Recherchen des Mediendienstes zufolge sitzen im neuen Bundestag 34 Parlamentarier mit eigener Migrationserfahrung bzw. einem sogenannten Migrationshintergrund.1 Im Verhältnis zu allen 630 Abgeordneten stammen somit 5,5 Prozent aus Einwandererfamilien. In der gesamten Bevölkerung liegt ihr Anteil mehr als dreimal so hoch, bei rund 19 Prozent.
Ein Blick auf die Verhältnisse in den einzelnen Parteien zeigt: Gemessen an ihren Sitzplätzen im Parlament verzeichnen Bündnis90/Die Grünen mit 11,1 Prozent und die Linksfraktion mit 10,9 Prozent den höchsten Anteil von Abgeordneten mit Migrationshintergrund. Die SPD hat zwar in reellen Zahlen mit 12 Politikern den höchsten Wert, liegt jedoch mit 6,3 Prozent Anteil in der Fraktion eher im Mittelfeld. Schlusslicht sind die Unionsparteien mit 3,1 Prozent bei der CDU und 1,8 Prozent bei der bayerischen CSU.
Mit Blick auf die Herkunftsländer fällt auf, dass vor allem die Zahl der türkeistämmigen Abgeordneten2 gestiegen ist: Sie hat sich von fünf auf elf mehr als verdoppelt. Rund ein Drittel der Abgeordneten stammt aus Ländern der Europäischen Union. Und erstmals sitzen mit Karamba Diaby und Charles M. Huber zwei Afrodeutsche im Bundestag.
Vergleich zu Ergebnissen von 2009
In der 17. Legislaturperiode saßen im Bundestag 21 Abgeordnete aus den verschiedenen Parteien, denen statistisch ein Migrationshintergrund zugesprochen werden kann: CDU eine Person, SPD vier, FDP vier, Linke sechs, Grüne sechs. Im Vergleich zu den damals insgesamt 622 Abgeordneten lag ihr Anteil somit bei 3,4 Prozent.
Hintergrund zur Recherche
Der Mediendienst hat im April 2013 bei allen 96 Landesgeschäftsstellen der Bundestagsparteien die Anzahl der Kandidaten mit Migrationshintergrund recherchiert. In vielen Fällen waren die Pressestellen nicht bereit oder fähig, Auskunft über die Zahl ihrer Kandidaten aus Einwandererfamilien zu geben. Der Mediendienst hat hier die Kandidaten-Listen nach Namen und vorliegenden Informationen ausgewertet. Entsprechende Hinweise wurden mit Biografien auf der Website oder Interview-Aussagen abgeglichen. Wenn keine Bestätigung für einen Migrationskontext vorlag, wurden die Kandidaten nicht berücksichtigt.
Für die eigene Recherche bleibt festzuhalten: Namen sind natürlich kein verlässlicher Indikator für einen Migrationshintergrund. Prominente Beispiele hierfür sind Sahra Wagenknecht (Linke, iranischer Vater) oder Sven Schulz (SPD, Mutter aus Spanien). Nach der Veröffentlichung der Ergebnisse im Juli erhielt der Mediendienst zahlreiche „Nachnominierungen“ aus den Parteien, so dass die Ergebnisse fortlaufend aktualisiert wurden. An der zentrale Aussage änderte sich nichts: Lediglich vier Prozent der Kandidaten stammten aus Einwandererfamilien. Dieser Anteil ist bei den tatsächlichen Sitzen im Bundestag nun um einen Prozentpunkt gestiegen.
Die Analyse mit einer Liste der gezählten Abgeordneten erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Anmerkungen:
1 Mit Migrationshintergrund werden statistisch alle Bürger erfasst, die nach 1949 in die heutige Bundesrepublik Deutschland eingewandert sind, sowie alle hier geborenen Ausländer. Auch Eingebürgerte gehören dazu, ebenso wie alle Deutschen mit mindestens einem zugewanderten oder ausländischen Elternteil. Quelle: BAMF
2 Abgeordnete mit türkischem Migrationshintergrund 2013:
Cemile Giousouf, CDU
Cansel Kiziltepe, SPD
Mahmut Özdemir, SPD
Aydan Özoguz, SPD
Gülistan Yüksel, SPD
Metin Hakverdi, SPD
Sevim Dagdelen, Linke
Azize Tank, Linke
Ekin Deligöz, Grüne
Cem Özdemir, Grüne
Özcan Mutlu, Grüne
Textübernahme mit freundlicher Genehmigung des Mediendienst Integration
Mehr Informationen:
Bundestagswahl 2013: NPD schwach, pro Deutschland und Co. bedeutungslos (netz-gegen-nazis.de)
„Wie fühlen Sie sich bei uns?“: Abgeordnete mit Mitgrationshintergrund (Deutsche Welle)