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Vernetzung in Wetzlar „Geheimes” Treffen von AfD und CDU

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Hans-Georg Maaßen in der Wetzlarer Stadthalle (Quelle: hessencam)

Am 25. und 26. August fand in Wetzlar die „Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz“ statt. Ein Who is Who des deutschen Rechtskonservatismus von AfD bis CDU. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) schreibt von: „Geheimes Treffen von AfD und CDU“. Doch bereits im Vorfeld sprach der Initiator, Klaus Kelle, über das Treffen. In einem Interview von Mitte August mit der  „Preußischen Allgemeinen Zeitung“  (PAZ) spricht Kelle von der Illusion einer Brandmauer gegen rechts. Die PAZ richtet sich vorrangig an die deutschen Vertriebenen aus den Ostgebieten Deutschlands während und nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Auflage der Wochenzeitung beträgt mehr als 18.000 Exemplare. Laut Einschätzungen von Expert*innen erfüllt das Blatt eine „Scharnierfunktion“ zwischen Rechtskonservatismus und Rechtsextremismus.

Kelle war in mehreren Medienhäusern tätig und war zuletzt beim Axel-Springer Konzern als stellvertretender Redaktionsleiter von „Bild NRW“ tätig. Außerdem ist er Mitglied der CDU und des politischen Vereins „Werteunion e.V.“ und des sogenannten „OMCT Tempelritterorden e.V.“, einer inoffiziellen Nachfolgeorganisation des Ritterordens, der von 1118 bis 1312 bestand. Auch Anders Behring Breivik, der Attentäter von Oslo und Utøya, sieht sich in der Tradition der Templer.

Der Begriff „Brandmauer“ sei ein politischer Kampfbegriff, so Kelle in dem Interview, und im Osten der Republik würde sich ohnehin niemand daran halten. In den Kommunen und Landtagen würden sich Union und AfD ganz ungeniert miteinander absprechen.

Des Weiteren wird Kelle auf die sogenannte „Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz“ angesprochen. Dabei handelt es sich um ein Forum, das Gespräche zwischen verschiedenen Lagern ermöglichen soll. Kelle fungiert hier seit bereits acht Jahren als Veranstalter und sagt explizit, dass es bei der diesjährigen Ausgabe keine Brandmauern geben würde. Die Teilnehmer*innen würden im Vorhinein nicht gefragt werden, welche Partei sie wählen.

Angesprochen auf das Programm der Veranstaltung antwortet Kelle, dass die Schwerpunktthemen die Fragen nach der Repräsentationslücke für Konservative in Deutschland sei, die Clan-Kriminalität und ihr Einfluss auf die Politik, sowie die Frage, wie sich die Welt nach dem Krieg in der Ukraine ökonomisch neu formieren werde. Als Gäste kündigt er Hans-Georg Maaßen (CDU), Joana Cotar (parteilos, bis 2022 AfD), Rainer Wendt (Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft) und den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff an.

Außerdem sprachen auf jener Vernetzungsveranstaltung Frank-Christian Hansel (AfD), Christian Nienhaus (CDU-Mitglied), Dr. Karin Broszat (Vorsitzende „Verband Deutscher Realschullehrer“ Baden-Württemberg), Eva-Marie Doerfler (AfD), Ulrike Stockmann (Autorin bei „Achse des Guten“ und „Jüdische Rundschau“), und Markus Krall. Letzterer ist Unternehmensberater und Autor. Aufgrund von Verbindungen zur Reichsbürgerszene kam es 2022 bei Krall zu einer Hausdurchsuchung. Wie auch Klaus Kelle ist er Mitglied eines Ritterordens.

Als Sponsor*innen der Veranstaltung werden unter anderen der Blog „Denken erwünscht“ und das Online News-Portal „GermanZ“ genannt. Beide werden von Klaus Kelle geleitet. Auch Markus Krall fungiert als Initiator der „Atlas Initiative“ als Unterstützer. Des Weiteren finden sich mit der „Desiderius-Erasmus-Stiftung“ und der „Gesellschaft für Fortschritt in Freiheit“ zwei AfD-nahe und mit der „Werteunion“ und der „Christdemokraten für das Leben“ zwei CDU-nahe Organisationen. Letztere setzt sich für ein Abtreibungsverbot ein. Bei „Bündnis Deutschland“ und „Bürger für Thüringen“ handelt es sich um Kleinstparteien aus dem rechtskonservativen Spektrum. Die „Bürger für Thüringen“ fielen in der Vergangenheit durch gemeinsame Auftritte mit Akteur*innen aus dem Querdenker-Spektrum und mit rechtsextremistischen Einzelpersonen auf. Mit der „Good Governance Gewerkschaft“ und dem Verein „Eltern stehen auf“ sind auch Organisationen auf der Liste der Unterstützer*innen, die der Corona-Protestbewegung zuzuordnen sind.

Kelle betont ausdrücklich, dass es bei der „Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz“ keine Medienberichterstattung gibt. Natascha Koch von der FAZ gelang es dennoch, Zutritt zur Veranstaltung zu bekommen. Der Veranstaltungsort wurde lange geheim gehalten. Dieses Konzept scheint aufgegangen zu sein.

Die Stimmung bei der Tagung wird als ausgelassen beschrieben. Leute von CDU bis AfD interagieren fröhlich miteinander und ein nationalsozialistisches Kriegslied wurde an einem Tisch angestimmt. In einem Gespräch mit dem Hobbysänger stellte sich dieser als Ex-CDU-Mitglied heraus, der Putin für einen vertrauenswürdigen Menschen hält.

Als die Podiumsdiskussion beginnt, sagt Maaßen, dass die Brandmauern fallen müssten: „Ohne AfD können wir nicht, es geht darum, wie wir mit ihnen können“. Allerdings artikuliert er auch Berührungsängste, insbesondere wegen der Russlandnähe der Partei.

Hans-Georg Maaßen in Wetzlar (Quelle: hessencam)

Als Nächstes ist Cotar an der Reihe. Sie wirft einigen AfD-Politikern vor, korrupt geworden zu sein, worauf wütende Zwischenrufe folgen. Veranstalter Kelle schafft es am Ende dann aber doch, einen gemeinsamen Nenner zu finden: „Die Grünen müssen raus aus der Regierung – und mit der AfD muss geredet werden“. Mit dem gemäßigten Teil der AfD habe er kein Problem, jedoch gebe es eben noch jene „andere Truppe“, mit der er nichts zu tun haben will.

Doch auch ganz ohne die Anwesenheit der Presse gewähren die Protagonist*innen der Veranstaltung ganz freiwillig Einblick. Markus Krall veröffentlichte auf der Social-Media-Plattform X (ehemals Twitter) den Text seiner Rede, in der er „das Geld, die Planwirtschaft, die Migration, die angebliche Seuche, das Klima, das Gendergaga und […] Krieg“ als die „zentralen Narrative, die Felde der satanischen Umkehr, denen wir uns unterwerfen sollen“ ausmacht.

In einer Nachbereitung auf einer extrem rechten Medienplattform, auf der Klaus Kelles eigene Online-Tageszeitung „GermanZ“ einen Kanal hat, wurden Boris Reitschuster, Stefan Homburg und die für „Achse des Guten“ und „GermanZ“ tätige Autorin Daniela Seidel als Teilnehmer*innen genannt. Reitschuster und Homburg wurden der breiten Öffentlichkeit durch die Verbreitung von Falschinformationen zur COVID-19-Pandemie bekannt.

Screenshot „X“ / Stefan Homburg

Obendrein kam es im Rahmen der Veranstaltung zu einem Handgemenge, mit dem sich nun die Justiz befasst. Anlass ist ein Zusammenprall des früheren Bundestags- und Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer (CDU) mit dem Videoteam des kirchlichen Jugendbildungsprojektes „Hessencam“ aus Wetzlar. Es geht um einen Disput vor der Stadthalle, um einen mutmaßlichen Hieb des Politikers auf eine Kamera.

Zumindest damit, dass die vielfach beschworene Brandmauer faktisch nicht existiert, hat Klaus Kelle offensichtlich recht. Auf der achten „Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz“ trafen Politiker und Mitglieder der CDU und der AfD auf Persönlichkeiten aus dem Querdenker-Milieu und auf Mitglieder anderer rechtskonservativer Organisationen. Sollte eine solche Brandmauer existieren, ist ihr der Brennstoff ausgegangen. Das Treffen in Wetzlar war alles andere als geheim. Sowohl im Vorfeld als auch danach wurde von Teilnehmer*innen und Initiator*innen ganz offen darüber berichtet und aus dem Zweck der Veranstaltung – die Brandmauer zu überwinden – kein Hehl gemacht.

 

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