Allgemeine Handlungsempfehlungen
Keine dualistischen Weltbilder vertreten (Medien, Zivilgesellschaft)
Verschwörungsideologien erklären die z. T. widersprüchlichen Geschehnisse in der Welt. Hier existieren sehr viele Parallelen zur Arbeit der Medien. In der Auseinandersetzung mit Verschwörungsideolog_innen sollte beachtet werden, dass nicht in umgekehrter Weise (oder ganz allgemein) ein dualistisches Weltbild gezeichnet wird: „Normale“ vs. Verschwörungsideolog_innen, bzw. Gut vs. Böse. Eine Abwertung von Anhänger_innen als „Verrückte“ oder Randgestalten überdeckt die gesellschaftlichen Ursprünge von Verschwörungsideologien und konstruiert eine vermeintlich „normale“ Mitte der Gesellschaft. Auch nicht-verschwörungsideologische Weltbilder der „Normalen“ haben ideologische Inhalte, Bereiche des Nichtwissens und der Fehlschlüsse. Deshalb sollte nicht einfach für die eine „normale“ Position eingetreten werden, sondern die Fehlerhaftigkeit der eigenen Informationsquellen anerkannt werden, ohne gleichzeitig Verschwörungsideologien zuzustimmen. Dies gilt besonders in den Auseinandersetzungen um den Themenkomplex „Lügenpresse“. Das Gegenteil der verschwörungsideologischen Position ist nicht die eine nicht-verschwörungsideologische, „normale“ Position, sondern im Sinne des Pluralismus viele unterschiedliche Positionen. Zuweilen scheint öffentlicher Widerspruch nur noch durch satirische Beiträge zu erfolgen. Nicht zuletzt deswegen werden bestimmte Sendungen und Formate von Verschwörungsideolog_innen emporgejubelt, weil sie zum Teil auch verschwörungsideologische Weltsichten transportieren und ähnliche Freund-/Feindbilder verwenden. In Fällen des Zweifels kann es manchmal jedoch nicht schaden, auch die eigene Unwissenheit einzugestehen und weitere Analysen abzuwarten. Es braucht Zeit, Erklärungen für gesellschaftliche, geschichtliche und private Ereignisse zu ermitteln. Verschwörungsideologien nehmen hier eine unzulässige Abkürzung. Diese Handlungsoption mag dem modernen Mediengeschäft teilweise entgegen gehen, für eine demokratische Gesellschaft ist Meinungsvielfalt jedoch wichtig, sofern es sich nicht um menschenfeindliche Aussagen handelt.
Menschenfeindliche Inhalte offenlegen
Begeben Sie sich nicht in eine Diskussion über Details, ohne über das notwendige Wissen zu verfügen. Zeigen Sie nach Möglichkeit die menschenfeindlichen Elemente auf, die Verschwörungsideologien zugrunde liegen. Etwa:
Antidemokratischer GesellschaftsentwurfAntipluralismusDirekte Demokratie ohne MinderheitenschutzNationalismusPersonalisierender Antikapitalismus
Mittel der Auseinandersetzung sind:
Satire – geeignet, Dritte in besonderer Weise aufzuklären und potentielle Verbündete zu gewinnenSoziale Ächtung – um andere von der Ideologie abzuschrecken, sowie Verschwörungsideolog_innen mit einem geschlossenen Weltbild keinen Raum für ihre menschenfeindlichen Ideologien zu bietenFragen als Mittel des Zweifels – um autoritären Weltbilder und antisemitischen Elemente aufzuzeigen, ohne die Personen jedoch sofort auszugrenzen (z.B. bei Jugendlichen)Mit Fakten gegen Verschwörungsideologien – Debunking: falsche Informationen oder Lügen von Verschwörungsideologien mit Fakten offenzulegen und zu entkräften; richtet sich an Verschwörungsideolog_innen, Mitlesende, Beistehende.
Worauf achten beim „Debunking“?
Debunking, zu Deutsch „Entlarven“, ist eine Methode, um falsche Informationen von Mythen, Ideen oder Überzeugungen aufzudecken. Bei der Methode geht es konkret darum, falsche Informationen oder Lügen von Verschwörungsideologien mit Fakten offenzulegen und zu entkräften. Gleichzeitig richtet sich das Debunking nicht nur an Verschwörungsideolog_innen, sondern auch an Mitlesende oder Beistehende, die sich noch kein geschlossenes Weltbild zusammengestellt haben.
Debunking legt einen Schwerpunkt auf Fakten und bedarf deshalb einiger Einarbeitung, um seine Wirkung entfalten zu können. Dazu kann es hilfreich sein, sich mit Wissenschaftscommunities zu vernetzen, vertrauenswürdige wissenschaftliche Quellen zu studieren oder sich auf Debunkingseiten über Fakten gegen Verschwörungsideologien zu informieren. Dabei geht es weniger darum, Menschen noch mehr Informationen zur Verfügung zu stellen, als vielmehr Falschinformationen, Gerüchte und Mythen als solche aufzuzeigen und durch wissenschaftlich belegte Fakten zu ersetzen.
Beim Debunking empfiehlt es sich, drei Punkte zu beachten, wenn die Methode erfolgreich gegen Verschwörungsideologien angewandt werden soll:
1.Die wesentlichen Fakten wiedergeben, statt verschwörungsideologische Falschinformationen zu wiederholen.
Zu viele Informationen und Fakten überfordern die angesprochenen Personen tendenziell. Deshalb sollte sich beim Debunken auf die wichtigsten Fakten konzentriert werden, damit diese im Gedächtnis der Zuhörenden oder Lesenden verbleiben. Zusätzlich gilt es zu beachten, dass die Wiederholung von Falschinformationen bei Menschen dazu führen kann, dass sie sich diese eher merken als die entgegenstehenden Fakten. Deshalb sollte, soweit es möglich ist, vermieden werden, die verschwörungsideologischen Falschinformationen bei ihrer Widerlegung zu erwähnen. Es empfiehlt sich, den widerlegenden Fakten eine prominente Stellung, bei Texten etwa in der Überschrift und im ersten Absatz, zukommen zu lassen.
2.Wenn auf verschwörungsideologische Fehlinformationen eingegangen werden soll, muss ihnen eine Warnung vorausgehen, dass es sich um Fehlinformationen handelt.
Es muss für die Zuhörenden oder Lesenden klar erkennbar sein, dass die verschwörungsideologischen Aussagen innerhalb des Debunkings eine falsche Wahrnehmung der Welt darstellen. Ohne die eindeutige Warnung besteht die Gefahr, dass lediglich die vertrauten und leicht zu verstehenden verschwörungsideologischen Aussagen im Gedächtnis bleiben.
3.Das Debunking sollte nicht nur Verschwörungsideologien widerlegen, sondern auch eine alternative Erklärung oder auch eine Gegenerzählung (Counternarrative) für die Ereignisse bieten.
Verschwörungsideologische Falschinformationen dienen unter anderem dazu, bestimmte gesellschaftliche, geschichtliche und/oder private Ereignisse mit einem Sinn zu versehen (siehe Kapitel Sinnstiftungs- und Erkenntnisfunktion – Das Leid hat einen Sinn, S. ). Werden diese Falschinformationen nun widerlegt, entsteht eine erneute Erklärungslücke. Damit diese nicht wiederholt mit verschwörungsideologischen Falschinformationen gefüllt wird, müssen die Ereignisse mit einer alternativen Erklärung oder Erzählung versehen werden.
Ausführlich berichtet von den Handlungsstrategien, besonders zum Debunking, die neue Broschüre „No World Order – Wie antisemitische Verschwörungsideologien die Welt verklären“ der Amadeu Antonio Stiftung. Sie bietet einen Einstieg in das Thema Verschwörungsideologien und ihren problematischen Bezug zum Antisemitismus. Darüber hinaus liefert sie eine Auswahl an Möglichkeiten, Verschwörungsideologien zu entkräften und Interessierte auf die antidemokratischen Elemente dieser Welterzählungen hinzuweisen.
Sie ist im September 2015 erschienen und kann als Print-Version bei dem Amadeu Antonio Stiftung bestellt werden. Als PDF gibt es sie hier auf Belltower.news zum Download .
Mehr auf netz-gegen-nazis.de:
Schwerpunkt September 2015: Verschwörungsideologien
| „Genauer in die Nischen der Gesellschaft schauen“ – Interview mit Filmemacher Thomas Frickel zu Verschwörungsideologien| Wann wird eine Verschwörung zur Verschwörungsideologie – und warum ist das gefährlich?| Begriffe, Trends und Dauerbrenner der Verschwörungsideologien| Und was können wir tun gegen Verschwörungsideologien?