The National Review, das konservative Magazin aus den Vereinigten Staaten, hat sich zu Donald Trumps Präsidentschaftskandidatur für 2024 so geäußert: „Um Voltaire zu paraphrasieren, nachdem er an einer Orgie teilgenommen hatte: Einmal war ein Experiment, zweimal wäre pervers.“ Mit einem großen „Nein“ lehnt das Magazin Trumps erneuten Versuch ab, Präsident der USA zu werden. Damit sind sie nicht allein. Aktuell häufen sich die kritischen Stimmen aus den eigenen Reihen. Die New York Times berichtet über unterschiedliche konservative Presseerzeugnisse, die gerade heftige Kritik an Trump üben. Dabei stechen vor allem die vom populistischen Medienmacher Rupert Murdoch finanzierten Medien New York Post, Wall Street Journal und Fox News mit einer untypischen Missgunst gegenüber Donald Trump heraus. So war Trump als Humpty Dumpty-Eierkopf auf dem Cover der New York Post zu sehen, mit der Aufschrift: „Don (der keine Mauer bauen konnte) hat einen großen Sturz – können alle Männer der GOP [Grand old Party; Republikaner] die Partei wieder zusammenbringen?“
Auch Du, Brutus?
Doch die wohl schmerzvollste Kritik kam seitens Trumps Lieblingssender und MAGA-Propagandamaschinerie, Fox News. Der Sender hatte nämlich den ganzen Mittwoch, nach Trumps Ankündigung, damit verbracht, Kommentatoren zu featuren, die Trump vorwarfen, die gesamte Partei in den Abgrund zu ziehen. Die Kritik setzte sich bis zur Hauptsendezeit fort. Selbst Laura Ingraham, die neben Tucker Carlson und Sean Hannity als größte Befürworterin des ehemaligen Präsidenten in den konservativen Medien gilt, nahm ihn aufs Korn: „Bei der populistischen Bewegung geht es um Ideen (…) es geht nicht um eine bestimmte Person. Wenn die Wähler zu dem Schluss kommen, dass Sie Ihr eigenes Ego oder Ihren eigenen Groll über das stellen, was gut für das Land ist, werden sie sich woanders umsehen.“
Lässt sich aus der jetzigen Stimmung etwa ein Strategiewechsel konservativer Medien erahnen? Wenn man die Fox News-Berichterstattung von heute (mit einem 100-Tage-ohne-Trump-Interview) zu ihrer Berichterstattung während der Trump-Präsidentschaft vergleicht (tägliche positive Berichterstattung über Trump), kann man schnell zum Schluss kommen, dass sich Rupert Murdochs Sender von Trump distanziert. Trump selbst scheint über den Stand der Dinge mit Fox News nicht amüsiert zu sein, als er seinen bissigen Kommentar gegen Fox auf seinem TRUTH Social Portal publiziert: „Für mich war Fox News schon immer weg, auch 2015-16, als ich ‘meine Reise’ begann. Aber jetzt sind sie wirklich weg. Eine solche Gelegenheit jetzt für ein anderes Medienunternehmen, ein absolutes Vermögen zu machen und Gutes für Amerika zu tun.“
Vielleicht ist die Frage mit einem „nicht wirklich“ am besten zu beantworten. Die komplizierte und ab und an toxische Beziehung zwischen Trump und Fox News kann sich sehr spontan wieder verändern, das zumindest zeigt uns die Vergangenheit. Gleichwohl, wie oft sich Trump von Fox und Fox von Trump lossagen wollte, so richtig ohne einander konnten sie bisher noch nicht.
Verlassen von allen „guten“ Geistern?
Auch die Stimmung innerhalb der republikanischen Partei scheint jetzt nicht gerade gut zu sein. Für Spannung sorgen sicherlich auch Midterm-Wahlen, deren Wahlergebnis für Republikaner*innen den zweitgrößten Sitzverlust im Repräsentantenhaus, Senat und bei den Gouverneurswahlen seit 100 Jahren darstellt. Eine detaillierte Analyse des Wallstreet Journal zeigt, dass ein Zugewinn an Sitzen für die Partei des amtierenden Präsidenten fast undenkbar gewesen wäre. Aber nur fast. Wenig verwunderlich ist die säuerliche Stimmung aktuell im Repräsentantenhaus und im Senat. Hinzu kam die für viele erschreckende Botschaft über Trumps erneuter Kandidatur: CNN interviewte nämlich einige Dutzend Republikaner*innen in beiden Kammern, um schnell festzustellen, dass nur wenige bereit waren, TRUMP 2024 zu begrüßen. Stattdessen gaben sie ihrer Hoffnung Ausdruck, dass ein anderer Kandidat vielleicht bald auftaucht, um das Feld von hinten aufzuräumen. Sicherlich ist da von Ron DeSantis die Rede, dem großen und vielleicht einzigen Gewinner der Midterms.
Ron vs. the Don?
Der Florida Gouverneur, DeSantis scheint anders als Trump aktuell von einer durchaus positiven Berichterstattung zu profitieren, was bei Donald gar nicht gut ankommt. So griff der ehemalige US-Präsident, DeSantis, öffentlich am Donnerstag auf TRUTH Social an:
„Er sagt: ‚Ich konzentriere mich nur auf das Gouverneursrennen, ich schaue nicht in die Zukunft.‘ Nun, in Bezug auf Loyalität und Klasse ist das wirklich nicht die richtige Antwort“. In Trumps Augen schuldet der jetzige Gouverneur ihm bedingungslose Gefolgschaft, da Trumps öffentliche Billigung DeSantis, im Jahr 2018 zum Sieg verhalfen. Der Rosenkrieg möge beginnen. Doch wie sieht es in den Reihen der Trump-Wählerschaft aus? Trumps Follower*innen bleiben treu. So zeigt eine Analyse von Politico, dass fast die Hälfte der registrierten und befragten konservativen Wähler*innen sich klar für Trump (47 %) entscheiden würde. Dagegen erreicht ein DeSantis eine Zustimmungsrate von 33 %.
Enttäuschung im extremistischen Lager?
Das Southern Poverty Law Center sammelt eine Serie von Reaktionen aus den Alt-Tech Milieus von Telegram, Gettr und Co., um festzustellen, dass Trump selbst bei seiner Kernzuschauerschaft von rechtsextremen Verschwörungsideolog*innen eher für Kummer sorgt.
Einer davon ist auch Andrew Anglin, der Herausgeber der Neonazi-Website „Daily Stormer“, der seine Frustration gegen die Demokratie selbst richtete und schrieb: „Hier ist das Problem: Wahlen sind gefälscht. (…) Wir leben in einer Hölle, und die Dinge werden immer schlimmer, und sie werden noch schneller schlimmer werden, und dieses ganze politische Zeug ist ein Massenwahn.“
Andere wiederum, wie Anne Coulter, die rechtsalternative ehemalige Trump-Cheerleaderin und Autorin von Breitbart News, ergötzen sich mittlerweile an Trumps Verlust. Coulter hatte am 09. November einen verachtenden Blogpost schrieb: „Wer waren die größten Gewinner in einer ansonsten für die Republikaner katastrophalen Nacht? ANTWORT: Gouverneur Ron DeSantis in Florida und Gouverneur Brian Kemp in Georgia – die beiden Republikaner, die Donald Trump mit dem heißen, heißen Hass von tausend Sonnen hasst.“
Der Schock über die Verluste und Trumps Ankündigung sitzt tief, denn immer wieder greifen auch hierzulande QAnon-Anhänger*innen zu mentalen Akkrobatikkunsstücken, um Trump zu rechtfertigen. Erneut sehen sie in Trumps absurdem Vorgehen nicht seine narzisstischen Persönlichkeitsanteile, sondern vielmehr brillante Schachzüge eines Jedi-Meisters: „Vorhersagen mit konkreten Daten/Erwartungen sind nie produktiv. Q hat schon oft davor gewarnt. Davon abgesehen, ist es erwähnenswert: Trump war vor seiner gestrigen Ankündigung absichtlich zweideutig, weil er [sie] in dem Glauben lassen wollte, dass er etwas Großes vorhabe. Es hat funktioniert – sie haben ihre Karten auf den Tisch gelegt und versucht, uns mit der Polen/Raketen-Scheiße in einen Krieg zu treiben. Mit anderen Worten: Wenn Trump sie erfolgreich in die Irre führt, wird er auch einige Anons in die Irre führen. Das liegt einfach in der Natur der Dinge.“
Letztlich kann man doch feststellen, dass sich selbst Trump-Hardliner in naher Zukunft umorientieren müssen. Diese Botschaft konnte man bei dem erzkonservativen, Anti-LGBTQIA+ Autor, Ron Dreher raushören, als er schreibt: „Die Zukunft des amerikanischen politischen Konservatismus ist Ron DeSantis, J.D. Vance und Republikaner im Stil der Nationalkonservativen wie sie. Nicht MAGA“.
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