June Tomiak sitzt für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und ist Sprecherin für Jugend und Strategien gegen Rechtsextremismus. In dieser Funktion stellt sie hin und wieder Anfragen, oft zu Themen rund um rechtsextreme Umtriebe in Berlin. Das führt in der AfD-Fraktion offenbar zu einem „Aber, was ist mit den Linksextremen?? Denen zeigen wir’s jetzt aber mal so richtig!!!elf!“-Reflex. Das kann man jetzt auch in Schriftform nachvollziehen.
Tomiak stellt im März eine Anfrage zum Thema „Rechtsextremismus an Berliner Schulen 2016“ an den Berliner Senat. Sie will unter anderem wissen, ob das Themenfeld Rechtsextremismus in der Lehrkräfteausbildung eine Rolle spielt, ob es Weiterbildungen zum Thema gibt, wie Schüler_innen für das Thema sensibilisiert werden oder ob es Anlaufstellen für Betroffene gibt.
Die Fragen könnte man jetzt einfach zur Kenntnis nehmen und die Antwort des Senats lesen. Außer man ist Ronald Gläser, Landespressesprecher der AfD Berlin und seit Oktober 2016 ebenfalls Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Gläser stellt etwa einen Monat nach Tomiak ebenfalls eine Anfrage. Thema: „Linksextremismus an Berliner Schulen 2016„. Klingt ähnlich? Aber schauen wir uns doch einfach mal die einzelnen Fragen an:
Frage 1
June Tomiak
„In welchem Rahmen ist die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus Teil des Lehrercurriculums im Land Berlin? (Bitte Material und Schultyp ausweisen)
a) Welche themenspezifischen Inhalte sind Teil des Lehrplanes?
b) Wie werden Lehrkräfte für rechtsextreme Äußerungen und den Umgang damit sensibilisiert?
c) In welchem Turnus wird auf neue Entwicklungen innerhalb der Szene eingegangen?“
Ronald Gläser
„In welchem Rahmen ist die Auseinandersetzung mit Linksextremismus Teil des Lehrercurriculums im Land Berlin? (Bitte Material und Schultyp ausweisen)
a) Welche Inhalte sind Teil des Lehrplanes?
b) Wie werden Lehrer für linksextreme Äußerungen und den Umgang damit sensibilisiert?
c) In welchem Turnus wird auf neue Entwicklungen innerhalb der Szene eingegangen?“
Eigenleistung Gläser:
– Die Worte „Rechtsextremismus“ und „rechtsextreme“ durch die Worte „Linksextremismus“ und „linksextreme“ ersetzt.
– Das Wort „Lehrkräfte“ durch das Wort „Lehrer“ ersetzt (weil: Genderismus!).
Frage 2
June Tomiak
„Gibt es Fort- oder Weiterbildungen für Lehrpersonal zum Themenkomplex Rechtsextremismus? (Bitte aufschlüsseln nach Art, Titel und Höhe der Selbstbeteiligung)
a) Welche dieser Angebote sind verpflichtend, welche freiwillig?
b) In welcher Höhe werden diese Angebote vom Land Berlin gefördert?
c) Wie viele Teilnehmende konnten die Kurse 2016 im Einzelnen verzeichnen?
d) Bitte ferner aufschlüsseln nach Berufsfeld (Lehrer*in, Erzieher*in, Sozialarbeiter*in…)“
Ronald Gläser
„Gibt es Fort- oder Weiterbildungen für Lehrpersonal zum Themenkomplex Linksextremismus? (Bitte aufschlüsseln nach Art, Titel und Höhe der Selbstbeteiligung)
a) Welche dieser Angebote sind verpflichtend, welche freiwillig?
b) In welcher Höhe werden diese Angebote vom Land Berlin gefördert?
c) Wie viele Teilnehmer konnten die Kurse 2016 verzeichnen?
d) Bitte ferner aufschlüsseln nach Berufsfeld (Lehrer, Erzieher, Sozialarbeiter u.a.)“
Eigenleistung Gläser:
– Das Wort „Rechtsextremismus“ durch das Wort „Linksextremismus“ ersetzt.
– Die Worte „Lehrer*in“ , „Erzieher*in“, „Sozialarbeiter*in“ durch die Worte „Lehrer“, „Erzieher“, „Sozialarbeiter“ (weil: s.o.)
Frage 3
June Tomiak
„Erachtet es der Senat als gewährleistet, dass jede*r Berliner Schüler*in vor dem Verlassen der Schule zum Themenfeld Rechtsextremismus und zu neuen Entwicklungen der rechtsextremen Szene (Strategie, Musikszene, Symbole, Organisationen wie z.B. die ‚Identitäre Bewegung‘) sensibilisiert wird? Wenn ja, wie umfassend, wenn nein, warum nicht?“
Ronald Gläser
„Erachtet es der Senat als gewährleistet, dass jeder Berliner Schüler vor dem Verlassen der Schule zum Themenfeld Linksextremismus und zu neuen Entwicklungen der linksextremen Szene (Strategie, Musikszene, Symbole, Organisationen wie z.B. G-20 Gegner u.a.) sensibilisiert wird? Wenn ja, wie umfassend, wenn nein, warum nicht?“
Eigenleistung Gläser:
– Die Worte „jede*r“ und „Schüler*in“ durch die Worte „jeder“ und „Schüler“ ersetzt (s.o.)
– Die Worte „Rechstextremismus“ und „rechtsextremen“ durch die Worte „Linksextremismus“ und „linksextremen“ ersetzt.
– „Identitäre Bewegung“ durch „G-20 Gegner u.a.“ ersetzt.
Frage 4
June Tomiak
„Erachtet es der Senat als gewährleistet, dass das Berliner Lehrpersonal hinreichend ausgebildet ist, rechtsextreme Ausfälle oder Gewalttaten an Schulen zu verhindern?“
Ronald Gläser
„Erachtet es der Senat als gewährleistet, dass Berliner Lehrer hinreichend ausgebildet ist, linksextreme Ausfälle oder Gewalttaten an Schulen zu verhindern?“
Eigenleistung Gläser:
– Das Wort „rechtsextreme“ durch das Wort „linksextreme“ ersetzt.
Frage 5
June Tomiak
„Wie viele Vorfälle mit rechtsextremistischem Hintergrund an Berliner Schulen sind dem Senat für das Jahr 2016 bekannt? Bitte aufschlüsseln nach Bezirk, Schule, Datum, Tathergang, Deliktart (Propagandadelikt, Gewaltdelikt, Hasskriminalität Internet etc.), ferner bitte Zahl der Täter und Opfer für die spezifischen Fälle ausweisen.
a) In wie vielen Fällen zogen diese Vorfälle schuldisziplinarische Verfahren nach sich?
b) In wie vielen Fällen zogen diese Vorfälle Ermittlungen von Polizei/Staatsschutz nach sich?“
Ronald Gläser
„Wie viele Vorfälle mit linksextremistischem Hintergrund an Berliner Schulen sind dem Senat für das Jahr 2016 bekannt? Bitte aufschlüsseln nach Bezirk, Schule, Datum, Tathergang, Deliktart (Propagandadelikt, Gewaltdelikt, Hasskriminalität Internet etc.), ferner bitte Zahl der Täter und Opfer für die spezifischen Fälle ausweisen.
a) In wie vielen Fällen zogen diese Vorfälle schuldisziplinarische Verfahren nach sich?
b) In wie vielen Fällen zogen diese Vorfälle Ermittlungen von Polizei/Staatsschutz nach sich?“
Eigenleistung Gläser:
– Das Wort „rechtsextremistischem“ durch das Wort „linksextremistischem“ ersetzt
Frage 6
June Tomiak
„Welche Anlauf- und Beratungsstellen für von rechtsextremen Übergriffen betroffene Schüler*innen gibt es?
a) Wie viele betroffene Kinder und Jugendliche werden von diesen Angeboten erreicht?
b) Fördert das Land Berlin diese Anlaufstellen? Wenn ja, in welcher Höhe? Bitte aufschlüsseln.“
Ronald Gläser
„Welche Anlauf- und Beratungsstellen für von linksextremen Übergriffen betroffene Schüler gibt es?
a) Wie viele betroffene Kinder und Jugendliche werden von diesen Angeboten erreicht?
b) Fördert das Land Berlin diese Anlaufstellen? Wenn ja, in welcher Höhe? Bitte aufschlüsseln.“
Eigenleistung Gläser:
– Die Worte „rechtsextremen“ und “ Schüler*innen“ durch die Worte „linksextremen“ und „Schüler“ ersetzt
Frage 7
June Tomiak
„Haben Schulen oder andere Einrichtungen Bedarf nach weiteren Angeboten an die Senatsverwaltung herangetragen? Wenn ja: welche Anliegen hatten die Einrichtungen? Welche Angebote hat die Senatsverwaltung den Schulen gemacht?“
Ronald Gläser
„Haben Schulen oder andere Einrichtungen Bedarf nach weiteren Angeboten an die Senatsverwaltung herangetragen? Wenn ja: welche Anliegen hatten die Einrichtungen? Welche Angebote hat die Senatsverwaltung den Schulen gemacht?“
Eigenleistung Gläser:
Keine.
Frage 8
June Tomiak
„Welche Maßnahmen der Jugendbildung im Themenbereich Rechtsextremismus werden vom Land Berlin angeboten oder gefördert? In welcher Höhe?
a) Welche Ausbildung und Hilfestellungen erhalten Pädagog*Innen für den Umgang mit rechtsextremen Kindern, Jugendlichen und Eltern?
b) Welche Hilfestellungen erhalten Kinder und Jugendliche für den Umgang mit rechtsextremen Eltern und/oder Erziehungsberechtigten?
c) Welche Hilfestellungen erhalten Eltern und/oder Erziehungsberechtigte für den Umgang mit rechtsextremen Kindern und Jugendlichen?
d) Gibt es diese Materialien/Angebote auch in anderen Sprachen als Deutsch? Wenn ja, in welchen, wenn nein, warum sah der Senat in einer multilingualen Stadt wie Berlin dafür bislang keine Notwendigkeit?“
Ronald Gläser
„Welche Maßnahmen der Jugendbildung im Themenbereich Linksextremismus werden vom Land Berlin angeboten oder gefördert? In welcher Höhe?
a) Welche Ausbildung und Hilfestellungen erhalten Pädagogen für den Umgang mit linksextremen Kindern, Jugendlichen und Eltern?
b) Welche Hilfestellungen erhalten Kinder und Jugendliche für den Umgang mit linksextremen Eltern und/oder Erziehungsberechtigten?
c) Welche Hilfestellungen erhalten Eltern und/oder Erziehungsberechtigte für den Umgang mit linksextremen Kindern und Jugendlichen?
d) Gibt es diese Materialien/Angebote auch in anderen Sprachen als Deutsch? Wenn ja, in welchen, wenn nein, warum sah der Senat in einer multilingualen Stadt wie Berlin dafür bislang keine Notwendigkeit?“
Eigenleistung Gläser:
– Die Wörter „Rechtsextremismus“,“ Pädagog*Innen“ und „rechtsextremen“ durch die Wörter „Linksextremismus“, “ Pädagogen“ und “ linksextremen“ ersetzt
Frage 9
June Tomiak
„Hat der Senat Kenntnis darüber, wie viele Berliner Kinder und Jugendliche an Veranstaltungen rechtsextremer Jugendverbände oder -gruppen, Vereine oder Organisationen teilnehmen (bitte aufschlüsseln) und lassen sich örtliche Schwerpunkte der Aktivitäten beobachten?“
Ronald Gläser
„Hat der Senat Kenntnis darüber, wie viele Berliner Kinder und Jugendliche an Veranstaltungen linksextremer Jugendverbände oder -gruppen, Vereine oder Organisationen teilnehmen (bitte aufschlüsseln) und lassen sich örtliche Schwerpunkte der Aktivitäten beobachten?“
Eigenleistung Gläser:
– Das Wort „rechtsextremer“ durch das Wort „linksextremer“ ersetzt
Frage 10
June Tomiak
„In welchem Altersbereich liegt nach Kenntnis des Senats das durchschnittliche Einstiegsalter in die rechte Szene in Berlin?“
Ronald Gläser
„In welchem Altersbereich liegt nach Kenntnis des Senats das durchschnittliche Einstiegsalter in die linke Szene in Berlin?“
Eigenleistung Gläser:
– Das Wort „rechte“ durch das Wort „linke“ ersetzt
Wenn man die Fragen der beiden Abgeordneten gegenüberstellt, wird relativ klar, dass es dem AfD-Vertreter weniger um einen Erkenntnisgewinn in Sachen Linksextremismus an Berliner Schulen geht. Einerseits wird Rechtsextremismus so verharmlost und andererseits einfach nur Trolling betrieben. Gegenüber Leuten wie June Tomiak, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzt, gegenüber der Senatsverwaltung, die Zeit und Geld dafür investieren muss, sinnlose Anfragen zu beantworten und nicht zuletzt gegenüber den eigenen Wählern, die von Leuten wie Ronald Gläser mehr erwartet haben, als per „Suchen und Ersetzen“ Politik zu machen.
Das scheint für Gläser allerdings die Lieblingsstrategie zu sein, denn es ist nicht das einzige Mal, dass er einfach eine Anfrage kopiert. Bei der B.Z. kann man nachlesen, wie er eine Anfrage zu rechtsextremen Straftaten mit der gleichen Methode übernommen hat.
Titelbild oben: Wikimedia / abghs / CC BY-SA 4.0