„Wie politisch dürfen nicht politische Vereine sein?“, fragt ein*e Teilnehmer*in einer Studie des Instituts für Diversity, Natur, Gender und Nachhaltigkeit (diversu e.V.) zur Einflussnahme rechtsextremer Ideologien in Umwelt- und Naturschutzverbänden. Politische Positionierung scheint abseits der eigenen ökologischen Agenda für viele Vereine in der „grünen Branche“ erst einmal kaum notwendig. Zu Recht?
„Es gibt immer wieder Leute, die sagen‚ wir hätten nichts mit Politik zu tun, das müsse man doch trennen“, berichtet Barbara Graf vom Netzwerk Solidarische Landwirtschaft. „Dabei ist es wichtig, sich mit dem eigenen politischen Selbstverständnis auseinanderzusetzen“, so Graf. Denn gerade Natur- und Umweltschutzverbände kommen immer wieder in Kontakt mit Anhänger*innen menschenfeindlicher Ideologien. Rund 30 Prozent der befragten Verbandsmitglieder sind laut der Studie von diversu e.V. im Rahmen ihrer Arbeit bereits rechtsextremen Positionen begegnet. 15 Prozent gaben an, dass eigene Mitglieder mit rechter Gesinnung aufgefallen sind.
Abschottung von allem „Fremden“
Ursprung dieses Zusammenhangs sind völkische Ideologien. Die Vorstellung einer ethnisch homogenen, deutschen „Volksgemeinschaft“eint die rechtsextreme Szene. Damit eng verbunden ist die Annahme einer „natürlichen“ Verbindung von „Volk und Raum“ oder „Blut und Boden“, die schon im 1920 veröffentlichten 25-Punkte-Programm der NSDAP verankert war. Dass eine solche Verbindung wissenschaftlich nicht tragbar ist, spielt keine Rolle. Stattdessen propagieren Rechtsextreme bis heute die enge „Verwurzelung“ der Bevölkerung mit „ihrem“ Land und träumen völkisch-romantisch von naturnahen bäuerlichen Gemeinschaften, die eine Abschottung von allem „Fremden“ beinhalten.
Die Anschlussfähigkeit der „grünen Branche“ für rechtsextreme Ideologien wird innerhalb der Vereine zunehmend thematisiert. „Oftmals gibt es kleine Auslöser für eine Auseinandersetzung mit rechter oder völkischer Unterwanderung“, erklärt Anna Meier, Expertin für völkische Siedler*innen der Amadeu Antonio Stiftung. Zum Beispiel bei der Gruppe „Dreschflegel“, die in ihrer Stellungnahme gegen Rechtsextremismus von Mitgliedern berichtet, die begeistert über Anastasia-Bücher gesprochen hätten. Die Buchreihe des russischen Autors Wladimir Megre verbreitet unverhohlen antisemitische und rassistische Ansichten und dient als Inspiration für völkisch-esoterische Siedler*innen. Mehrfach hatten reichsbürgernahe oder rechts-esoterische Webseiten das biologische Saatgut von „Dreschflegel“ gegen dessen Willen verlinkt. Jedes Mal aufs Neue musste Dreschflegel veranlassen, dass die Verlinkungen entfernt wurden.
Rechtsextremismus in der Landwirtschaft
Mit ähnlichen Herausforderungen ist das Netzwerk Solidarische Landwirtschaft konfrontiert. Deren Konzept eines solidarischen regionalen Wirtschaftskreislaufs sprach in der Vergangenheit auch völkische Siedler*innen an. Einige Verbände haben außerdem regelmäßig mit interessierten Reichsbürgern zu kämpfen. „Wenn man das nicht aufarbeitet oder agiert, wird es schwierig, das hinter sich zu lassen“, erklärt Barbara Graf. Gemeinsam mit anderen Engagierten des Netzwerks gründete sie die Arbeitsgruppe Rechte Tendenzen, die sich seit 2016 mit Rechtsextremismus in der Landwirtschaft auseinandersetzt.
Erst einmal ein Bewusstsein für die Problematik zu schaffen, sei entscheidend, so Anna Meier. Um einer Vereinnahmung entgegenzuwirken, ist eine klare Haltung zu demokratischen Grundwerten wichtig. Beispielsweise durch die Modernisierung des eigenen Leitbilds, ein Prozess den die „Arbeitsgemeinschaft deutscher Junggärtner“ (AdJ) dieses Jahr begonnen hat. Mit einem Berater des „beratungsNetzwerks hessen –Gemeinsam für Demokratie und gegen Rechtsextremismus“ haben Mitglieder des Vereins ausgearbeitet, wie eine Positionierung gegen Diskriminierung und Rechtsextremismus konkret aussehen kann. „Alle hatten die Möglichkeit, sich zu beteiligen, und alle Stimmen wurden gehört. Demokratischer gehts nicht“, berichtet die AdJ. Neben der Ablehnung menschenfeindlicher Ideologien waren auch die Ausbildungsförderung und eine Steigerung der Wertschätzung des Berufsstandes für viele Beteiligten wichtige Aspekte.
Der gemeinsame Prozess und Austausch führte zu einem Leitbild, das eine maßgebliche Stütze liefert. Denn: „So haben wir eine Grundlage, an der wir uns entlanghangeln können, wenn Menschen im Rahmen unserer Tätigkeiten diskriminiert werden oder jemand etwas Beleidigendes auf einer Veranstaltung sagt.“ Für eine nachhaltige Sensibilisierung sollte die Debatte allerdings immer wieder auf den Tisch kommen, so Rechtsextremismus-Expertin Meier. „Es ist wichtig, das immer wieder zum Thema zu machen. Gerade dort, wo häufig neue junge Leute dazu kommen. Für viele sind diese Probleme neu.“ Diese Verantwortung will die AdJ übernehmen. In der Zukunft soll es beispielsweise Fortbildungen über Ökologie von rechts geben.
Das Netzwerk „Solidarische Landwirtschaft“ stößt eine stärkere Zusammenarbeit über Vereins- oder Verbandsgrenzen hinweg an. „Wir müssen gemeinsam arbeiten. Es gibt viel Bedarf, aber die Strukturen fehlen teilweise noch“, erklärt Graf. Im März 2021 veranstaltet die AG Rechte Tendenzen eine Fachtagung zu rechten Vereinnahmungsversuchen im Ökolandbau, die sich an Menschen aus der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Praxis sowie aus Beratungs-, Netzwerk- und Verbandsarbeit richtet. Gerade in Hinblick auf die wachsende Salonfähigkeit rechtsesoterischer und antisemitischer Positionen im Angesicht der Corona-Leugner*innen-Demos, ein wichtiges Signal.
Die Amadeu Antonio Stiftung fördert die Modernisierung des Leitbilds der Arbeitsgemeinschaft deutscher Junggärtner sowie die Fachtagung „Kartoffel, Kürbis, Vaterland – Landwirtschaft aus rechter Hand“ der Solidarischen Landwirtschaft.
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).