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Verseuchte Versammlung von Faschisten “Rock gegen Überfremdung III” in Mattstedt

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Rund 6.000 Neonazis haben sich 2017 im Themar versammelt

 

 

Wieder einmal wird Thüringen an diesem Wochenende von einer Horde Neonazis heimgesucht. Auf einem von Altlasten versuchten ehemaligen Fabrikgelände im kleinen Ort Mattstedt werden am Samstag bis zu 5.000 Neonazis zu einem Rechtsrock-Konzert erwartet. Die Veranstaltung heißt „Rock gegen Überfremdung III“. Im vergangenen Jahr reisten zum „Rock gegen Überfremdung II“ über 6.000 Neonazis in den beschaulichen Ort Themar (Thüringen) an. Auch in diesem Jahr könnte das rechtsextreme Konzert eine ähnliche Zugkraft entwickeln. Damit sich Thüringen nicht endgültig zu einer braunen Wohlfühlzone für Neonazis entwickelt, ist es umso wichtiger, dass von Seiten der Gesellschaft, der Verwaltungsbehörden und der Politik deutliche Signale ausgesendet werden, die es den Ewiggestrigen so ungemütlich wie möglich machen.

 

Der Anmelder von „Rock gegen Überfremdung III“ ist ein enger Weggefährte Ralf Wohllebens

Angemeldet wurde das Hass-Event von dem Saalfelder Neonazi Steffen Richter, der über Kontakte ins „Hammerskin-“ und „Blood & Honour“-Netzwerk verfügt und zum Führungskreis der „Turonen“ gehört. Richter hat bereits zahlreiche  Vorstrafen gesammelt, darunter Waffendelikte, Körperverletzungen und Eigentumsdelikte. Damit nicht genug, ist Richter zudem ein enger Weggefährte des NSU-Helfers Ralf Wohllebens, den er tatkräftig unterstützte. Nach dem Auffliegen des NSU-Netzwerkes 2011 und der Inhaftierung von Ralf „Wolle“ Wohlleben organisierte Richter diverse Soli-Aktionen und Musikveranstaltungen für „Wolle“, wie thüringenrechtsaußen berichtete. Daher ist es durchaus möglich dass Ralf Wohlleben und André Eminger, der ebenfalls im NSU-Prozess angeklagt war, am Samstag nach Mattstedt kommen werden, um sich persönlich bei der rechtsextremen Szene für die (finanzielle) Unterstützung zu bedanken.

 

„Turonen / Garde 20“

Die „Turonen“, beziehungsweise „Garde 20“, tritt als sogenannte Bruderschaft mit rockerähnlichen Kutten auf. Zunächst trat diese Neonazi-Gruppe 2014 unter dem Namen „Bruderschaft Thüringen“, teilweise auch als „Bruderschaft H8 Thüringen“, in Erscheinung. 2015 wurde die Gruppe umbenannt und ist seit dem unter „Turonen“ und „Garde 20“ bekannt.

Die „Turonen“, zu deren Führungsfiguren Steffen Richter und der im Ballstädt-Prozess angeklagte Neonazi Thomas Wagner gehören, organisierten im Oktober 2016 im schweizerischen Toggenburg bereits das „Rocktoberfest“ mit 5.000 Teilnehmer*innen. Die „Turonen“ waren zudem maßgeblich in der Organisation und am Aufbau beim vergangenen „Rock gegen Überfremdung II“ beteiligt. Es handelt sich hier um einen Personen-Kreis der bereits Erfahrungen mit derartigen Großevents hat und bestens vernetzt ist. In der extrem rechten Szene werden die „Turonen“ meist als authentisch wahrgenommen, da es sich hier nicht um eine Partei handelt, was wiederum als mobilisierendes Element in der zum Teil zerstrittenen Szene gewertet werden kann.

 

Neonazi-Bands

Auftreten sollen am Samstag unter anderem „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“, die bereits 2010, also vor Auffliegen der Terrorzelle des NSU, auf ihrem Album „Adolf Hitler lebt!“ in dem Lied „Döner Killer“ die Morde des Terror-Trios feierten. Auch der umtriebige Neonazi Michael Regener wird mit seiner Band „Die Lunikoff-Verschwörung“ seine menschenverachtende Musik grölen. Das Vorgängerprojekt Regeners, die Band “Landser“ wurde 2004 als kriminelle Vereinigung eingestuft und verboten. Interessant dürfte für die Rechtsrock-Szene die Band „Notwehr“ sein. Der Auftritt am Samstag wäre ihr erster Auftritt seit ihrer Reunion.

 

„Warworld“ – Die Band mit einem „Blood & Honour“-Urgestein

Unklar ist bisher noch, ob die Band „Warworld“ auftreten wird. Diese Band dürfte für besondere Zugkraft aus dem extrem gewaltaffinen rechtsextremen Milieu sorgen. Die Band wurde von Steve Calladine („Stigger“) gegründet, der neben Ian Stuart das bekannteste Mitglied der britischen Blood and Honour-Band „Skrewdriver“ ist. Ian Steward Donaldson gründete in den 1980er Jahren in England das international agierende „Blood & Honour“-Netzwerk.  Keine Band besitzt in der Rechtsextremen Szene einen derartigen Kultstaus wie „Skrewdriver“. 1989 hieß ihr Album „Warwold“. Auf einem Flyer vom 15. August auf der Facebook-Seite des Rechtsrock-Konzerts wird „Warworld“ allerdings nicht mehr aufgeführt. Es bleibt abzuwarten, ob diese rechtsextreme Band am Samstag auftreten wird.

Neben Bands sollen auf dieser als politisch klassifizierten Veranstaltung auch Reden gehalten werden, von Frank Krämer (Musiker, Youtuber), Sven Skoda (Die Rechte Dortmund), Dieter Riefling (Neonazi), Sebastian Schmidtke (NPD), Michael Brück (NPD), Christian Häger (Neonazi) und Sascha Krolzig (Die Rechte Niedersachsen). Darüber hinaus werden Diskussionsrunden angeboten, unter anderem mit dem rechtsextremen Youtuber Philip des Kanals „Orwellzeit“ und Alexander Deptolla, der die rechtsextreme MMA-Veranstaltung „Kampf der Nibelungen“ organisiert. Daher ist am Samstag auch mit einem Publikum aus der Kampfsport-Szene zu rechnen.

 

Teile des Geländes sind am Samstag gesperrt

Zwei Tage vor dem geplanten Event hat das Amtsgericht Apolda die Nutzung eines Teils des Konzertgeländes untersagt. Das Gericht hat eine entsprechende einstweilige Verfügung erlassen, teilte Innenminister Georg Maier (SPD) am Donnerstag mit. Der Bund ist über Erbengemeinschaften Miteigentümer von vier Teilflächen auf dem Areal einer ehemaligen Kunstharz-Fabrik und als Miteigentümer kann der Bund von seinem Hausrecht Gebrauch machen und den Zutritt zum Gelände verwehren .Die einstweilige Verfügung bedeute nicht, dass das Konzert nunmehr verboten sei, stellte Maier klar. Allerdings liegen zwei der gesperrten Teilflächen laut Landratsamt so, dass die Sperrung die Veranstaltung auf dem Gelände wohl erheblich behindern könnte. Ob die Veranstalter den Beschluss anfechten wollen, ist bisher unklar.

Darüber hinaus nahm das Umweltamt des Landkreises umfangreiche Bodenproben auf dem Gelände einer ehemaligen Kunstharz-Fabrik, wo das Konzert stattfinden soll. Die Belastung durch Giftstoffe ist aber niedriger als angenommen. Nur auf einem kleinen Teil des Geländes wurden Grenzwerte überschritten. Dort soll eine Sperrung verfügt werden.

 

Was ist zu erwarten?

Wie “mobit”, die Mobile Beratung in Thüringen, gegenüber Belltower.News mitteilte, wurden offenbar bereits über 4.000 Tickets für das Hass-Event verkauft. Möglich ist, dass das Neonazi-Event eine Eigendynamik entwickelt – nicht wegen des Konzertangebots, sondern um die Macht der Szene zu demonstrieren. Offenbar will man das gleichnamige Konzert im vergangenen Jahr in Themar übertreffen. Die Veranstalter*innen behaupten, dass das von Altlasten verseuchte Areal rund 20.000 Menschen Platz böte. Angemeldet ist diese „politische Veranstaltung“ allerdings nur für 3.000 Personen. Sollten deutlich mehr Rechtsrock-Fans anreisen, werden die Versammlungsbehörde und die Polizei Schlussfolgerungen ziehen, „die auch eine Unterbindung des Zustroms weiterer Teilnehmer zum Inhalt haben können“, so Silke Schmidt vom Landratsamt Weimarer Land auf unsere Nachfrage. Die Polizei wird mit mehr als 1.500 Beamt*innen im Einsatz sein. Andere Bundesländer wollen mehrere Hundertschaften entsenden.

 

Protest gegen das Nazi-Konzert

Der verseuchte Veranstaltungsort liegt am Ortsrand, die Neonazis müssen vom nahe gelegenen Apolda über die Bundesstraße dorthin laufen. Die Gegenveranstaltungen finden im Ortskern des 500-Mann-Dorfs Mattstedt statt. Das Bürgerbündnis „Netzwerk Buntes Weimarer Land“ ruft zusammen mit Bürger*innen der anliegenden Gemeinden, zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, Vereinen, Kirchen und Partnern aus Thüringen zu vielfältigen Protestformen gegen das Rechtsrock-Konzert auf. Ein starkes Zeichen will auch die gesamte Landesregierung setzen: Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und das gesamte Landeskabinett Thüringens wird am Samstagmorgen an einem Gottesdienst in der Kirche St. Marien teilnehmen. Innenminister Georg Maier (SPD) hat sich darüber hinaus zu den Demonstrationen angekündigt. Es soll laut Ankündigung der Polizei eine komplette Trennung der Veranstaltungen geben.

Informationen für eine sichere Anreise zu den Protestveranstaltungen

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