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Was wollen eigentlich Reichsbürger/innen?

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Übel: "Reichsbürger" lehnen nicht nur die deutschen Gerichte ab: Ihr ausgedachter Gerichtshof stellt vermeintliche Gegner*innen - vor allem Beamt*innen - mit ausgeschriebenem Kopfgeld ins Internet. (Quelle: Screenshot)

Woher kommt das? Der Ursprung der Reichsideologie

Mit absoluter Gewissheit lässt sich nicht sagen, wann zum ersten Mal behauptet wurde, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht existieren würde. Der Szenekenner Andreas Vorrath wie auch das Brandenburgische Landesamt für Verfassungsschutz gehen davon aus, dass die Ideologie genau so alt ist wie die Bundesrepublik selbst. Wissenschaftliche Untersuchungen fehlen bisher. Im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2012 benennt das Landesamt bereits im Parteiprogramm der 1952 verbotenen Sozialistischen Reichspartei den Bezug auf die Fortexistenz des Deutschen Reiches. Beobachter/innen der Szene nehmen an, dass der Grundstein für die aktuellen reichsideologischen Argumentationsmuster in den 1980er Jahren gelegt wurde. Viele Gruppierungen beziehen sich auf eine Art „ursprüngliche“ Reichsregierung oder haben Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern und Abweichler/innen, die mit ihren Ursprungsorganisationen verfeindet sind. Einige der inzwischen unzähligen „Reichsregierungen“ sind Spaltprodukte der „Kommissarischen Reichsregierung“. Viele Argumentationen und Verhaltensweisen stammen von diesen „Pionieren“ und werden in der ganzen Szene benutzt.

Die „Kommissarische Reichsregierung“ (KRR)

Die erste „kommissarische Regierung des Deutschen Reiches“ (KRR) wurde von dem Berliner Wolfgang Gerhard Günter Ebel (*1939) im Jahr 1985 gegründet. Er arbeitete von 1965 bis 1980 bei der „Deutschen Reichsbahn“ der DDR. Die besondere Rolle dieses DDR-Staatsunternehmens hatte großen Einfluss auf die Vorstellungen Ebels, dass das Deutsche Reich nicht untergegangen sei, sondern weiterhin existiere. Nach einem Streik der Reichsbahner 1980, in dessen Folge auch Ebel entlassen wurde, will er von einem Beauftragten der US-Regierung von den wirklichen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erfahren haben: Demnach herrschten weiterhin die Alliierten über Deutschland, die Bundesrepublik Deutschland sei illegal.

Aus der Anstellung bei der „Deutschen Reichsbahn“ leitete Wolfgang G. G. Ebel bereits bis 1985 eine Stellung als Staatsbeamter des Deutschen Reichs auf Lebenszeit ab. Mit der Zeit kamen viele weitere Ämter hinzu. Diese soll er zumeist an besonders geschichtsträchtigen Daten der deutschen Geschichte – etwa dem Jahrestag der Auflösung Preußens durch die Alliierten – empfangen haben. Teilweise sind die Angaben zu den Ereignissen widersprüchlich.

Im Laufe der Jahre baute sich Ebel einen Kreis Gleichgesinnter auf, denen er seine ganz persönliche Auslegung juristischer Dokumente lehrte und an deren Spitze er sich als „Reichskanzler“ inszenierte. Gegenüber dem taz-Journalisten Philipp Gessler bezifferte die „Kommissarische Reichsregierung“ im Jahr 2000 ihr näheres Umfeld auf mehr als 100 Menschen. Anhänger/innen der KRR waren im Jahr 2009 auch am brandenburgischen „Fürstentum Germania“ beteiligt.

Auch nach einem Schlaganfall im Jahr 2013 ist Wolfgang G. G. Ebel weiterhin als „Reichskanzler“ tätig. Auf der Homepage seiner „Reichsregierung“ wurde im Jahr 2013 eine „Sondermarke“ veröffentlicht. Auf ihr wird behauptet, Ebel sei seit 1980 „unermüdlich für das Deutsch Volk tätig“.

Rechtsextreme Ideologie

Nun mag es den Menschen belassen sein, Fantasieregierungen zu bilden und im eigenen Wohnzimmer munter zu regieren. Doch hinter diesem Treiben steckt mehr als privates Vergnügen. Was ist also rechtsextrem an den Vorstellungen, dass das Deutsche Reich weiterhin bestehen würde?

Zunächst einmal äußert sich Ebel ablehnend gegenüber dem Nationalsozialismus und seiner Führungsriege. In der Tradition Hitlers will er sich nicht sehen. Dennoch lassen sich in den Handlungen und Forderungen der Mitglieder der KRR Versatzstücke rechtsextremer Ideologie nachweisen. So fordert die KRR ein „2tes Deutsches Reich“ in den Grenzen vom 31. Dezember 1937. Dies verletzt ganz klar die Oder-Neiße-Linie, welche als feste Grenze zwischen Deutschland und Polen nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Fall der Berliner Mauer vereinbart worden war. Diese geschichtsrevisionistischen Forderungen untermalt der „Reichskanzler“ auch gern mit antisemitisch konnotierten Verschwörungsideen. So behauptet er 2011 in einem Interview mit dem Reichsideologen Johannes „Jo“ Conrad Helmut Kohl sei Freimaurer und jüdischen Glaubens.

Juristisch ist Wolfgang G. G. Ebel nur schwer beizukommen. Wie die taz im Jahr 2000 schreibt, gilt Ebel als schuldunfähig. Auch der brandenburgische Verfassungsschutzbericht des Jahres 2012 weist auf diesen Umstand hin. Gemäß dem §20 des Strafgesetzbuches „Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen“ bedeutet dies, dass Ebel auf Grund seiner Vorstellungen über das Deutsche Reich und seine Reichskanzlerschaft nicht schuldfähig handelt. Ein entsprechendes Gutachten soll nach Ebels Angaben bereits im Jahr 1987 erfolgt, 2004 allerdings aufgehoben worden sein. Die Schuldunfähigkeit Ebels hat in der Vergangenheit in beide Richtungen gewirkt. Zum einen diente sie seiner KRR als Propaganda für die Behauptung: Gerichte der Bundesrepublik Deutschland könnten dem „Reichskanzler“ nichts anhaben. Dissident/innen nutzten die Schuldunfähigkeit dagegen, um die KRR zu diskreditieren.

Das Landesamt für Verfassungsschutz Niedersachsen bezeichnet Wolfgang G. G. Ebel im seinem Bericht aus dem Jahr 2005 als „Berliner Rechtsextremisten“.

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