Das Video, dass die aktuellen Ermittlungen ins Rollen gebracht hat, stammt aus dem Flüchtlingsheim Burbach und ist harter Stoff, auch wenn es nur wenige Sekunden lang ist: Zu sehen ist ein schwarzer Mann, wimmernd liegt er neben einer mit Erbrochenem bedeckten blauen Matratze. „Willst Du noch eine haben?“ „Warum, warum schlagen mir?“ „Gut, dann kriegst Du noch eine!“ „Warum Du schlagen mir?“ „Soll ich Dir in die Fresse treten oder was? Dann brauch ich net zu schlagen!“ „Leg Dich hin und schlaf, auf Deiner Kotze! Leg Dich hin in Deine Kotze und schlaf!“ Es ist nicht zu ertragen. So hört sich Menschenverachtung an, vorgetragen mit leichtem Dialekt-Einschlag, so banal wie unerträglich. Dann gibt es noch ein Foto, ein fixierter Flüchtling auf dem Boden, ein Sicherheitsdienst-Mitarbeiter stellt seinen schweren Stiefel auf dessen Hals, ein anderer hockt dahinter.
Foto: Polizei NRW / dpa
Zu schön, wenn es glaubhaft wäre, dass diese Szenen eine Ausnahme wären. Gegen sechs Mitarbeiter der Nürnberger Firma „SKI Wach“ wird aktuell wegen der Vorfälle in Burbach ermittelt. Auch in Essen wird wegen Verdachts der Körperverletzung in einer Unterkunft ermittelt, auch hier geht es um Mitarbeiter von „SKI Wach“, drei Anzeigen wurden gestellt. In Bad Berleburg sollen zwei 30 und 37 Jahre alte Sicherheitsmänner einer anderen Firma einen Flüchtling verletzt haben, auch hier wird nun ermittelt. Die Ausnahme ist nicht die Herabsetzung und Misshandlung schwer traumatisierter Menschen, die nach Deutschland kommen, um Schutz zu suchen. Die Ausnahme ist es, wenn die Fälle bekannt werden.
Die Ausnahme ist, dass die Fälle bekannt werden
„In den Flüchtlingsheimen in Nordrhein-Westfalen gibt es kein Beschwerdemanagement“, sagt Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW, „die Flüchtlinge wissen oft gar nicht, an wen sie sich wenden sollen, wenn so etwas geschieht. Viele machen die Erfahrung, dass ihre Erlebnisse unter den Teppich gekehrt werden – oder haben Angst, dass sich eine Beschwerde negativ auf ihr Asylverfahren auswirkt.“ Oft sei die einzige mögliche Ansprechperson der Hausmeister, der keine neutrale Stelle ist, sondern manchmal sogar Teil des Problems. „Wir fordern deshalb schon lange, dass es Mindeststandards für die Unterbringung auf Landesebenen geben müsste. Dazu sollte dann auch geeignetes, interkulturell geschultes Personal gehören. Und Kontrollen, ob die Mindeststandards auch eingehalten werden“, sagt Naujoks. Und weist darauf hin, dass es diese Probleme mit Sicherheitspersonal bei einer dezentralen Unterbringung in Wohungen, wie es der Flüchtlingsrat eigentlich als ideal ansieht, gar nicht geben würde. Neutrale Beratungsstellen, die für die Flüchtlinge leicht erreichbar wären, würden ebenfalls zu einer Besserung der Verhältnisse beitragen.
Schlagseiten der Berichterstattung
Natürlich gibt es nun, wo Fälle auf dem Tisch liegen, Konsequenzen: Mitarbeiter werden gekündigt, Sicherheitsfirmen werden ausgetauscht – und sogar auch ein paar richtige Probleme diskutiert, wie etwa die Frage, ob so etwas Grundlegendes wie die Sicherheit für Flüchtlingsheime gut in den Händen privater Unternehmen aufgehoben ist, die letztendlich auf Profit orientiert sind. Die Berichterstattung über den Fall (siehe Presseschau 30.09.2014) hat aber auch schon wieder ein paar interessante Schlagseiten: So etwa die „Entwarnung“, es handle sich nicht um eine Straftat mit „rechtsradikalem Hintergrund“, wie die Polizei bekannt gab. Zwar ist es sicherlich interessant, dass es sich bei den Täter offenbar zwar um polizeibekannte Straftäter aus den Bereichen Körperverletzung, Drogen und Betrug handelt, aber nicht um Menschen mit Vorstrafen rechtsextremer Motivation. Dies impliziert aber zugleich, dass der Fall damit seine politische Dimension verlieren würde – dabei ist ein solider Rassismus in Form einer Überhöhung der eigenen (Macht-)Position, gepaart mit Gewalt oder Gewaltandrohung und Erniedrigung des Gegenübers ebenfalls nicht gerade unproblematisch, wie die gemeldeten Fälle zeigen. Es macht hierbei auch keinen Unterschied, wenn die rassistisch agierenden Mitarbeiter selbst einen Migrationshintergrund hätten: Rassistisch Sein ist kein herkunftsdeutsches Privileg. Flüchtlinge aus Essen berichten etwa über gewalttätige Behandlungen durch Sicherheitsdienstmitarbeiter mit Migrationshintergrund – es ändert das Leid der respektlosen und übergriffigen Behandlung als scheinbare „Menschen zweiter Klasse“ nicht. Ähnliches gilt für Hinweise auf die schwierige Gesamtsituation in der ehemaligen „Siegerlandkaserne“, in der die Flüchtlinge in Burbach untergebracht sind: Auch wenn die schwierige Situation zu Streit unter den Flüchtlingen führt, sollte der Sicherheitsdiensts Standards haben, wie er auf diese angemessen reagiert – ohne Erniedrigungen, ohne Dialoge wie den oben dargestellten.
NRW-Innenminister Ralf Jäger betonte in einer ersten Stellungnahme zu den Fällen: „In NRW gilt Null Toleranz bei fremdenfeindlichen Übergriffen. Wir dulden keine Gewalt gegen Asylsuchende. Wer Menschen in Not bedroht und schikaniert, muss hart bestraft werden. Die Menschen, die Schreckliches erlebt haben, müssen sich darauf verlassen können, dass wir sie schützen.“ Eine Sonderkommission ermittelt. Schön wären allerdings darüber hinaus strukturelle Verbesserungen für die Flüchtlinge, wie eben landesweite Mindeststandards für die Unterbringung von Flüchtlingen, die solche Fälle in Zukunft verhindern helfen – oder wenigstens beitragen, sie schneller zu ermitteln und zu bekämpfen.
Mehr zur Berichterstattung über die Vorfälle in der Presseschau
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Update 02.10.2014
„SS-Trupps“ durch das Flüchtlingsheim Burbach
Wie die BILD-Zeitung in ihrer gestrigen Printausgabe berichtete, hat ein Security-Mitarbeiter des Flüchtlingsheims in Burbach über übliche Praktiken dort berichtet. So nutzen die sechs Mitarbeiter regelmäßig Handschellen, die eigentlich verboten sind, oder sperrten Menschen bis zu 8 Stunden lang in einen „Problemraum“ ein, wenn sie „Ärger“ machten. Zum Teil durften die dort eingesperrten Flüchtlinge nicht einmal die Toiletten benutzen, mussten aus dem Fenster urinieren. Einige Kollegen nannten sich „SS-Trupps“, zogen über die Flure, um Flüchtlinge bei Verstößen gegen das Rauch- und Trinkverbot zu erwischen und dann hart zu bestrafen. Und das war mehr als fragwürdiger Humor: Mehrere Kollegen hätten einen „deutlich erkennbaren rechten Hintergrund“ gehabt. Auch die hygienischen Verhältnisse im Heim und die Versorgung psychisch kranker Bewohner seien katastrophal gewesen. Die beiden Wachmänner vom Folter-Foto sind inzwischen identifiziert als der 30-jährige Markus H. und der 26-jährige Markus K.. Letzterer hat nach BILD-Angaben „Hass“ auf seinen Hals tätowiert. Ein Wachmann – der, der mit dem Fuß auf dem Hals des Flüchtlings posiert – hat laut „Spiegel online“ den Nazi-Spruch „Ruhm und Ehre“ auf den Unterarm tätowiert. Mit dem, Markus H., sprach heute die BILD und hält fest: „Auf dem linken Unterarm des Wachmannes ist die Nazi-Parole „Ruhm und Ehre“ tätowiert. Es wirft kein gutes Licht auf ihn. Markus H. sagt darüber: „Ich bin kein Rassist. Schon gar kein Nazi, ich höre Helene Fischer! Das Tattoo war ein Fehler. Ich war lange Türsteher, da kam mir die Idee. Ich will es jetzt wegmachen lassen.“ Er glaubt zudem, das Misshandeln des Flüchtlings und das Festhalten per Foto sei eine „dumme Idee“ gewesen.
SPIEGEL ONLINE spricht dafür mit Wachmann Dieter P. (das ist der, der den Flüchtling im Video bedroht). Der zeichnet das generelle Bild einer schaurigen Anstalt, in der über lange Zeit – unbemerkt oder ignoriert von den Behörden – skandalöse Zustände geherrscht hätten. Einige seiner Kollegen machten sich demnach einen Spaß daraus, Flüchtlinge zu schikanieren. Zeitweise hätten sich die Männer, deren Rädelsführer der besagte Wachmann R. gewesen sei, in einer WhatsApp-Gruppe gegenseitig Bilder erniedrigter Menschen zugeschickt. „Das war widerlich“, sagt P.
Die Welt berichtet aus Burbach, dass es dort zu massiven Anfeindungen und auch Angriffen von Bewohnern des Flüchtlingsheims auf eine koptische christliche Familie aus Ägypten kam. Vor drei Wochen gingen 50 islamistische Angreifer auf die Familie los, so dass die sechs Wachleute des Flüchtlingsheims die Christen nicht mehr schützen konnte. Sie wurden zu einem befreundeten koptischen Christen nach Siegen gebracht.
Bereits in der Vergangenheit gab es Beschwerden über rechtsextreme Sicherheitsdienstmitarbeiter in Flüchtlingsheimen, berichtet Telepolis. Bereits 2002 wurde bekannt, dass Rechte bei einem Sicherheitsdienst, der mehrere Unterkünfte in Brandenburg bewacht hatte, angestellt waren. „Nazis als Wachschützer im Asylbewerberheim: Von Böcken und Gärtnern“ titelte Hagalil und zitierte aus einem Bericht des Magazins Focus, wonach der Verfassungsschutz intern auf vier Neonazis bei dem Sicherheitsdienst hingewiesen habe. Das Resultat war damals, dass der Sicherheitsdienst mit rechtlichen Schritten drohte, wenn sein Name weiter im Zusammenhang mit den Vorfällen erwähnt werde. Zudem klagte die Arbeiterwohlfahrt zwei Flüchtlinge aus Rathenow wegen übler Nachrede an, weil die in einem Offenen Brief darauf hingewiesen hatten, dass in der Wachfirma Menschen mit extrem rechtem Hintergrund beschäftigt seien. Als im Februar 2013 erneute Neonazis bei Wachschutzfirmen Schlagzeilen machten, weil sie im Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg im Jahre 2012 thematisiert wurden, waren die Berichte aus dem Jahr 2002 weitgehend vergessen.
Außerdem stellt der Innenminister von NRW Maßnahmen als Reaktion vor, aber noch nicht die wirklich wichtigen und richtigen: Mehr Überwachung, keine Subunternehmen – aber noch keine Mindeststandards, keine dezentrale Unterbringung (Stuttgarter Zeitung, Deutsche Welle).