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TV-Tipp „Staatsversagen – Der NSU-Ausschuss und die schwierige Aufarbeitung“

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Titelbild zur Dokumentation (Quelle: Das Erste)

Morgen wird in Berlin der Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses vorgestellt. Im Januar 2012 wurde der Ausschuss eingesetzt, um die Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds aufzuarbeiten – vor allem aber, um zu klären, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Das einhellige Urteil der Abgeordneten: „Ein trauriger Fall von Staatsversagen“. Diese Bilanz ist titelgebend für eine Dokumentation, die heute um 23:30 Uhr im Ersten gezeigt wird. Die ARD-Hauptstadtstudio-Korrespondenten Matthias Deiß, Jochen Graebert und Robin Lautenbach beleuchten die Arbeit des Ausschusses und machen deutlich, vor welch teils wahnwitzigen Hindernissen die Abgeordneten dabei standen: Da schickten Verfassungsschutzämter die falschen Akten, da verzögerten Innenministerien die Weitergabe von Informationen, da schredderte das Bundesamt für Verfassungsschutz wichtige Akten.

Angesichts dieses Versagens zeigen sich die Abgeordneten immer wieder fassungslos – und das parteiübergreifend. Zum ersten Mal ist ein Untersuchungsausschuss im Bundestag kein Kampfmittel der Opposition gegen die Regierung. Gleich zu Beginn haben sich seine Mitglieder darauf verständigt, auf Parteipolitik zu verzichten. Diese Linie hält der Ausschuss durch – was sich nicht zuletzt in der Dokumentation zeigt: Petra Pau (Die Linke) und Clemens Binninger (CDU) verkörpern zwei Gegensätze des politischen Spektrums, doch beide betonen, wie „hervorragend“ sich die Zusammenarbeit gestaltet habe. Eine seltene Einigkeit – Resultat des Schocks nach der Selbstenttarnung des NSU.

Eitelkeiten, Chaos und Scheuklappen

Diesen Schock fasst Sebastian Edathy (SPD), Leiter des Untersuchungsausschusses, in Worte: „Gegenüber den NSU-Opfern wurden gleich zwei Versprechen des Rechtsstaates gebrochen: Zum einen das Versprechen auf Schutz vor Übergriffen, zum anderen das Versprechen auf lückenlose und objektive Aufklärung.“

Genau diese lückenlose und objektive Aufklärung fand im Fall der NSU-Verbrechen nicht statt. Diese Erkenntnis ist nicht neu. In den vergangenen Wochen und Monaten haben genügend Fehler und Versäumnisse der Behörden Schlagzeilen gemacht. Doch die Dokumentation führt sie noch einmal geballt vor: Sie zeichnet nach, wie Eitelkeiten, Chaos und Scheuklappen die Ermittlungen beeinflusst haben. Nicht nur die interviewten Abgeordneten wirken angesichts dessen fassungslos – auch die Filmautoren scheinen kopfschüttelnd hinter der Kamera gestanden zu haben.

Ein beklemmender Besuch

Welche konkreten Folgen die katastrophalen Ermittlungen hatten, wird ebenfalls im Film deutlich gemacht: Die Dokumentation begleitet Tülin Özüdogru, Tochter des zweiten NSU-Mordopfers, und ihre Mutter zum Grab von Abdurrahim Özüdogru. Es ist ein beklemmender Besuch, Mutter und Tochter scheinen nach dem Mord in eine Starre verfallen zu sein. Nicht nur durch den Verlust von Vater und Ehemann, sondern auch durch die Verdächtigungen der Polizei: Abdurrahim Özüdogru wurde als Drogenhändler verunglimpft, Freunde und Bekannte der Familie zogen sich daraufhin zurück. Der doppelte Schmerz, den die Özüdogrus dadurch erleiden mussten, lässt sich nur erahnen.

Tülin (li.) und Gönül Özüdogru, Tochter und Ehefrau des zweiten NSU-Opfers Abdurrahim Özüdogru, Foto: ARD/HSB-Matthias Deiß

Wie konnte es nur dazu kommen? Es ist die immer wiederkehrende Frage, die zentral für die Arbeit des Untersuchungsausschusses ist. „Die Aufklärungsarbeit des Ausschusses ist wichtig. Aber sie ist erst der Anfang. Wenn wir alle ehrlich sind, fehlen noch viele Schritte, bis man diesen wunden Punkt soweit heilen kann, dass es nicht mehr so weh tut“, sagt Tülin Özüdogru im Film.

Vertuschung, Verharmlosung, Verdächtigungen

Schmerzhaft ist auch der Besuch der Kölner Keupstraße, in der das NSU-Trio eine verheerende Nagelbombe zündete. Nur eine Stunde nach dem Anschlag erschien ein Polizeibericht, in dem darum gebeten wurde, die Bezeichnung „terroristischer Anschlag“ zu streichen.

Vertuschung, Verharmlosung, hanebüchene Verdächtigungen – das Fazit von Petra Pau wirkt fast schon zu mild: „Ich unterstelle nicht, dass die Beamten Rassisten sind“, so die Abgeordnete. „Aber die Ermittlungen hatten meiner Meinung nach rassistische Züge – und das gesteht man sich bis heute nicht ein.“

Umso wichtiger sind Dokumentationen wie „Staatsversagen – Der NSU-Ausschuss und die schwierige Aufarbeitung“. Man hätte sich nur gewünscht, dass sie nicht im Nachtprogramm des Ersten versteckt worden wäre.

Mehr zur Ausstrahlung:

Staatsversagen – Der NSU-Ausschuss und die schwierige AufarbeitungMittwoch, 21. August, 23:30 Uhr, Das Erste

ANMERKUNG: Die Doku wird am 22. August um 21:02 Uhr noch einmal auf „tagesschau24“ gezeigt, sowie am 30. August um 22:30 Uhr auf PHOENIX.

Außerdem ist sie (noch) in der ARD Mediathek zu finden.

Mehr Infos:

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