verständigt und der Vorfall wird angezeigt. Doch warum beschädigt jemand die Scheiben eines Bestattungsunternehmens? Spricht man mit dem betroffenen Ehepaar wird schnell klar, dass es kein unzufriedener Kunde war, sondern die Tat wohl eher politisch motiviert gewesen ist. Denn die beiden sind seit Jahren am Gegenprotest gegen Pegida beteiligt.
Als sich Pegida 2015 gründete, war Benjamin Wolf bereits mehrere Jahre politisch aktiv und mit dem Aufkommen der wöchentlichen Demonstrationen war für ihn klar, dass er das nicht unwidersprochen hinnehmen kann. Auch Adriana Wolf fing in dieser Zeit an, sich gegen Rechtsextremismus zu engagieren. Während einer Autofahrt hörte sie von den rassistischen Aufmärschen gegen eine Geflüchtetenunterkunft in Freital: „Ich war total schockiert und bin dann spontan dort hingefahren, weil es hieß die werden von Nazis bedrängt, die dort einrücken wollen.“ Seitdem nehmen die beiden an den Protesten gegen Pegida teil und setzen sich für eine humanistischere Welt ein. Zu Beginn suchten sie noch das Gespräch mit den sogenannten „besorgten Bürgern“, doch schnell wurde klar, dass ein Dialog überhaupt nicht möglich ist. Das Ziel sei es, „den rassistischen Mob nicht unwidersprochen durch Dresden ziehen zu lassen“, so Benjamin Wolf.
Hetzkampagne als Ausgangspunkt der Gewalt
Nach drei Jahren Pegida und wöchentlichem Gegenprotest tauchte im August 2018 plötzlich ein Flyer auf, der im privaten und beruflichen Umfeld der Wolfs verteilt wurde. Das Flugblatt wirkt auf den ersten Blick wie Werbung für das Bestattungsunternehmen des Ehepaars. Firmenlogo, Kontaktdaten und ein Foto von der Firmenwebsite prangen auf der oberen Hälfte der Seite. Doch auf der unteren Hälfte sind Bilder von Benjamin und Adriana zu sehen, die während des Protests gegen Pegida aufgenommen wurden und die mit diffamierenden Behauptungen versehen sind. Das Ziel des Flyers ist eindeutig: Man will die Beiden für ihre politisches Engagement an den Pranger stellen und den Ruf des Bestattungsinstituts schädigen. An die ersten Reaktionen auf das hetzerische Flugblatt kann sich Benjamin Wolf noch gut erinnern: „Ich bekam einen Anruf einer aufgeregten Frau, die mich fragte, was ich mir den erlauben würde, Flyer mit solchen politischen Botschaften zu verteilen.“ Er habe das zuerst nicht einordnen können, doch am Abend habe er den Flyer zum ersten Mal gesehen und damit sei klar gewesen, mit welcher Intention diese Flyer verteilt wurden. Man habe sofort ein ungutes Gefühl gehabt, erzählen die Beiden, weil man noch nicht absehen konnte welche Folgen dieser Flyer haben würde.
Sachbeschädigungen und Bedrohungen
Die Auswirkungen zeigten sich in den folgenden Monaten. Es kam zu diffamierenden Anrufen bei Kunden, in denen das Unternehmen schlecht gemacht wurde. Mehrfach wurde der Briefkasten beschädigt oder mit Fäkalien und toten Tieren verschmutzt. Auch die privaten und geschäftlichen Fahrzeuge wurden mehrfach beschädigt. Immer wieder informierten die Wolfs die Polizei, doch trotz der direkten Bedrohung im privaten Umfeld, wurden die Taten von der Polizei nicht immer ernstgenommen. Stattdessen wurde ihnen geraten einfach umzuziehen. Zwar stehe man mittlerweile in direktem Kontakt mit dem Dresdner Staatsschutz, der den politischen Hintergrund der Taten anerkenne, aber in den Augen von Benjamin und Adriana Wolf werden die Ermittlungen trotzdem nicht ausreichend geführt, obwohl es Ansatzpunkte gegeben habe. Beispielsweise seien mehrere potenzielle Zeugen nie befragt worden. Ein Polizist habe sich zunächst gar geweigert wegen einer Sachbeschädigung am Briefkasten eine Anzeige aufzunehmen.
Solidarität gegen die wiederkehrenden Angriffe
Die vielen Angriffe und Bedrohungen zwischen August 2018 und Februar 2019 seien eine schwere Zeit gewesen, erzählen das Ehepaar. Doch man habe sich bewusst dazu entschieden sich nicht einschüchtern zu lassen und weiter gegen Pegida auf die Straße zu gehen. Besonders in den ersten Wochen sei das emotional sehr schwer gewesen, da es verstärkt zu persönlichen Anfeindungen gekommen sei. Im Umgang mit der Situation habe besonders die unglaubliche Solidarität geholfen, die das Ehepaar von allen Seiten erfahren hat. Menschen seien auf sie zugekommen und hätten ihnen Zuflucht angeboten, Geschäftspartner hätten sich bewusst für eine weitere Zusammenarbeit entschieden und es gab eine Welle von E-Mails und Nachrichten, die die Beiden in ihrem Engagement ermutigt haben. „Das hat mich sowas von gerührt“, erzählt Adriana Wolf.
Nachdem es im vergangenen Jahr etwas ruhiger geworden war, erfolgte Ende April der Vorfall, bei dem die Scheiben des Geschäfts eingeschmissen wurden und wenige Wochen später erhielt Adriana eine ganze Reihe von Bedrohungen per Mail. Doch auch von den neuen Angriffen und Anfeindungen wollen sie sich nicht einschüchtern lassen: „Ich habe in den 90er Jahren im Jugendclub schon Gewalt von Neonazis erlebt, aber ich will mich nicht mundtot machen lassen. Wir werden immer da sein. Da können die machen was sie wollen.“