„Reißt die undemokratischen Brandmauern ein. Die AfD steht bereit“, fordert AfD-Chefin Alice Weidel beim Wahlkampfauftakt in Halle in Richtung Union. Die AfD hat sich auf die CDU eingeschossen. Jene Partei, mit der sie noch am ehesten koalieren könnte, auch wenn das bisher von der Unionsspitze ausgeschlossen wird. Noch.
Die Zerstörung der CDU
Angriff ist seit jeher die Strategie der AfD. Seit einigen Monaten wird besonders die CDU und ihr Kanzlerkandidat Friedrich Merz hart attackiert. In einem Interview mit dem ARD-Magazin Panorama von 2023 benannte der EU-Abgeordnete der AfD, Maximilian Krah, CDU und CSU als „Hauptfeind“. Die politische Rechte könne nur dann zum Erfolg kommen, wenn die Christdemokraten verschwinden. Daher setze Krah nicht auf die CDU, sondern auf ihre Implosion. Die Union solle in zwei Teile aufgehen: einen rechtsoffenen und einen, der zu den „Grünen 2.0“ werde.
„Insofern bleibt die CDU der strategische Hauptgegner“, sagt Krah, der jetzt für den Bundestag kandidiert. Im Vorfeld der Europawahl hatte der AfD-Abgeordnete 2024 in einem Interview mit der Welt angeführt: „Rechte Parteien kommen in Europa dann in die Nähe der Regierung, wenn es keine klassische Christdemokratie mehr gibt.“ Die Richtung ist gesetzt: Es geht um die Zerstörung der Union.
Das Problem der AfD mit der Erinnerungskultur
Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, sagte in einem Video der AfD-Bundestagsfraktion im November 2024: „Der Hauptgegner ist die CDU, ist die Union, die versucht unsere Anträge, unsere Politik den Bürgern vorzugaukeln“. Mit Blick auf die Erfolge von Trump, Meloni, Wilders oder Le Pen gehe eine Epoche zu Ende, und nicht nur die Ampel-Regierung. Es gehe jetzt um eine Gegenbewegung und diese werde von der Union verlangsamt, so Baumann. „Die CDU ist das eigentliche Problem Deutschlands“. Aber die AfD habe es schwerer als die anderen internationalen Neo-Faschist*innen. Schließlich hänge ihr noch „die Keule aus der Vergangenheit“ an.
Damit ist die Verantwortung gemeint, die aus den Verbrechen des Holocausts resultieren. Doch die AfD plant ein grundlegendes Umdenken in der Erinnerungspolitik. Weg von der Schuld an der Shoa und Nationalsozialismus, hin zum Stolz auf die „deutsche Kultur“. Der Multimilliardär Elon Musk unterstützte die AfD jüngst bei ihrer „Erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“. Beim Wahlkampfauftakt der AfD in Halle zugeschaltet, fordert er: „Ehrlich gesagt, ist der Fokus zu sehr auf die Schuld der Vergangenheit gerichtet, und das müssen wir hinter uns lassen“. Zudem schwärmte der Techmilliardär von der „deutschen Kultur“, die „tausende Jahre“ zurückreiche.
Warum diese Strategie?
Mit dem Angriff auf die Union geht es der AfD darum, Wähler*innen zu gewinnen, die mit einigen Punkten der AfD übereinstimmen. Schließlich konkurrieren Union und AfD in ähnlichen politischen Bereichen. Die AfD versucht so ganz bewusst, die CDU-Wählerschaft zu verunsichern. Wenn die AfD die CDU als „zu liberal“ oder „zu moderat“ darstellt, kann sie sich als die wahre Stimme der konservativen und nationalistischen Wählerschaft positionieren. Letztendlich will die AfD das gesamte politisch rechte Lager dominieren, dort soll kein Platz mehr für die Christdemokrat*innen sein. Durch die Zerstörung der CDU hofft die AfD darauf, nicht nur der kleinere Koalitionspartner zu sein, sondern eine*n Kanzler*in zu stellen, vermutlich nach der Bundestagswahl 2029.
Benedikt Kaiser, Vordenker und Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jürgen Pohl, hoffte bereits 2022 auf „eine geschrumpfte, politisch korrigierte CDU“ und eine starke AfD besonders im Osten. So könne eine „Wende im Kleinen“ herbeigeführt werden, durch ein „effektives Zusammenspiel der vielgestaltigen Mosaik-Rechten samt erstmaliger Koalitionspolitik“ der AfD. Doch so weit sei die CDU noch nicht. „Die AfD benötigt daher: Geduld.“
Schreibt die Union bei der AfD ab?
Gleichzeitig scheinen Teile der CDU Inhalt und Form bei der AfD abzuschauen. So fordert Friedrich Merz etwa Anfang des Jahres in einem Interview, kriminellen Deutschen mit doppelter Staatsbürgerschaft den deutschen Pass zu entziehen. Die rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin Julia Klöckner schreibt in einem inzwischen gelöschten Instagram-Post: „Für das, was Ihr wollt, müsst Ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU.“ Nach den Morden von Aschaffenburg fordert die CDU in einem neuen Entwurf nun dauerhafte Grenzkontrollen und die Zurückweisung von Asylbewerber*innen, Ausreisepflichtige sollen in Haft. Fraktionschef Merz sagte, man werde die Anträge unabhängig davon einbringen, wer zustimme. Damit nimmt die Union in Kauf, dass es Mehrheiten dafür mit der AfD geben könnte. Eine unangenehme Situation für Merz, der immer wieder betont hatte, dass es unter seiner Führung keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde. Alice Weidel schrieb daraufhin auf X: „Die Brandmauer ist gefallen! CDU und CSU haben mein Angebot angenommen, in der Schicksalsfrage der Migration im Bundestag gemeinsam mit der AfD zu stimmen.“
Andererseits werfen AfD-Chefin Alice Weidel und ihre Partei der Merz-CDU vor, die Rechtsextremen zu plagiieren. Wenn die CDU sich inhaltlich bei der AfD bedient, hilft das allerdings nur der AfD, weniger radikal und demokratiefeindlich zu erscheinen. Nach aller Erfahrung belohnt das Wildern bei rechtsextremen Parteien letztendlich nur das Original. Schließlich ist die These von den zurückzugewinnenden vermeintlichen AfD-Protest-Wähler*innen bereits mehrfach widerlegt worden. Zudem zeigt die AfD-Anhängerschaft die geringste Wechselwahlbereitschaft im Verhältnis zu allen anderen Parteien, so eine Analyse der Konrad Adenauer Stiftung von 2024. 70 Prozent der AfD-Wählerinnen und -Wähler können sich nicht vorstellen, eine andere Partei zu wählen.
Streit in der rechten Medien-Blase: Das rechte Flaggschiff Nius auf Union-Linie?
Das rechtsalternative bis rechtsextreme Mediengeflecht unterstützt die AfD in ihren Angriffen auf die CDU bereitwillig. Auch hier arbeiten sich die Aktivist*innen nicht mehr hauptsächlich am grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck ab, sondern an Friedrich Merz und seiner Partei.
Bis auf eine Ausnahme: Das Medien-Imperium von Julian Reichelt, dem nachgesagt wird, mit seinen Portalen Nius und Co den extrem rechten Teil der CDU zu unterstützen. Finanzier von Reichelts Mediengeflecht ist der Unternehmer Frank Gotthard. Der spendete jüngst 100.000 Euro an CDU und FDP. Das geht aus dem Parteispendenregister des Deutschen Bundestags hervor. Seine Ehefrau Dr. Brigitte Gotthardt spendete ebenfalls 100.000 Euro an die FDP und 80.020 Euro an die CDU.
Die rechte CDU-Linie von Reichelt kommt in der rechtsextremen Alternativ-Medien-Szene nicht gut an: In der aktuellen Ausgabe des rechtsextremen und verschwörungsideologischen Magazins Compact ist zu lesen: „Unbedingte Israel-Hörigkeit: In Wirklichkeit ist Reichelt also ein geistiges UBoot der CDU und des Springer-Verlages und mit der alternativen Medienszene völlig inkompatibel“. Und: „Statt die alternativen Medien frontal zu bekämpfen und zu diffamieren, worauf der tumbe Mainstream bisher gesetzt hat, gibt man sich als eines von ihnen aus, zieht Leser und Follower an sich und scheucht sie dann in die Arme der Union.“ Ob und wie diese offene Disharmonie weitergeht, wird sich zeigen.
Anfang des Jahres behauptete Björn Höcke schon gegenüber einem extrem rechten Influencer, nur noch die AfD sei in Deutschland eine Volkspartei. „Weil ich auch trotz allen Falschzuschreibungen der etablierten Medien, die Partei breit und offen halte. Ich sage immer: von den Libertären, […] bis zu den sozial konservativen Kräften müssen wir als Volkspartei alle mitnehmen und abbilden.“ Höcke zweifelt dennoch, dass die AfD bei dieser Bundestagswahl bereits Koalitionspartner sein kann. In den kommenden Landtagswahlen im Osten erwartet er künftig Ergebnisse, die zu einer absoluten Mehrheit genügen würden. „Dann führt kein Weg mehr an der AfD vorbei und das werden wir erleben.“