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Verschwörung in der Grundschule “Eine Geschichte voller Lügen”

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Der Grundschullehrer Nikolai N. nachdem er eine Demonstration gegen die AfD wegen Provokationen verlassen musste. (Quelle: Kay Schmitt, ReDoc - research and documentation)

Laut Recherche des Berliner Tagesspiegels unterrichtete Nikolai N. seit zwei Jahren an der Vineta-Grundschule im Bezirk Wedding. Vorher war er an zwei weiteren Schulen beschäftigt. Immer wieder soll es Beschwerden gegeben haben, unterrichten durfte er aber bisher weiterhin.

N. ist schon seit mehreren Jahren in der Verschwörungsszene aktiv. Seinen ersten großen Auftritt hatte er auf den „Montagsmahnwachen“ der sogenannten „Neuen Friedensbewegung“. Die Mahnwachen waren ein rechtsoffenes Sammelbecken für Antisemiten, Verschwörungsgläubige und Putin-Fans, vereint unter einem diffusen angeblichen Friedenswunsch. Wie die Internetplattform „Friedensdemowatch“ berichtet, trat N. dort im April 2015 auf.

„Du bist eine Schande“

Seitdem ist N. immer wieder bei Demonstrationen vor Ort. Seine Taktik ist dabei Provokation. Bei den Protesten zum Einzug der AfD in den Bundestag antwortete er auf einen Redebeitrag, der Björn Höckes Rede vom „Denkmal der Schande“ kritisierte, per Megaphon „Du bist eine Schande“.

Auch bei anderen Veranstaltungen taucht N. auf. So störte er eine Schweigeminute beim evangelischen Kirchentag, bei der den ertrunkenen Geflüchteten im Mittelmeer gedacht werden sollte. Seine Aktion wurde live im ZDF übertragen und brachte ihm ein Interview mit dem umstrittenen russischen Sender „RT Deutsch“ unter dem Titel „Der Mann, der das Schweigen brach“ ein.

Die Lieblingsfeindin von N. scheint Lea Rosh zu sein, die Initiatorin des Holocaust-Mahnmals. In seinen Videos behauptet er, sie Rosh wolle die „Befreiung des deutschen Volkes“ verhindern und sie kämpfe gegen „aufrechte Deutsche“. Eine Podiumsdiskussion, an der Rosh teilnahm, versuchte er im Dezember 2017 zu stören.

Hetze mit falschen Fakten

Als Reaktion auf die Wahl von Donald Trump gingen am 22. April 2017 im Rahmen des „March for Science“ auf der ganzen Welt Menschen auf die Straße, um gegen die um sich greifende Wissenschaftsfeindlichkeit zu demonstrieren. N. nahm auch an dieser Demonstration teil und verteilte seine Flyer. Gerade in diesem Zusammenhang wirken seine Forderungen umso absurder. Auf dem Flyer findet sich eine Liste mit „Fakten“. „Altertümliche Bauwerke“ in Ägypten oder Südamerika könnten angeblich nicht erklärt werden. Der von Menschen verursachte Klimawandel sei ein Lüge und die Behauptung, der Klimawandel hätte „negative Folgen für die Menschen“, sei nicht bewiesen. Von Esoterik und Klimalüge wird es allerdings auch politisch. So behauptet N. zum Beispiel, Deutschland hätte keinen Friedensvertrag, das Deutsche Reich würde fortbestehen und die eigentlich Schuldigen am Zweiten Weltkrieg seien England und Frankreich gewesen. Im Verbot der Holocaustleugnung sieht er eine Unterdrückung der „freien Wissenschaft“.

Nikolai N. beim Berliner „March for Science“

Ähnliches gibt es auf N.s YouTube-Kanal zu sehen. Es geht um ein angebliche „Neue Weltordnung„, Rassismus gegen Deutsche oder gleichgeschlechtliche Ampelmännchen. Der YouTube-Kanal unterscheidet sich dabei aber von vielen anderen aus dem gleichen Umfeld. N. verpackt seine Hetze und „alternativen Fakten“ nämlich freundlich. Mit ruhiger Stimme liest er Zeitungsartikel vor oder kommentiert seine „Stickersammlung“ aus dem feministischen oder Antifa-Umfeld.

„Ist das Patriarchat so schlimm?“

Im Gegensatz zu seinen öffentlichen Auftritten verbreitet N. seine Meinungen auf YouTube subtil. Unter dem Namen „Volkslehrer“ werden hier all die Thesen verbreitet, die das verschwörungsfreundliche Wutbürger_innen-Herz begehrt. Die Mondlandung hat laut dem „Volkslehrer“ nie stattgefunden, die Anschläge des 11. September genausowenig und der Berliner Rahmenlehrplan, den er in einem Video vorstellt, ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass Deutschland sich angeblich selbst abschaffen will. Ein Video, das übrigens damit endet, dass N. einen Slogan der NPD „so verkehrt eigentlich nicht“ findet.

In einem Video mit dem Titel „Weniger Respekt vor Familien“ fragt er mit Blick auf einen Aufkleber mit dem Slogan „Kampf dem Patriarchat“  ganz unschuldig: „Ist das Patriarchat so schlimm?“ Eine Antwort bleibt er schuldig. Im gleichen Video kritisiert er die Homoehe. Vor allem scheint es ihm dabei um Tradition zu gehen. Traditionen zu hinterfragen, worum es bei den meisten Stickern in plakativer Form geht, ist für N. offenbar bereits ein Angriff auf „deutsche Werte“. Ganz im Sinne des Rechtspopulismus malt er dabei ein Bild einer Vergangenheit, die es so gar nicht gegeben hat.

So in seinem aktuellsten Video: Wie auch in anderen Video sitzt er vor einem Wandplakat mit Sütterlin-Schrift. N. präsentiert er ein Schulbuch von 1906 und ein darin abgedrucktes Gedicht. Es geht um einen Lotsen auf See, der sich selbst opfert, um ein Schiff voll „jungen Lebens“ zu retten. Dramatisch beginnt N.dann zu weinen: „So sind sie aufgewachsen vorm ersten Weltkrieg. Und was kam dann? Der pure Niedergang.“ Was genau jetzt dieser „Niedergang“ ist, sag N. nicht. Sind es die Jahre der NS-Diktatur, die Ermordeten des Holocausts oder der Erste und Zweite Weltkrieg? Oder vielleicht doch eher die Gedichte, die heute im Unterricht gelesen werden: „Die deutsche Schuld noch und nöcher. Das baut nicht auf“, sagt N. mit tränenerstickter Stimme.

Ebola-Verschwörung und Alienpyramiden im Klassenzimmer

Mittlerweile habe sich betroffene Eltern an die Redaktion des Tagesspiegels gewandt und ihre Erfahrungen mit N. geschildert: „Es hat eine Weile gedauert, bis wir realisiert haben, was da in der Klasse läuft. Mein Kind erzählte mir irgendwann sehr überzeugt, dass es Ebola gar nicht gibt und die Pharmaindustrie die Krankheit nur erfunden habe. Außerdem hätten die Ägypter die Pyramiden gar nicht gebaut, sondern wahrscheinlich Außerirdische.“

Mit seinen bizarren Meinungen ist N. sicherlich nicht alleine. Die Erzählungen von einer angeblichen Umvolkung oder dem Untergang der Deutschen werden von AfD, Pegida und Co genauso gerne verbreitet. Bemerkenswert sind bei dem Berliner vor allem zwei Dinge. Er schafft es, sich nicht als permanent empörten Wutbürger darzustellen, wie es so viele andere aus seinem Umfeld gerne tun, sondern wirkt auf den ersten Blick wie ein ruhiger, offener Mensch. Die Propaganda, die er auf diesem Weg verbreitet, bleibt dabei genauso falsch und erfunden, erreicht so aber eher Menschen, die unvorbereitet auf seine Videos treffen. Und vor allem hat man es hier eben nicht nur mit einem weiteren sendungsbewussten und selbsternannten YouTube-Patrioten zu tun, sondern mit einem Grundschullehrer, der bis vor kurzem tatsächlich vor Kindern stand.

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