Ursprünglich waren die Demonstrationen in Wien als „Tag der Freiheit“ angekündigt. Aktivist*innen aus dem „Querdenken“-Milieu hatten auch mit Unterstützung der rechtspopulistischen FPÖ die Demonstrationen angemeldet. Ziel war nichts weniger als ein Sturz der Regierung unter Bundeskanzler Kurz. Am Samstag wurden jedoch 15 der 17 angemeldeten Demos von der Polizei untersagt, dazu gehörten auch Gegendemonstrationen. Bereits vor zwei Wochen hatten „Querdenker*innen“ in Wien demonstriert und dabei – wie üblich – auf Mindestabstände und Masken verzichtet. Für den österreichischen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) war das offenbar Anlass genug, die Gangart zu verschärfen und die Demonstrationen zu verbieten: „Die durch die Abhaltung von Großversammlungen herbeigeführte Weiterverbreitung des Virus und die damit entstehenden Gefahren für die Volksgesundheit können ebenso wenig hingenommen werden wie die dadurch entstehenden Gefahren notwendiger weitergehender Beschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten“, hieß es in einer Mitteilung.
Die Organisator*innen machten aus ihrer Demonstration schließlich eine „Wallfahrt“, also eine religiöse Veranstaltung und trafen sich unter dem Motto „Österreich braucht Jesus“. Die Erzdiözese Wien distanzierte sich vor der getarnten Demo und verurteilte sie als Missbrauch der Religionsfreiheit. Inhaltlich gab es dabei wenige Überraschungen, laut eines Berichts des Standards berichtete ein Redner davon, dass er Covid-19 mit Gebeten heilen könne, die Teilnehmenden entschuldigten sich in einem Gebet, dass Corona aktuell mehr gefürchtet würde, als Gott. Nach einigeneinigigen Stunden wuchs die Demo-Wallfahrt immer weiter an, von Mindestabständen und Mundschutz war wie erwartet nichts zu sehen.
Es wurde ein Polizeikette durchbrochen und, nachdem Demonstrierende eingekesselt und mehrere verhaftet wurden, setzet sich ein Demonstrationszug über den Wiener Ring in Bewegung. Etwa 30 Gegendemonstrant*innen versuchten die unerlaubte Demo zu blockieren, wurden aber von Polizeieinheiten geräumt. Später wurden die Blockade von rechten Hooligangruppen angegriffen.
Wie in Deutschland nahmen auch in Österreich zahlreiche Rechtsextreme an den Demonstrationen teil. Mehrere Kader der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ waren vor Ort und auch der verurteilte Holocaustleugner Gottfried Küssel demonstrierte mit.
Immer wieder kommt es am Rande der Demonstration zu Übergriffen gegen Journalist*innen. Im Video oben zu sehen ist ein rechtsextremer Teilnehmer, der einer Journalistin die Kamera aus der Hand tritt. Unter „Lügenpresse Hurensöhne“-Gegröle wurde auch eine weitere Gruppe von Journalist*innen bedrängt.
Nachmittags versuchten etwa 50 Demonstrierende das Parlament zu stürmen. Die Polizei schritt ein. Insgesamt wurden zehn Personen festgenommen, zehn Polizist*innen wurden verletzt.
In Berlin solidarisierten sich mehrere Hundert Corona-Skeptiker*innen mit den Demonstrationen in Wien. Laut Polizeiangaben marschierten etwa 1000 Menschen vom Brandenburger Tor zur Siegessäule. Der Tagesspiegel geht dagegen von 600 Teilnehmenden aus. Familien mit Kindern tanzten ohne Berührungsängste neben Rechtsextremen und Reichsbürger*innen.
Unter Jubel der Teilnehmenden verbreitete ein Redner die üblichen bizarren Erzählungen des Milieus und behauptete unter anderem, der Name des Personalausweises würde belegen, dass alle Inhaber lediglich „Personal“ seien. Auch in Berlin gab es „Lügenpresse“-Plakate zu sehen und Holocaust-Relativierungen werden beklatscht. Eine Rednerin sagte: „Manchmal habe ich den Eindruck, man müsste sich hier den gelben Stern umhängen.“
Schon am 22. Januar hatte ein Redner in Berlin sich mit den „Juden in den 30er Jahren“ verglichen, weil er der Polizei sein Maskenbefreiungsattest zeigen sollte.
Nach mehreren Durchsagen kontrollierte die Polizei am Sonntag verstärkt Maskenverweiger*innen. Die Demonstration löste sich schließlich langsam auf.
Die verschwörungsgläubige Szene rund um „!Querdenken“ lässt sich offenbar auch nicht von kalten Temperaturen und Schnee von ihren Demonstrationen abbringen. Wahrscheinlich wird sich auch im Frühling die Situation nicht entspannen. Michael Ballweg, Gründer der Bewegung hatte angekündigt, spätestens dann wieder größere Demonstrationen zu organisieren.