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Veranstaltungstipp Gestern – Morgen – Erinnern

75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs gibt es immer weniger Zeitzeug*innen und die historische Vermittlung wird zunehmend abstrakter. Zugleich verbreiten sich wieder demokratiefeindliche Strömungen sich in der Gesellschaft und seit drei Jahren sitzt eine rechtsradikale Partei im Bundestag. Die Projektwoche „Gestern – Morgen – Erinnern“ beschäftigt sich mit den Perspektiven der Erinnerungskultur und lädt zum Gespräch ein.

 
(Quelle: Gestern Morgen Erinnern GbR)

Mit zeitlichem Abstand wächst die Herausforderung, die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus aufrecht zu erhalten. Die deutsche Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahrzehnten demographisch gewandelt. Gedenkorte und Schulen müssen zunehmend neue Wege finden, die aus dem Holocaust gewachsene Verantwortung für die Gesellschaft pädagogisch zu vermitteln. Dabei sollte die Verantwortung als zentrales identitätsstiftendes Element für die deutsche Gesellschaft bestehen bleiben. Aktuell gibt es Grund zur Sorge: Immer mehr rechtsextreme Netzwerke radikalisieren sich, und  im vergangenen Jahr wurde mit den Anschlägen von Halle und Hanau rechter Terror von einer Gefahr zu einer Realität.

„Gestern – Morgen – Erinnern“ ist ein Projekt junger Menschen, die sich fragen: Wie kann eine authentische Erinnerung ohne Zeitzeug*innen aussehen? Welche Rolle spielen digitale Medien und Formate? Wie kann Pädagogik die Lehren vermitteln, braucht sie eine veränderte Sprache?  Wie steht es um das jüdische Leben in Deutschland? Wie kann sich eine postmigrantischen Gesellschaft gemeinsam erinnern?  Muss die Demokratie noch wehrhafter werden, um sich vor Angriffen zu schützen? In verschiedenen Veranstaltungsformaten wie Vorträgen, Workshops, einer Ausstellung bis hin zu einer Fahrradtour wird sich diesen Fragen gewidmet und ein Raum der Diskussion eröffnet. Eine Auswahl der Themen und Veranstaltungen wird im Folgenden vorgestellt:

Sekundärer Antisemitismus und die Corona-Demos

Verschwörungsideologien erleben in Zeiten der Covid-19-Pandemie einen Popularitätsschub. Häufig sind damit antisemitische Weltbilder verbunden und es wird der Holocaust relativiert und verharmlost. Wenn sich solche Denkmuster verbreiten, fördert das eine demokratiefeindliche Stimmung in der Gesellschaft und bietet Anschluss für rechtsextreme Ideologie. In der Projektwoche wird es hierzu einen interaktiven Vortrag von Referent*innen der „Aktionswochen gegen Antisemitismus“ geben, in dem diskutiert wird, wie antisemitische Weltbilder auf den „Corona-Demos” transportiert werden und welche Auswirkung das auf Erinnerungskultur und jüdisches Leben in Deutschland hat. 

Jüdisches Leben und Intersektionalität

Jüdinnen und Juden in Deutschland werden häufig auf die Opferrolle im Nationalsozialismus reduziert. Der deutsch-jüdische Umgang ist dabei verklemmt und betroffen. Darum geht es im Kurzfilm „Masel Tov Cocktail” von Arkadij Khaet und Mickey Paatzsch, der sich humorvoll und ehrlich mit jüdischer Identität in Deutschland auseinandersetzt. Dabei nimmt der Film keine Rücksicht auf die stolzen Gefühle des „Erinnerungsweltmeisters”. Zwei der Filmacher*innen werden zum Q&A zugeschaltet sein.

Eine weitere Perspektive wird im Vortrag des Vereins „Jewish Intersectional” eröffnet: jüdische und antisemitismuskritische Perspektiven werden im antirassistischen und feministischen Aktivismus häufig vernachlässigt, obwohl Antisemismus ein globales und intersektionales Problem darstellt. Ziel ist es für Antisemitismus zu sensibilisieren und Jüdinnen und Juden in feministischen und antirassitischen Kontexten Sichtbarkeit zu verleihen und zu empowern.

Erinnerungspädagogik

Ein Beispiel für innovative pädagogische Arbeit ist der Verein „Zweitzeugen“. Der Verein setzt sich über Interviews mit den persönlichen Geschichten von Holocaustüberlebenden auseinander. Die Biografien werden publiziert, in Ausstellungen integriert oder über Projekttage mit Schulklassen behandelt. Dabei werden Identifikationsmöglichkeiten geschaffen, was Mechanismen der Ausgrenzung erkennbar macht und dazu zu motiviert, selbst gegen Rassismus, Antisemitismus und Vorurteile aktiv zu werden. Ksenia Eroshina wird am vorletzten Tag der Projektwoche die Arbeit des „Zweitzeugen e.V.“ vorstellen und über die Methode diskutieren.

Eine wichtige Ergänzung zur Projektarbeit in den Schulen ist die Gedenkstättenpädagogik. Wie können beispielsweise Gedenkorte authentisch sein und gleichzeitig viel Wissen vermitteln? Die studentische Erinnerungswerkstatt des „Zentrums für Antisemitismusforschung“ hat sich Fragen wie diesen gewidmet und spannende Ideen entwickelt. Die bisherigen Ergebnisse werden von den Dozent*innen vorgestellt und mit den Teilnehmenden diskutiert.

Die Veranstaltung wird von der „Senatsverwaltung für Kultur und Europa“ gefördert. Das komplette Programm und Anmeldungen unter:

https://www.gestern-morgen-erinnern.de/

Aufgrund steigender Infektionszahlen findet ein Großteil des Programms online statt.

Social Media:

https://www.facebook.com/GesternMorgenErinnern/

https://www.instagram.com/gestern_morgen_erinnern/

Der aktualisierte Wochenplan. Mehr Infos auf der Website

 

 

 

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