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Was früher „Ausländer raus“ war, ist heute pauschale Islamkritik

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Eine AfD-Fahne bei Pegida in dresden (Quelle: KA)

 

 

In Erfurt bemüht sich die Ahmadiyya-Gemeinde seit geraumer Zeit eine Moschee zu errichten, stößt dabei jedoch auf massiven Widerstand. Gegen den Bau in einem Gewerbegebiet hatte es seit Bekanntwerden der Baupläne im Mai 2016 Auseinandersetzungen gegeben. So wurden auf dem vorgesehenen Grundstück Teile von Tierkadavern abgelegt. Auf bis zu 1,5 Meter hohen Spießen wurden unter anderem ein halber Schweinekopf, Schweinepfoten und Innereien angebracht. In unmittelbarer Nähe errichtete eine Gruppe mit dem Namen „Bürger für Erfurt“ gemeinsam mit „Ein Prozent“ mehrere überdimensionale Holzkreuze. „Bürger für Erfurt“ wurde von der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag unterstützt. Der AfD-Politiker Björn Höcke soll im vergangenen Jahr den geplanten Bau des Gotteshauses als „Teil eines langfristigen Landnahmeprojekts“ bezeichnet haben.

Nicht nur die Ahmadiyya-Gemeinde erlebt immer wieder politisch motivierte Beleidigungen und Angriffe. Abgelegte Schweineköpfe vor Moscheen oder Kulturvereinen treten in jüngerer Vergangenheit immer wieder auf. Teilweise in Kombination mit Hakenkreuzen oder Schildern mit „Refugees not welcome“. Ob mit oder ohne Verweis ist die Botschaft klar: Man ist gegen den Islam.

Der von der AfD befeuerte antismuslimische Diskurs beinhaltet dabei klare rassistische Positionen. Geschürt wird die Angst vor „dem Islam“ zum einen durch eine Gleichsetzung von Muslimen mit Kämpfer_innen des sogenannten „Islamischen Staats“. Was einen falschen Vergleich darstellt, schließlich steht auch der Ku-Klux-Klan nicht stellvertretend für das Christentum. Yasemin Shooman, Leiterin der Akademieprogramme des jüdischen Museums in Berlin, meinte bei einem Fachgespräch am Donnerstag in der Hauptstadt, man müsse stärker zwischen legitimer und pauschaler Islamkritik differenzieren. Sie beobachtet, dass in den Medien und in der Gesellschaft häufig mit zweierlei Maß gemessen wird. So wird beispielsweise von Deutschen begangene Kriminalität in der Regel als Abweichung von der Norm dargestellt, während von Muslimen begangene Straftaten als Norm aufgeführt werden. Langfristig können Betroffene diese Zuschreibung auf sich selbst vornehmen. Studien aus den USA zeigen beispielsweise, dass die stereotype Darstellung des kriminellen Schwarzen in den Medien dazu geführt hat, dass selbst Afroamerikaner Schwarze als überproportional kriminell wahrnehmen.

Zum anderen wird die als real wahrgenommene Angst vor einer angeblichen „Islamisierung“ maßgeblich von der AfD befeuert und von anderen rechten Akteur_innen und hetzerischen Medien weiterverbreitet. Die Privilegien der weißen, in Deutschland geborenen, nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft beanspruchen Rassist_innen für sich als eine Art Naturrecht. Durch vermehrten Zuzug nach Deutschland – aus welchen Gründen auch immer – sehen sie sich bedroht.

Dabei beinhaltet die Erzählung der „Islamisierung“ wesentliche Teile  unterschiedlicher Verschwörungstheorien. So beispielsweise die eng miteinander verwobenen Erzählungen des „Geburtenjihads“ (findet sich im AfD-Wahlprogramm) und des „großen Bevölkerungsaustausches“  oder der „Umvolkung“, die besagen, dass die Stammbevölkerung durch Migrant_innen ausgetauscht werden soll. Dies Narrativ ist gepaart mit einem versteckten Antisemitismus.  Von Alice Weidel bis Björn Höcke reden und twittern AfD-Politiker_innen gerne über „Umvolkung“ und „Geburtenjihad“. Besorgniserregend ist, dass sich diese Begriffe mittlerweile in das rhetorische Arsenal von Teilen des Bürgertums eingeschlichen haben.

 

Wenig Kontakt zu Muslime führt zu einer real wahrgenommen Angst vor dem Islam

So werden bei empfangsbereiten Menschen Ängste geschürt. Die Mitte-Studie habe dabei interessanterweise gezeigt, dass die Ablehnung gegen Muslime dort besonders groß ist, wo kaum Muslime leben, so Yasemin Shooman. Das bedeutet, dass die Ablehnung gegen Menschen mit muslimischem Glauben nicht an die reale Präsenz von Muslimen gekoppelt ist. Shooman weist darauf hin, dass Kopftücher solange nicht als „Problem“ wahrgenommen wurden, solange die Frauen nur als Putzfrauen im Hintergrund auffielen. Erst mit dem Ankommen von Muslima in akademischen Berufen wurde das Thema auf die politische Agenda gehievt.

 

Menschenrechte werden instrumentalisiert, um Minderheiten auszugrenzen

Eine beliebte Strategie der AfD und von Neonazi-Netzwerken ist es, Menschenrechte zu instrumentalisieren, um Minderheiten auszugrenzen und zu delegitimieren. So versuchen AfD-Politiker_innen häufig mit muslimischem Antisemitismus, Sexismus und Homophobie zu beweisen, dass der Islam nicht zu Deutschland passe.

Im AfD-Wahlprogramm heißt es: „Minarett und Muezzin-Ruf stehen im Widerspruch zu einem toleranten Nebeneinander der Religionen, das die christlichen Kirchen, jüdischen Gemeinden und andere religiöse Gemeinschaften in der Moderne praktizieren.“ Doch dass sich gerade die AfD als Verfechter des jüdischen Lebens aufschwingen will, scheint wie blanker Hohn. Zur Strategie dieser Partei gehört es, den Antisemitismus latent und subtil zu verpacken. Wobei in keiner Weise der vorhandene Antisemitismus unter Muslimen relativiert werden soll. Yasemin Shooman meinte dazu am Donnerstag: „Ich kann nur vor pauschaler Verdächtigung von Muslimen warnen.“ Von importiertem Antisemitismus zu sprechen, komme einer Entlastung der eigenen  Bevölkerung gleich, dabei sei Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung nie weg gewesen.

Die AfD und der Antisemitismus 

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Die frühere Parole „Ausländer raus“ wurde abgelöst

Was in früheren Diskursen Türken, Araber und Schwarze waren, wird in der heutigen Debatte als Muslime zusammengefasst. Betroffen von antiislamischen-Haltungen sind in der Regel sichtbar praktizierende Muslime und Menschen, die aufgrund ihres Namens oder ihres Aussehens für solche gehalten werden. Wobei Geflüchtete in der AfD-Hetze (solange es in die Erzählung passt) pauschal dem Islam zugesprochen werden.

Björn Höcke beispielsweise vertritt eine rassistische Rassenideologie in der Europäer_innen als die besseren Menschen und Muslime oder Afrikaner_innen als Invasoren dargestellt werden. Die Abwertung von Menschengruppen aufgrund tatsächlicher oder fiktiver Merkmale, die dann in einem zweiten Schritt der rassistischen Argumentation begründet wird, durch vermeintlich naturwissenschaftlich gestützte Befunde und Erkenntnisse, ist purer Rassismus.

Daniel Legutke, Referent für Menschenrechte bei der „Deutschen Kommission Justitia et Pax“, einem zentralen Beratungsgremium der römisch-katholischen Kirche in Deutschland, ruft dazu auf, die AfD auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin „genau zu beobachten“. Sowohl im Grundsatz- als auch im Wahlprogramm der rechtspopulistischen Partei gebe es „hoch problematische“ Passagen, welche die Religionsfreiheit im Allgemeinen betreffe.

 

Wenn verbale Gewalt in physische umschlägt

In einer Studie unter dem Titel „Fanning the Flames of Hate: Social Media and Hate Crime“ der University of Warwick wurde die Verbindung von Hasskommentaren auf der Facebook-Seite der AfD und Übergriffen auf Geflüchtete in Deutschland analysiert. Das Ergebnis dieser Untersuchung zeigt eine starke Verbindung. Demnach finden Angriffe auf Geflüchtete gehäuft in den Wochen statt, in denen es auch mehr Hasskommentare über Flüchtlinge auf der AfD-Facebook-Seite gibt. Das heißt: Die Posts auf der AfD-Seite nehmen Einfluss auf die Wahrnehmung ihrer User_innen. Post zum Flüchtlingsthema auf den  Facebook-Seiten anderer großer Parteien haben keinen solchen Einfluss.

Wie wirksam das islamfeindliche Gift wirkt, das von der AfD verbreitet wird, zeigt auch ein gerade begonnener Prozess in Dresden. Ein 31-Jähriger ist dort wegen versuchten Mordes angeklagt. Laut Staatsanwaltschaft  hat er vor einer Moschee, in der der Imam mit Familie wohnte, drei Rohrbomben gezündet. Vorher war er als Redner bei  Pegida aufgetreten.

Was tun gegen Islamfeindlichkeit?

Yasemin Shooman meint wir müssen im Umgang mit der AfD die Debatte pro aktiv betreiben. Wir müssen selber Themen in der öffentlichen Debatte setzen und das Framing übernehmen. Demokratische Parteien müssen stärker Themen setzen und dürfen nicht länger der AfD hinterher hecheln. Und, vielleicht das wichtigste: Wir müssen die Rassismus-Debatte ausweiten, denn antimuslimischer Hass kommt zunehmend aus dem bürgerlichen Lager.

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