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Wahlkampf in Berlin Rechtsaußen versucht den Endspurt

Die Plakateschlacht der NPD
Der Berliner NPD-Landesverband, der sich in den letzten Jahren vorwiegend zerstritten und wenig aktiv zeigte, hat einen durchaus beachtlichen Wahlkampf durchgeführt. Dazu gehörten massive Plakat-und Briefkastenaktionen, gelegentliche Wahlkampfstände und kleinere Kundgebungen zu symbolischen Daten wie 17. Juni, 13. August und 11. September. Diese Aktivitäten wären ohne den engen Schulterschluss zwischen NPD und aktionsorientierten „Freien Kräften“ und „Autonomen Nationalisten“ nicht möglich gewesen.

Mit Sebastian Schmidtke als stellvertretendem Landesvorsitzenden ist ein maßgeblicher Aktivist dieses Spektrums in der Führung der Berliner NPD vertreten. Die aktionsorientierten Rechtsextremen scheinen sich vollständig auf den NPD-Wahlkampf konzentriert zu haben. So war auffällig, dass die seit etwa zwei Jahren anhaltende Serie von Angriffen auf Einrichtungen demokratischer Parteien und Verbände, zivilgesellschaftlicher Initiativen und linker Gruppen, die Ende Juni in mehreren Brandanschlägen gipfelte, mit dem Beginn der heißen Phase des Wahlkampfs abriss. Weitere personelle Unterstützung bekam die NPD auch aus anderen ostdeutschen Bundesländern und von tschechischen Rechtsextremen, um ihre dünne Personaldecke zu verstärken.

Auf den provokativen und störenden Besuch von Veranstaltungen der demokratischen Parteien und der Zivilgesellschaft  – im Sinne der sogenannten Wortergreifungsstrategie – verzichtete die NPD weitgehend. Sie arbeitete sich mit ihren unzähligen Plakaten vom Rand der Stadt ins Innere vor und konzentrierte sich auf die Bezirke, in denen sie verstärkt auf eine Stammwähler/innenschaft zählen kann. In der letzten Wahlkampfwoche drehte die rechtsextreme Partei noch einmal richtig auf: Bei einer – allerdings schlecht besuchten  – Kundgebung auf dem Alexanderplatz am 11. September trat unter anderem ein Mitglied der szenebekannten Rechtsrock-Band „Sleipnir“ auf. Jung- und Erstwähler/innen wurden angeschrieben, wobei den Briefen als „besonderer Gag“ ein „Rückflugticket“ für „rückreisewillige“ Menschen mit Migrationshintergrund beigelegt wurde. Zusätzlich sollte ein Flugzeug mit NPD-Werbebanner seine Runden über Berlin drehen und es wurde angekündigt, eine extra hergestellte „Schulhof-CD“ an allen Berliner Schulen zu verteilen.

Inhaltlich war der NPD-Wahlkampf vorrangig auf rassistische und neonazistische Provokationen ausgelegt: Es gab ein Kreuzworträtsel in der NPD-Wahlkampfzeitung mit dem Lösungswort „Adolf“, Plakate mit dem Slogan „Gas geben“ oder mit rassistischen Karikaturen („Guten Heimflug!“). In einer Sendung des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) 1 propagierte der NPD-Bundesvorsitzende und Berliner Spitzenkandidat Udo Voigt in aggressiver Weise die „Ausländerrückführung“. Darauf angesprochen, dass im NPD-Programm das Wort „Holocaust“ stets in Anführungszeichen steht, verwies er auf das gesetzliche Verbot der Holocaustleugnung in Deutschland und ließ mithin keinen Zweifel an seiner geschichtsrevisionistischen Haltung.

Die NPD scheint verstanden zu haben, dass sie auch in Berlin nicht wegen vermeintlicher kommunalpolitischer Kompetenz, sondern als rechtsextreme Bekenntnispartei gewählt wird. Folglich richtete sie ihren Wahlkampf kaum auf berlinspezifische Themen aus und konzentrierte sich auf ihre Stammwähler/innenschaft.

Der Ausgang der Berlin-Wahl wird auch die zukünftige Zusammensetzung und Ausrichtung der NPD-Führungsriege auf Bundesebene beeinflussen. Bereits kurz nach dem Wiedereinzug der NPD in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern am 4. September meldete der dortige NPD-Fraktionsvorsitzende, Udo Pastörs, ein ausgewiesener Kritiker Voigts, Führungsansprüche an. Ein Erfolg in Berlin würde die Position des seit langem umstrittenen Parteivorsitzenden Voigt sicherlich stärken.

Fleißarbeit von „Pro Deutschland“
Den 2010 nach Berlin zugezogenen Führungskräften Manfred Rouhs und Lars Seidensticker ist es gelungen, aus bisher parteipolitisch Unerfahrenen und den Splittern der rechten und rechtsextremen Kleinparteien in Berlin eine geschlossene und motivierte Kernmannschaft zu bilden. Trotz des Selbstverständnisses als Kämpfer für die Rechte der Frauen gibt es kaum weibliche Aktivistinnen in den Reihen der Rechtspopulist/innen. Die Truppe aus Ehemaligen der DVU, „Republikanern“, Anhängern der christlich-fundamentalistischen Partei „Arbeit –  Umwelt – Familie“ (AUF)“ und vereinzelten ehemaligen NPD-Mitgliedern sammelte fleißig Unterschriften für Wahlantritte an Ständen, hängte Plakate und steckte Flyer in Briefkästen.

Unfähig zeigte sich „Pro Deutschland“ jedoch darin, mit lokalen Problemlagen in den Bezirken Stimmung zu machen. Die Agitation beschränkte sich im ganzen Stadtgebiet weitestgehend auf die drei Parolen: „Hauptstadt der Angst? Nicht mit uns!“, „Unsere Frauen bleiben frei!“ und „Wählen gehen für Thilos Thesen“ mit dem Bild einer durchgestrichenen Moschee. Immerhin gelang es der vermeintlichen „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ mit ihren „Thilo-Plakaten“ als einziger der drei Rechtsaußen-Parteien, auf den Titelseiten einer großen Berliner Boulevard-Zeitung zu erscheinen. Als ihr die Anspielung auf Sarrazins Thesen gerichtlich untersagt wurde, überklebten die Wahlhelfer/innen viele Tausend Plakate, auf denen dann zu lesen war: „Wählen gehen für zensierte Thesen“.
Etwa einmal pro Monat versuchte „Pro Deutschland“, mittels Kundgebungen auch auf der Straße Präsenz zu zeigen. Doch selbst der großspurig angekündigte „Anti-Islamisierungs-Kongress“ am letzten Augustwochenende wurde nur durch personelle Unterstützung aus Köln und NRW nicht zur kompletten Blamage, sondern konnte ca. 200 Menschen mobilisieren. Ohne derartige Hilfe von außen folgten in der Regel nur wenige Dutzend Menschen den Demonstrationsaufrufen der Pro-Leute.

Auch für „Pro Deutschland“ hat das Berliner Wahlergebnis strategische Bedeutung: Eine Schlappe würde die Partei mittelfristig auf das Dasein einer regionalen Kleinpartei in NRW beschränken. Ein Erfolg oder auch nur ein Achtungserfolg –  etwa der Einzug in mehrere Bezirksverordnetenversammlungen – hingegen brächte die Formation ihrem Ziel, der Vereinigung des politischen Spektrums zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus in Deutschland unter eigener Führung, ein Stückchen näher.

„Die Freiheit“ – eine Bauchlandung
Der Start des Parteiprojekts im Herbst 2010 erfolgte mit Hilfe des erfolgreichen niederländischen Rechtspopulisten Geert Wilders und löste im Spektrum der Sarrazin-Fans und sogenannten „Islam-Kritiker/innen“ teils euphorische Reaktionen aus. In relativ kurzer Zeit wurden zehn Landesverbände gegründet: „Die Freiheit“ hat lokale Gruppen in allen Bundesländern und nach eigenen Angaben ca. 2.000 Mitglieder. Das Leitmedium des antimuslimischen Rassismus in Deutschland, der Weblog „Politically Incorrect News“ (PI), setzte ziemlich unverhohlen auf die Gruppierung unter René Stadtkewitz und Marc Doll.

Nicht einmal ein Jahr später und kurz vor ihrer ersten Wahlteilnahme spricht einiges dafür, dass die junge Partei schnell wieder am Ende sein könnte. Ihre Plakate waren im Vergleich zur Rechtsaußen-Konkurrenz kaum wahrnehmbar. Wie der Spitzenkandidat René Stadtkewitz selbst wirkten sie farb- und konturlos. Der selbst gestellte Anspruch der „Freiheit“, seriös und sachlich kompetent zu wirken, führte in der politischen Praxis zur Nicht-Wahrnehmbarkeit. Die dezidiert rechtsliberale Rhetorik, der sich die Partei bedient, findet anders als in den USA und den Niederlanden in Berlin nicht ausreichend Anklang und bleibt die Obsession eng begrenzter Kreise von Eingeweihten auf PI News. Weder Prominente noch einflussreiche Medien ließen sich für das politische Projekt von Stadtkewitz und Freunden – auch hier sind Frauen kaum anzutreffen – einspannen.

Eine zweite Veranstaltung Anfang September mit dem Stargast Geert Wilders und anderer internationaler Prominenz führte ebenfalls nicht zu der erhofften medialen Aufmerksamkeit. Eine Pro-Polizei-Demonstration im August mit knapp 100 Teilnehmenden offenbarte einmal mehr, dass das Personal der „Freiheit“ keine Erfahrungen und keine Kompetenz auf dem Gebiet der praktischen Politik auf der Straße besitzt und nur schwer zum persönlichen Einsatz motiviert werden kann.

In letzter Zeit mehrten sich Hinweise auf interne Zwistigkeiten: Statt ausreichend Wahlmaterial zur Verfügung zu stellen, würden sich die Vorstandsmitglieder selbst Geldzahlungen genehmigen und durch die Welt reisen, so lauteten Vorwürfe. Landesverbände würden gegen die Berliner Führung opponieren. Ein Bundesvorstandsmitglied wurde im August kurzfristig und aus unklaren Gründen von allen Funktionen entbunden.

Ein schlechtes Abschneiden der „Freiheit“ würde die internen Streitigkeiten und Zerfallstendenzen gewiss enorm anfeuern. Während Stadtkewitz in den ersten Wochen der Parteigründung erklärt hatte, dass ein schlechtes Berliner Ergebnis den Tod der jungen Partei bedeuten würde 3, verbreitet er nunmehr Durchhalteparolen. Die ursprünglich ausgegebenen allzu optimistischen Zielvorgaben der „Freiheit“-Chefs von fünf Prozent plus X auf Landesebene sind mehr als unwahrscheinlich.

Prognosen für Sonntag
Die wahlentscheidenden Themen in Berlin „ Wirtschaft, Soziales, Bildung, Verkehr „ sind nicht die der Rechtsextremen und Rechtspopulist/innen. Auch charismatische Führungspersönlichkeiten sind nicht vorhanden. Zudem überschneiden sich die Wähler/innenpotenziale der drei Formationen teilweise. Ein spektakulärer Wahlerfolg einer der drei Rechtsaußenparteien, etwa ein Einzug ins Abgeordnetenhaus, ist deswegen für den kommenden Sonntag laut unterschiedlichen Wahlprognosen und Umfragen auszuschließen. Auf der kommunalen Ebene, bei den Bezirksverordnetenversammlungen, sind aber durchaus Mandatsgewinne für alle drei Parteien möglich.

Die NPD verfügt wie in anderen Bundesländern auch in Berlin über eine rechtsextreme und rassistische Stammwähler/innenschaft im Niedrigprozentbereich. Der intensive Wahlkampf der NPD wird diese Stammklientel vermutlich angesprochen haben. Nach dem für die NPD erfolgreichen Ausgang der Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern kann zudem davon ausgegangen werden, dass bisher unentschlossene rechtsextrem orientierte Wähler/innen eher der NPD ihre Stimme geben.

Unklar wird bis zum Wahlsonntag bleiben, ob es der rechtspopulistischen Konkurrenz gelingt, vom NPD-Wähler/innensockel Stimmen abzuschöpfen. Auch von der Wahlbeteiligung insgesamt wird abhängen, wie stark die rechtsextremen Stammwähler/innen zu Buche schlagen.
Antimuslimischer Rassismus ist keine Erfindung der rechtspopulistischen Parteien, sondern eine bis weit in die sogenannte Mitte der Gesellschaft verbreitete Einstellung. Ob die beiden rechtspopulistischen Parteien diese Einstellungen trotz eines wenig überzeugenden Wahlkampfes in Wähler/innenstimmen umsetzen können, ist abzuwarten. Unabhängig vom Ausgang der Wahlen bleibt es eine entscheidende Herausforderung, der rassistischen und kulturalistischen Umdeutung sozialer Probleme inhaltlich etwas entgegen zu setzen und die rechtspopulistischen sowie rechtsextremen Parteien so in ihre Schranken zu weisen.

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