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Vernetzung im Westen Extrem rechter Strukturaufbau in der AfD Rheinland-Pfalz

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Besucher einer AfD-Veranstaltung in Koblenz (Quelle: Ronny Junghans)

Neonazismus, extrem rechte Burschenschaften, „Identitäre Bewegung“ (IB) und die AfD Rheinland-Pfalz üben den Schulterschluss. In der Woche vom 16. bis 22. Oktober fanden in Rheinland-Pfalz zwei Veranstaltungen der AfD mit klaren extrem rechten Bezügen statt. Zum einen am 21. Oktober 2023 eine „Alternative Buchmesse“ im Zentrum Rheinhessen in Mainz, als dessen Schirmherr Sebastian Münzenmaier (MdB AfD) aufgetreten ist. Ausgestellt haben Verlage aus dem Umfeld des rechtsextremen Vereins „Institut für Staatspolitik e.V.“ (IfS)- der sogenannten „Neue Rechte“. Des Weiteren organisierte Joachim Paul (MdL AfD) einen Vortrag mit dem ehemaligen IB-Aktivisten und nun Chefredakteur des extrem rechten Magazin’s „Zuerst!“ Andreas Karsten.

Im Schatten des Zentrum Rheinhessen in Mainz Hechtsheim versucht die AfD, in Person von Joachim Paul, einen weiteren extrem rechten Vernetzungsort zu etablieren. Anfang dieses Jahres eröffnete Paul sein Wahlbüro an der Hans-Böckler-Straße in Koblenz. Seitdem bietet er, von der Öffentlichkeit bisher weitgehend unbeachtet, unter anderem durch Vorträge einen Anlaufpunkt für Rechtsextreme aller Couleur. Bemerkenswert ist, dass Paul das Büro für öffentliche Veranstaltungen nutzen kann. Denn die Rhein-Zeitung berichtete am 20. Oktober, dass ein Brandschutzgutachter für den gesamten Gebäudekomplex aufgrund eines mangelhaften Brandschutzes „Gefahr in Verzug“ sieht. Ungeachtet der Gefahr für Teilnehmende fand am 18. Oktober der Vortrag von Andreas Karsten mit dem Titel: „Importkonflikte und Angsträume – gesellschaftliche Folgen der Multikulti-Ideologie“ statt. Angekündigt wurde die Veranstaltung auf der Homepage der AfD Rheinland-Pfalz. Schon im Titel sticht die rassistische Ausrichtung des Vortrags hervor. Gesamtgesellschaftliche Herausforderungen werden auf Migration reduziert beziehungsweise entstehen erst dadurch. Es geht um Feindbildbestimmung, besonders in Kombination mit dem Referenten, der eine klare rechtsextreme Biografie aufweist.

Andreas Karsten war langjähriger Aktivist der „Identitäre Bewegung“, wohnte während seines Studiums in Halle in dem IB-Hausprojekt „Kontrakultur Halle“. Parallel ist er der extrem rechten Burschenschaft „Halle-Leobener Burschenschaft Germania“ 2017 beigetreten. Seit 2019 ist er zusätzlich korporierter der „Hamburger Burschenschaft Germania“. Die Germania Hamburg wurde zu der Zeit bereits vom Verfassungsschutz in Hamburg als „gesichert Rechtsextrem“ gelistet und beobachtet. Bei der Vita verwundert es dann auch nicht mehr, wenn Bilder Andreas Karsten zeigen, wie er 2018 das neonazistische Festival „Schild und Schwert“ besucht. Das mittlerweile verbotene Festival gilt als Netzwerk-Ort der militanten Neonaziszene. 

AfD-Mann Joachim Paul wiederum ist als Korporierter der „Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“ mit Karsten über die „Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG)“ verbunden. Die BG ist ein Zusammenschluss von verschiedenen Burschenschaften innerhalb deren Dachverbands „Deutsche Burschenschaft (DB)“. Sie vertreten einen völkischen Nationalismus, welches die Vorstellung einer homogenen Bevölkerung ist. Darunter lässt sich das Vortragsthema oder auch Forderungen wie „Remigration“ subsumieren – was so viel bedeutet wie millionenfache Abschiebungen von Menschen, die nicht dem „arischen“ Ideal entsprechen.

Passend zu der rassistischen Ausrichtung des Vortrags von Karsten fanden sich unter den 18 Teilnehmer*innen bekannte Rechtsextreme ein. Neben einem Vorstandsmitglied der AfD Koblenz, nahmen Vertreter der „Junge Alternative (JA)“ Rheinland-Pfalz sowie von „Revolte Rheinland“ teil. 

Diese Gruppierung besteht aus Burschenschaftern und IB-Aktivisten*innen. In der Vergangenheit fielen sie mit Banneraktionen auf und dem Verteilen von Flyern, auf welchen sie die rassistische und antisemitische Verschwörungserzählung vom„Großen Austausch“ verbreiteten. Ein weiterer Teilnehmer versuchte erst gar nicht seine Gesinnung zu verbergen. Er trug ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „Nationalist“. Unter dem Schriftzug waren Teile einer „Schwarzer Sonne“ zu erkennen – ein beliebtes Erkennungszeichen von Neonazis.

Das Wahlkreisbüro von Joachim Paul, der Veranstaltungsort, befindet sich in einem ehemaligen Rewe-Zentrallager. Bereits im Juli dieses Jahres hat der rechtsextreme Kopf der „Identitäre Bewegung“, Martin Sellner, hier referiert. Hat der AfD-Landtagsabgeordnete Paul hier in seinem Koblenzer Wahlkreisbüro also ein Vernetzungsort für Neu- und Alt-Rechte geschaffen? Es scheint, als würde die AfD in Rheinland-Pfalz in großen Teilen gar nicht mehr versuchen, die Verbindungen in die rechtsextreme Szene zu verschleiern. Schließlich warb auch der AfD Landesverband Rheinland-Pfalz für die Veranstaltung mit Karsten. 

„Alternative Buchmesse“ als extrem rechte „Gegenkultur“

Drei Tage später, am 21. Oktober 2023, veranstaltete der Verein „Deutsches Kulturerbe Rheinhessen e.V.“ gemeinsam mit dem „Jungeuropa“-Verlag und dem rechten Kampagnennetzwerk „Ein Prozent“ eine „Alternative Buchmesse“ im „Zentrum Rheinhessen“ im Mainzer Süden. Zentraler Akteur dahinter ist Philip Stein, Leiter von „Ein Prozent“, das als „gesichert rechtsextrem“ vom Verfassungsschutz eingestuft ist. Stein betreibt außerdem seit 2016 den „Jungeuropa“-Verlag und baute den Verein „Deutsches Kulturerbe in Rheinhessen e.V.“ gemeinsam mit den Burschen der „Germania Halle zu Mainz“- Sebastian Münzenmaier (MdB) und Damian Lohr (MdL)- auf

Als Schirmheer der Veranstaltung trat Sebastian Münzenmaier (MdB) auf. Im Ankündigungstext für die „Alternative Buchmesse“ wird von „seinem“ Zentrum Rheinhessen geschrieben. Münzenmaier und Lohr sind mit Philip Stein über burschenschaftliche Beziehungen verbunden. 

Unter den rund 60 Besucher*innen waren weitere Burschenschafter, Teilnehmer, die der „Identitäre Bewegung (IB)“ zugerechnet werden können sowie AfD-Mitglieder. Im Grunde blieb das extrem rechte „Vorfeld“ der AfD unter sich.

Andreas Karsten in Couleur der Halle-Leobener Burschenschaft Germania
Andreas Karsten in Couleur der Halle-Leobener Burschenschaft Germania

(Neo)-Faschisten auf dem Podium

Laut Programm hielt der Neonazi Michael Schäfer nach der Begrüßung der Gäste einen Auftaktvortrag mit dem Thema „Popkultur im Widerstand“. Schäfer ist wie Andreas Karsten, der in Koblenz drei Tage zuvor einen Vortrag hielt, Mitglied der extrem rechten „Halle-Leobener Burschenschaft Germania“ und war von 2007 bis 2012 Bundesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“. Schäfer ist der Verantwortliche der rechtsextremen „Hydra Comics“.

Auszug aus den Burschenschaftlichen Blättern

Neben weiteren rechtsextremen Rednern endete die Veranstaltung mit einem moderierten Gespräch zwischen Sebastian Münzenmaier und den rechten Autoren des von den Sicherheitsbehörden als „gesichert rechtsextrem“ eingestuften „Antaios“-Verlag, Benedikt Kaiser, mittlerweile Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten, und Erik Lehnert zum Thema „Wagenknecht, AfD und die deutsche Zukunft“. 

Burschenschaftliche Netzwerke

Diese zwei Veranstaltungen verdeutlichen die Scharnierfunktion der burschenschaftlichen Netzwerke zwischen AfD und Neonazismus. Über den Dachverband DB sind AfD-Mandatsträger deutschlandweit eng vernetzt. Die Netzwerke bilden die Brücke in die sogenannte „Neue Rechte“, besonders zu dessen Knotenpunkt- das IfS. Die Verbindungen scheinen es zu ermöglichen, einander einerseits mit Jobs zu versorgen und andererseits in Mandate zu hieven. Mit den aktuell guten Umfrageergebnissen im Rücken lässt die AfD Rheinland-Pfalz zunehmend ihre „bürgerliche Maske“ fallen, spätestens mit der „Alternativen Buchmesse“. Auch wenn es in der AfD Unvereinbarkeitslisten gibt, auf der etwa auch die „Identitäre Bewegung“ steht, werden diese schon lang ignoriert. 

Burschenschaftliche Netzwerker unter sich – Phillip Stein, Sebastian Münzenmaier und Damian Lohr. Außerdem sind Münzenmaier, Stein und Lohr Gründer des dahinterliegenden Vereins. Quelle: Ronny Junghans

Im „Zentrum Rheinhessen“, das von dem Verein „Ein Prozent“ als „patriotischer Freiraum“ bezeichnet wird, kam ein Großteil des rechtsextremen Vorfelds der AfD zusammen, bestehend aus „Identitäre Bewegung“, Burschen, extrem rechten Verlagen aus dem Umfeld des IfS und Neonazis. Oder wie es einer der Köpfe dahinter, Götz Kubitschek, nennt, die „Mosaikrechte“. Ziel ist der „Kulturkampf um die Köpfe“, um dauerhafte gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen, um letztendlich das so verhasste demokratische System abzuschaffen. 

Nachdem die ostdeutschen Bundesländer über Jahre als sicherer und protestarmer Rückzugsort gegolten hatten, scheint Sebastian Münzenmaier nun die Etablierung eines rechten Schulungszentrums in Mainz – einer Stadt in der Metropolregion Rhein-Main etablieren zu wollen. Sollte die dauerhafte Etablierung funktionieren, kann das „Zentrum Rheinhessen“ als Leuchtturm für weitere Projekte dieser Art dienen und eine wichtige Funktion in der Diskursverschiebung nach rechts einnehmen. Joachim Paul versucht dem bereits in Koblenz nachzueifern.

 

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