Gastbeitrag: Dieser Text erschien am 5. Februar bei Runter von der Matte – Kein Handshake mit Nazis
Warum wir Sport als politischen Raum begreifen, und warum es nicht cool ist, eben Neonazis und andere Menschenfeinde bei sich trainieren zu lassen, haben wir bereits in Interviews mit AIB, Lotta und Vice Magazin erklärt.
Im Folgenden haben wir aus unseren Erfahrungen und Wissen grundlegende Argumentationen zusammengestellt, die euch in der Diskussion, warum rechte Inhalte auf Kampfsportveranstaltungen oder im Gym nichts zu suchen haben, unterstützen können. Außerdem haben wir anhand Beispielsituationen Vorschläge herausgearbeitet, wie es möglich ist, als Trainingsteilnehmer*in oder Trainer*in darauf zu reagieren, wenn rassistische und rechte Inhalte im Gym auftreten. Wir freuen uns aber auch über euer Feedback, um diese „Guidelines“ mit euren Erfahrungen zu vervollständigen.
Falls ihr eine Kampfsportveranstaltung plant, haben wir zum Schluss ein paar Vorschläge zusammengestellt, wie ihr verhindern könnt, dass Neonazis dort im Ring oder Publikum auftreten.
Warum Neonazis in Eurem Gym nicht trainieren sollten- ein paar grundlegende Argumentationshilfen:
1. Es kann bereits diskriminierte Menschen ausschließen.
Euer Training kann Menschen ausschließen, die bereits rassistisch oder anderweitig diskriminiert wurden oder potentiell diskriminiert werden. Besonders dann, wenn Mittrainierende als Neonazis und Rassist*innen erkennbar sind. Ein Trainingsraum sollte auch ein Schutzraum für alle Teilnehmer*innen sein – Konflikte und Stress von Außen sollten wenig Platz darin haben. Dennoch dürfen bestimmte Fakten auch nicht unterdrückt werden. Wenn schon klar ist, dass eben Personen diesen Raum teilen, die andere diskriminieren, sollte eingeschritten werden und das offen thematisiert werden. Das ist kein persönliches Problem von irgendwelchen Teilnehmer*innen, das ist eine wichtige gesellschafts- und sportpolitische Intervention und wird nachhaltig Konsequenzen für das Gym und das Standing eurer Trainingsstätte haben.
Wenn sich rumspricht, dass in eurem Gym offen Neonazis und Rassist*innen trainieren können, werden gewisse Leute wegbleiben und andere werden sich eben genau diese Räume suchen.
2. Sport ist nicht unpolitisch
Sicherlich steht im Training die sportliche Betätigung im Zentrum, dennoch ist Sport nicht frei von rassistischen oder sexistischen Bildern, die sich beispielsweise in der Vorstellung von Leistung widerspiegeln. Die Sportgemeinschaft ist Teil der Gesellschaft, in der Diskriminierung stattfindet, somit auch ein Ort, an dem diskriminierende Strukturen reproduziert und gefestigt werden können, wenn man ihnen den Raum dazu lässt. Ob diese unterdrückenden Strukturen dann im Gym zentral stehen oder nicht, sichtbar sind oder nicht, ist eine andere Fragestellung.
Die Losung „gesunder Geist im gesunden Körper“, welche schon im historischen Nationalsozialismus verklärt wurde, um „körperlich schwache Menschen“ auszuwählen, lässt sich erneut in der rechten Szene finden. Ähnlich wie im „Dritten Reich“ stellt man Bezüge zu völkisch-rassistischen Vorstellungen von Körper, Gesundheit und Gemeinschaft her. Besonders die Gemeinschaft und der Gemeinschaftsgedanke — trotz dessen, dass MMA und Kickboxen als Individualsportarten gelten — sind wichtig, um ein geschlossenes Auftreten im Gym und auf Veranstaltungen vermitteln zu können.
Es ist wichtig zu begreifen, dass die Trainingsmatte immer auch einen politischen Ort darstellt, den Neonazis und Rassist*innen im Sinne ihres „Selektionsgedankens“ interpretieren. Diskriminierende Strukturen festigen sich, ohne diese aussprechen zu müssen. Die Trainingsmatte ist daher keinesfalls ein Ort, an dem diese Strukturen durch eine vermeintlich „unpolitische“ Zuschreibung aufgelöst werden – denn Neonazis und Rassist*innen bleiben auch auf der Matte Neonazis und Rassist*innen!
3. Das Wissen, das sich Neonazis im Gym aneignen, verwenden sie für eigene politische Zwecke
Es geht nämlich nicht um den Wettkampf, sondern um den Ausbau einer „Wehrhaftigkeit“. Mit „Wehrhaftigkeit“ meinen Neonazis nicht nur die Fähigkeit, sich im Schlagabtausch wehren zu können, sondern beziehen sich in ihrer Vorstellung auf den (gewaltvollen) „Schutz“ und die (gewaltvolle) „Verteidigung“, und meinen damit die (gewaltvolle) Durchsetzung von „Rasse, Volk und Heimat“. So wird der Begriff häufig für die (Re-)Konstruktion eines regressiven Männlichkeitsideals verwendet und dient der Abgrenzung zu einer vermeintlich durch „Multi-Kulti“ und „Genderwahn“ verweichlichten Gesellschaft. Diese selbst ernannte „Verteidigung“ ist vor allem mit einem Überlegenheitsgefühl verbunden, und wird beispielsweise mit der Demonstration von Kampfsport-Skills ausgedrückt. Diese Kampf- und Verteidigungsfähigkeiten eignen sich Neonazis u.a. durch die Expertise aus den Kampfsportgyms an. Trainierenden und kämpfenden Neonazis geht es daher nicht darum, sich für den nächsten sportlichen Wettkampf fit zu machen, sondern um die Verknüpfung einer nationalistischen, menschenfeindlichen Ideologie, die gegenüber vermeintlich „schwachen Personen“ (die nicht in das Weltbild passen) Stärke demonstriert und diese unterdrücken will.
4. Durch die stille Akzeptanz von Neonazis im Gym, werden für sie Trainingsräume und Vernetzungsmöglichkeiten in der Breite ermöglicht
Eine Akzeptanz fördert die Normalität, mit Neonazis zu kämpfen und zu trainieren. So zu tun, als gäbe es diese Leute nicht, ist auf Dauer irreführend. Man unterstützt sie in ihren Trainingsabläufen, bietet ihnen eine Möglichkeit zu kämpfen und sponsert sie in gewisser Weise mit der eigenen Expertise. Dieses Wissen verläuft wiederum in eigene rechte Kampfsportstrukturen, wie anhand rechter Kampfsportveranstaltungen wie dem „Kampf der Nibelungen“ erkennbar ist.
5. Wenn Neonazis für das Gym kämpfen, bietet man ihnen eine Bühne
Das bedeutet auch, ihnen ein Rekrutierungsfeld zu überlassen. Denn durch sportliche Ästhetik lassen sich heutzutage immer mehr junge Menschen mitreißen als etwa von rechten Konzerten. Schauen wir uns etwa die Zahlen der Teilnehmer_innen extrem rechter Kampfsportverantstaltungen an, sehen wir bestätigt, dass Kampf-und Kraftsport aus der Neonaziszene nicht mehr wegzudenken ist. Im Gegensatz zu rechten Konzerten sind Sportveranstaltungen mainstreamtauglich und wirken auch innerhalb der Szene elitär. Das Rekrutierungsfeld ist somit breiter, denn es spricht ganz andere gesellschaftliche Zusammenhänge an, als etwa Neonazi-Konzerte. Die Ästhetik des „kampferprobten und trainierten“ Neonazis ist auch außerhalb explizit rechter Veranstaltungen anschlussfähig.
6. Der Kauf von Neonazi-Kleidung fördert rechte Kampfsportstrukturen und unterstützt die Marktfähigkeit
Marken treten auch als Sponsoren auf. In Hinblick auf Neonazi-Labels, die Wettkampfsport und rechte Inhalte miteinander verbinden, darf auch nicht vergessen werden, dass die Duldung dieser eine stille Akzeptanz von Neonazis im Sport schafft. Dadurch öffnet man ihnen die Möglichkeit sich auf dem Markt zu etablieren und Gelder aus der Vermarktung in eigene Veranstaltungen fließen zu lassen.
Nun kommen wir zu einigen exemplarischen Beispielen:
Ihr trainiert seit mehreren Jahren in eurem Gym und wohnt vielleicht nicht in der Großstadt, in der ihr euch aussuchen könnt, wo ihr trainiert. Ihr wollt das Gym nicht verlassen und auch nicht denen überlassen, die durch rassistische, menschenfeindliche Sprüche oder neonazistische Ideologie auffallen. Was ihr machen könntet, soll im Folgenden anhand ein paar beispielhafter Situationen beschrieben werden.
Situation: Beim gemeinsamen Training entdeckt ihr, dass einer der Teilnehmer*innen offen Neonazi-Symbole zeigt- als Tattoo oder auf der Kleidung
Möglichkeiten:
Ihr fragt die Person, wie sie das meint, warum sie die Symboliken trägt. Ihr informiert eure*n Coach*in, ob ihm*ihr das schon aufgefallen ist, und dass ihr das gar nicht gut findet. An diesem Punkt könnte es z.B. wichtig sein zu erklären, warum es nicht geht, dass Neonazis und Rassistinnen mit euch trainieren. Ihr zählt die oben genannten Gründe auf.
Als weitere Strategie wäre es gut, sich Verbündete aus dem Training zu holen, das zu thematisieren und gemeinsam das Gespräch mit dem*der Trainer*in und der Person um die es geht, zu suchen, falls Unverständnis besteht.
Argumentation: „Ich war früher mal Nazi. Bin aber keiner mehr. Das Tattoo ist ne Jugendsünde.“
Ein Ausstieg aus der Neonaziszene ist nicht einfach damit getan, nicht mehr dabei zu sein. Rechte Positionen, die die Person verinnerlicht hat, und sogar bereit war, sich diese auf die Haut verewigen zu lassen, können weiterhin vorhanden sein.
Wenn die Person einen ernsthaften Ausstieg hinter sich hat, sollten solche Tattoos erkennbar unangenehm sein. Im Gespräch werdet ihr schnell merken, ob es jemand ernst meint oder ob es nur eine Ausrede ist um sich dem Gespräch zu entziehen. Wenn ein Ausstieg erst kürzlich erfolgte kann die Person an staatliche und nicht-staatliche Ansprechpartner*innen verwiesen werden, die einen solchen Ausstieg begleiten und Lösungen bieten, wie man auch rechte Tattoos los wird.
Argumentation: „Ich lasse die Neonazis lieber bei mir trainieren, als dass sie auf der Straße Quatsch machen.“
Wie wir in unseren Rechercheartikeln mehrfach dargelegt haben, bleibt es nun mal nicht dabei, dass Neonazis nur im Gym trainieren, und dann keine Zeit mehr haben ihre Gewalt auf der Straße auszuleben. Den Sinn sehen einige Neonazis eben darin, sich Skills von der Matte für die Straße anzueignen und Menschen zu unterdrücken.
Auch wenn ihr Neonazis erkennt, ohne das eindeutige Symbole gezeigt werden, sondern da der rechte Backround allgemein bekannt ist, ist es wichtig Stellung zu beziehen. In einer solchen Situation gilt noch stärker, Neonazis und Rassist*innen aus zu grenzen, da sie eventuell bewusst euer Gym unterwandern und das Wissen von der Matte ausnutzen wollen.
Situation: Personen aus dem Gym machen rassistische Sprüche, oder verbreiten Inhalte, die man vom PEGIDA und Co. kennt
Erstmal runter von der Matte, ansprechen und aufklären.
Zu diesem Thema gibt es bereits viele gute Handreichungen und Argumentationshilfen, wie beispielsweise in der Linksammlung der Kampagne Aufstehen gegen Rassismus.
Fragt nochmal genauer, woher die Person das Wissen hat und was dahinter steckt. Recherchiert zusammen und widerlegt diese Argumentationen. Vor allem populäre Themen wie die „drohende Islamisierung des Abendlandes“ oder plumpe rassistische Vorurteile sind schnell und einfach zu entkräftigen.
Dass Neonazis in eurem Gym trainieren (wollen), sollte nicht euer persönliches Problem sein, sondern das Problem der Trainingsgruppe oder des gesamten Gyms. Daher Verbündete suchen, ansprechen, runter von der Matte!
Wenn Neonazis auf euren Kampfsportveranstaltungen kämpfen wollen…
Im Folgenden haben wir aus unseren Erfahrungen und Wissen ein paar grundlegende Schritte zusammengeschrieben, wie ihr vermeiden könnt, dass bei eurer nächsten Kampfsportveranstaltung unwissentlich Neonazis kämpfen oder im Publikum auftreten.
Falls ihr noch andere Vorschläge und Erfahrungen teilen wollt und könnt, dann schickt uns euer Feedback an runtervondermatte @ riseup. net
1. Klare Positionierung auf der eigenen Internetseite/ in sozialen Netzwerken: „Rassismus und Neonazis haben bei uns keinen Platz – weder im Gym noch auf unseren Veranstaltungen“.
Das lohnt sich und erspart Euch bei Rausschmissen unnötige Diskussionen, da Ihr Euch mit Eurer Positionierung auch auf das Hausrecht berufen könnt.
2. Die eigene Fightcard checken: Es erspart schon einigen Stress und lohnt sich, vorher mal die eingeladenen Kämpfer*innen und ihre Facebookseiten gegenzuchecken, ob diese nicht doch rassistische und neonazistische Inhalte teilen. Auch lohnt sich, die Sponsoren der Kämpfer*innen näher anzuschauen, da diese auch zu einem rechten Umfeld gehören können. Im Zweifel könnt ihr euch auf unserer Internetseite „Runter von der Matte“ über rechte Kampfsportlabels informieren, und uns bei weiteren Fragen gegebenenfalls anschreiben.
3. Positionierung per Zettel: Auf eurer Veranstaltung (oder in eurem Gym) auch nochmal einen Zettel mit Eurer Positionierung aushängen – dass Personen, die mit neonazistischen und rassistischen Inhalten auftreten, von der Veranstaltung verwiesen werden. Nicht alle lesen Internetseiten/soziale Netzwerken, daher ist es ratsam, eure Message auch nochmal ausgedruckt auf der Veranstaltung auszuhängen.
4. „Runter von der Matte“–Plakat aufhängen. Auf diesem sind alle wichtigen und geläufigen Marken aufgeführt und können als Argumentationslinie dienen, warum die eine oder andere Marke eine Neonazi-Marke ist. Außerdem kann es für die Zuschauer*innen ein informativer Pausenvertreib sein.
Es kann natürlich sein, dass wir gewisse Perspektiven von Gymbetreiber*innen und Trainer*innen und Teilnehmer*innen in dieser Skizze von Guidelines überhaupt nicht beachtet haben. Das ist uns bewusst, da wir auch nicht alle Perspektiven mit dem Umgang kennen. Wir freuen uns dahingehend auf weiteres Wissen, Feedback und Vorschläge.
Ansonsten ist es grundsätzlich gut, wenn sich euer Gym klar gegen jegliche Form von Diskriminierung positioniert. Das spricht respektvolle Leute an, und andere haben keine Lust dort zu trainieren. Um euch zu positionieren könnt ihr auch gern unser Logo verwenden und etwa auf eure Web-Präsenz packen.
Schickt uns gerne eure Erfahrungen und euer Feedback an runtervondermatte @ riseup . net