„Eine erwachsene Person weiblichen Geschlechts“: Das ist die einzige Antwort, die die Kampagne „Was ist eine Frau?“ gelten lässt. Diese „simple Frage, deren Antwort viel über die Haltung eines Bewerbers für die Bundestagswahl 2025 aussagt“, soll möglichst allen Kandidierenden gestellt werden. Dafür bietet die Kampagnenseite Formbriefe, Flyer und weiteres Material an, um die in Frage kommende Personen anzuschreiben. Ihre Antworten werden auf der Seite gesammelt. Wer sich in einer differenzierten Antwort versucht, sticht als ideologischer Wirrkopf heraus – das ist Teil dieses rhetorischen Tricks. Kopf hinter der Kampagne ist die einschlägig bekannte Fundamentalfeministin Rona Duwe. Die kürzlich ins Leben gerufene Kampagne orientiert sich an der US-Rechten, die vor einigen Jahren mit entsprechendem Taschenspielertrick gegen Transgeschlechtlichkeit mobilmachte.
Aufbau von politischem Druck
Anlässlich der anstehenden Bundestagswahl soll Politiker und Politikerinnen die Frauen-Frage gestellt werden. „Wir fordern die jetzigen Bundestagsmitglieder und die sich voraussichtlich zur Wahl stellenden Kandidaten auf, diese wichtige Frage öffentlich zu beantworten“, heißt es in einer Pressemitteilung von „Was ist eine Frau?“. „Warum? Realitätsferne Identitätspolitik kostet Wählerstimmen und Frauen sind mit 52% die Mehrheit der Wähler in Deutschland. Wer nicht definieren kann, was eine Frau ist, ist auch in anderen Fragen nicht glaubwürdig.“ Das soll politischen Druck aufbauen. Aktivistin Rona Duwe steht seit ihrem Buch „Mutterwut Muttermut“ in der Kritik, transfeindlich zu sein. In der Tat kritisiert sie das Selbstbestimmungsgesetz. Sie bezeichnet Transgeschlechtlichkeit als „Kult“ und hebt immer wieder hervor, dass es ausschließlich zwei biologische Geschlechter gibt. Daran schließt die „Was ist eine Frau?“-Kampagne logisch an.
Die Frage, „What is a woman?“ stellt die US-Rechte seit einigen Jahren öffentlichkeitswirksam. Ein Fall ist besonders prominent: Vor zwei Jahren konfrontierte eine republikanische Senatorin mit der Frage „Wie lautet die Definition von Frau?“ die für den Supreme Court nominierte Richterin Ketanji Brown Jackson. Da diese die Antwort auf die „simple Frage“ mit Verweis auf den ihr unbekannten rechtlichen Kontext verweigerte, hatte die Senatorin, was sie brauchte: „Sie können so etwas Fundamentales wie das, was eine Frau ist, nicht beantworten!“ Peng. Die neue Waffe der US-Rechten wurde einmal mehr abgefeuert. Ihre Medien feierten. Diese Frauen-Frage wurde in jüngster Zeit immer wieder gestellt, um den liberalen politischen Gegner*innen zu diskreditieren. Und das wirkungsvoll: Die Frage scheint leicht zu beantworten zu sein und verbindet zusätzlich qua Bauchgefühl die Themen Kinder, Sex/Gender und sexuelle Frühaufklärung. Der US-Publizist Matt Walsh hat aus dieser Methode einen ganzen Dokumentarfilm gemacht: Mit „What is a woman?“ versuchte er 2022, die Fundamente der Queer- und Transbewegung zu erschüttern.
Rhetorischer Trick
Dahinter steckt ein argumentativer Trick. „Eine erwachsene Person weiblichen Geschlechts“ oder „Eine Frau ist ein erwachsenes menschliches Weibchen“ lauten die Antworten, mit denen die US-Rechten und auch Rona Duwe zufrieden sind. Natürlich erfüllt diese zirkuläre Aussage nicht die Bedingungen an eine Definition. Die Bedeutung von „weiblich/Weibchen“ wird hier ad hoc vorausgesetzt. Dass Bedeutung von Kontexten abhängt, ignoriert die Frage ebenfalls. Ein Apfel kann als Kernobstgewächs benannt werden, moralische Verführung, Lieblingsfrucht oder gefährliches Wurfgeschoss sein – je nachdem, ob man Biolog*innen, Geistliche, Kinder oder Staatsanwält*innen fragt. Das betrifft so ziemlich jeden Begriff, weshalb „Was ist?“-Fragen seit der Antike ganze philosophische Abhandlungen nach sich ziehen. Wenn man mal die Ebene des Bauchgefühls verlassen hat.
Das ist bei der Frage nach der Frau nicht anders. Nur blenden die Fragestellenden das mit ihrer einfachen Antwort aus, welche die intuitive, angeblich biologische Ebene bedient. Die Unterbestimmung von „weiblich“ (geht es um Gebärfähigkeit, Chromosomen, Optik, Selbstbestimmung, Charaktereigenschaften?) lässt dieser rhetorische Kniff außen vor. Auch, dass die meisten Menschen das Bild vom „erwachsenen Weibchen“ durch Sozialisation erlernt haben, übergeht der Taschenspielertrick. Angeblich berufen sich Duwe & Co. auf die Naturwissenschaft: Menschen wie sie oder Walsh inszenieren sich als Wahrheitssucher*innen. Sie haben Fakten, während die Liberalen, die Kämpfer für soziale Gerechtigkeit, die Linken und LGBT-Community immer nur „ihre“ Wahrheit haben, also ideologische Weltbilder verbreiten. Da könne sich ein biologischer Mann einfach als Frau ausgeben, sich jemand plötzlich entscheiden, gleichgeschlechtlich zu lieben.
Das komplexe Thema soll auf diese Weise weichgespült werden. Man soll sich überlegen fühlen können gegenüber jenen, die auf Komplexität hinweisen. An mit dem Thema Trans verbundene Debatten über Frauenschutzräume und den Zugang dazu, über die Teilnahme in Frauen- und Männerteams im Sport, um Pronomen und Rollenzuschreibungen etc., also an einer ernsthaften Diskussion, sind Rona Duwe und ihr Publikum gar nicht interessiert. Das zeigt sich auch in jenen Antworten, die nach der Standard-Floskel etwas ausführlicher werden. Bisher haben 52 Politiker und Politikerinnen die Frage online beantwortet. Dort schrieb beispielsweise Jörg Uhlig von der WerteUnion, eine Frau sei „kein Spielball von Ideologen, kein Objekt das sich von biologischen Männern in sportlichen Wettbewerben verprügeln oder sonst wie überflügeln lassen muss.“ Die ehemalige AfD-Politikerin Joana Cotar, die als Parteilose im Bundestag sitzt, antwortete (Rechtschreibung im Original): „Eine Frau ist eine erwachsene Person weiblichen Geschlechts.“ Und fügt, das Bauchgefühl stimulierend, hinzu: „Ein Frau hat zwei XX-Chromosomen. Man kann sich ‚„Frau-Sein‘“ nicht überziehen wie einen Mantel. Wir sind auch kein Spielball für den Fetisch einiger Kerle. Ein Mann mit Rock und Lippenstift bleibt ein Mann und hat weder etwas auf der Damen-Toilette noch im Frauen-Sport zu suchen.“