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Weda Elysia Völkische Siedler und ein verstummtes Dorf

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Wienrode, ein idyllisches Dorf im Harz, wurde von Anastasia-Anhänger*innen als Siedlungsort auserkoren. (Quelle: Wikimedia / Dguendel / CC BY 3.0)

 

Wienrode ist ein idyllisches Dorf im Harz – 900 Einwohner*innen leben hier. 2018 kauft eine Gruppe namens Weda Elysia den ehemaligen Gasthof in der Mitte des Ortes und kündigt an, das Gebäude zu renovieren. Ein Kultur- und Begegnungszentrum soll darin entstehen. Doch schnell wird deutlich: Bei Weda Elysia handelt es sich um völkische Siedler*innen, die dem esoterischen Anastasia-Kult anhängen.

In einer Reportage ein Jahr nach dem Kauf zeigt der rbb die rechtsextreme Vernetzung der Gruppe und spricht mit Nachbar*innen aus dem Dorf. Ausschnitte der Sendung sind in einer neueren Reportage zu sehen. Damals ist von Offenheit bis Skepsis und klarer Ablehnung unter den Dorfbewohner*innen Verschiedenes zu hören. Anders als heute: Vor Kurzem besuchte der mdr Wienrode. Mit der Presse will dort inzwischen niemand mehr sprechen. Nur anonym berichtet schließlich eine Person aus dem Dorf, sie habe Angst vor Konsequenzen, die offene Kritik an Weda Elysia für sie hätte. Was hat es mit der Siedler*innen-Gruppe Weda Elysia und dem Anastasia-Kult auf sich? Und welche Gefahr geht von völkischen Siedler*innen aus?

Die Gruppe Weda Elysia um das Paar Maik Schulz und Aruna Palitz-Schulz ist bereits seit einigen Jahren vor dem Kauf aktiv. Inhaltlich stützen sie sich auf eine aus Russland stammende Buchreihe um die fiktive Protagonistin Anastasia. In diesen wird ein spezifischer Lebensstil propagiert, den Weda Elysia, aber auch andere Gruppen in Russland, in Deutschland und weltweit in die Praxis umsetzen wollen. Um also den ideologischen Hintergrund dieser Siedler*innen-Gruppen zu verstehen, sind die Anastasia-Bücher und der Kult um diese zentral.

Anastasia-Kult

Der russische Geschäftsmann Wladimir Megre ist Autor der zehnteiligen Romanserie und beschreibt darin sein Zusammentreffen mit der fiktiven Figur Anastasia. Sie lebt als Einsiedlerin, offenbar stets leicht bekleidet, auf einer Lichtung im Wald der sibirischen Taiga, hat übersinnliche Fähigkeiten, kann mit Tieren und Pflanzen kommunizieren und mit einem Geistesstrahl heilen. Anastasia ist die Botschafterin des von Megre ersonnen „uralten Volkes der Wedrussen“. Die imaginierte „wedische“ Lebensweise, in der alle Menschen in Frieden und Harmonie mit der Natur gelebt hätten, wird dabei der gegenwärtigen modernen Welt gegenübergestellt. Diese wiederum wird als Inbegriff der Verkommenheit, Krankheit und Degeneration beschrieben.

An die diagnostizierte Verkommenheit der Moderne knüpfen sich altbekannte antisemitische Verschwörungsmythen ebenso wie misogyne, rassistische und antidemokratische Weltbilder. Das jüdische Volk sei von bösen Mächten „codiert“ worden. Demokratie wird durch die Figur eines Dämons namens Kratie diskreditiert. Sie sei die gefährlichste Illusion überhaupt, da diese „Dämon Kratie“ nur der Deckmantel für die Ausbeutung durch die jüdischen Bösewichte und die Fremdherrschaft durch die sie lenkenden dunklen Mächte darstelle. Auch die sogenannte Telegonie, eine ultramisogyne und rassistische Pseudo-Erblehre darf nicht fehlen: Frauen würden von ihrem ersten Sexualpartner, der sie penetriere, genetisch geprägt, sodass ihr Kind unabhängig vom Vater, Eigenschaften dieses Mannes tragen könne. Daraus folgt – wenig überraschend – eine rigide sexistische, mit der „Reinhaltung der Rasse“ betraute Sexualmoral.

In einem klaren Gut-Böse-Schema wird in Abgrenzung zu all diesen modernen Degenerationen postuliert: Alle Menschen könnten wieder glücklich und friedlich leben, würden sie nur zur richtigen und natürlich „wedischen“ Lebensweise zurückkehren. Wie genau diese aussieht, wird in den Büchern kleinteilig ausgeführt. Dreh- und Angelpunkt dabei sind sogenannte Familienlandsitze. Diese werden als Lösung für tatsächlich alle Probleme der Welt proklamiert. Das simple Konzept für dieses globale Allheilmittel besteht nun darin, dass alle Menschen als landwirtschaftliche Selbstversorger*innen auf jeweils einem Hektar eigenem Land in heteronormativen Kleinfamilien und patriarchaler Rollenverteilung leben sollen.

Die Betonung einer Verwurzelung traditioneller Kleinfamilien mit ihrem Stück Land – einer romantisierten, „eigenen“ Natur – ist für Blut-und-Boden-Ideologien sowie völkische Siedler*innen-Bestrebungen in NS-Tradition extrem anschlussfähig. Die damit verbundenen Motive von Reinheit und staatlich unregulierter Souveränität sprechen außerdem ein breites Spektrum rechtsextremer Milieus, wie die Reichsbürger*innen– oder Teile der Prepper*innen-Szene, an. Zugleich bietet die Anastasia-Bewegung durch die Betonung von Naturverbundenheit und Nachhaltigkeit ein freundlich-anschlussfähiges Gesicht für ökologisch Interessierte.

Männer bearbeiten das Land, Frauen bringen Erfrischungen – alte Geschlechterrollen in alten Gewändern (Screenshot aus einem Werbevideo von Weda Elysia auf YouTube)

Julmärkte und Bedrohungen

Weda Elysia beruft sich explizit auf die Anastasia-Romane als Grundlage ihrer Weltanschauung. Die Gruppe hat sich deren völkisch-reiner Siedler*innen-Vision verschrieben, die durch die Gründung von Familienlandsitzen in die Tat umgesetzt werden soll. rbb-Recherchen dokumentierten, wie Maik Schulz, zentrales Weda-Elysia-Mitglied, in Seminaren für Siedlertum-Interessierte vom „letzen Versuch, die Rasse noch zu retten“, fabuliert. Das soll, nach dem Glauben der völkischen Siedler*innen, durch die Abschottung in Gemeinschaften wie Weda Elysia geschehen.

Die Siedler*innen-Pläne scheinen jedoch seit dem Entstehen der Gruppe 2009 nicht so recht voranzugehen. Noch kein einziger Familienlandsitz wurde von Weda Elysia aus dem Harzer Boden gestampft. Als die Gruppe 2018 den leerstehenden Gasthof im Zentrum Wienrodes kauft, ist das wohl auch als Strategiewechsel zu verstehen. Der Ankündigung, den Gasthof in ein Kultur- und Begegnungszentrum verwandeln zu wollen, folgen Veranstaltungen, die sich explizit an die restliche Dorfgemeinschaft richten. „Haus Lindenquell“ lädt zu Volkstanztreffen, Gartenfesten und Julmärkten ein, auf denen sich auch Stände von Personen aus der Umgebung finden.

Im Vorfeld eines Julmarktes kommt es 2019 zu ersten Bedrohungen. Die Reifen von sechs Fahrzeugen werden über Nacht zerstochen. Sie gehören Bürger*innen, die zuvor öffentlich Kritik an Weda Elysia geübt hatten. Eine kleine Gruppe Protestierender und Journalist*innen, die den kurz darauf stattfindenden Julmarkt von der anderen Straßenseite aus beobachten, werden von Besuchern körperlich aggressiv angegangen. Die LINKEN-Stadträtin, Ruth Fiedler, berichtet in der kürzlich erschienenen mdr-Reportage, dass kritische Stimmen nach und nach verstummt seien. Sie führt das auch auf Druck aus den Teilen der Dorfgemeinschaft zurück, die Weda Elysia unterstützen. „Die wollen das nicht riskieren. Sie leben hier“, sagt Fiedler im Interview mit dem mdr über diejenigen, die sich anfänglich gegen die Siedler*innen gewehrt hatten, „die können ja jetzt nicht wegziehen, nur weil diese Siedlung sich ausgerechnet Wienrode ausgesucht hat“. Auch Fiedler wurde von den Siedler*innen angezeigt und mehrfach bedroht. Eine Person aus dem Dorf, die lieber anonym bleiben will, erzählt den Journalist*innen schließlich am Telefon davon, dass sich niemand als Kritiker*in der Siedler*innen exponieren und sich damit Anfeindungen aussetzen will – es sei ja schon zu Sachbeschädigungen gekommen.

Dass das keine ungewöhnliche Strategie völkischer Siedler*innen-Gruppen sei, bestätigt Anna Weers, Expertin für Rechtsextremismus im ländlichen Raum bei der Amadeu Antonio Stiftung. Zu Beginn zeige man sich betont friedvoll nach außen und sei bemüht, sich beliebt zu machen. Bei Weda Elysia scheint das auch erfolgreich zu sein. Aber als kritische Berichterstattung die Gesinnung der Gruppe offenlegt und Proteste vor Ort aufkommen, habe sich das Blatt gewendet. Es kommt zu persönlichen Anfeindungen gegenüber Personen, die sich gegen Weda Elysia stellen. „Durch eine solche Bedrohungslage werden zivilgesellschaftlich Aktive eingeschüchtert“, sagt Weers. Auch in Wienrode verstummen so immer mehr Kritiker*innen. Die Einschüchterungsstrategie der Völkischen zeigt ihre Wirkung.

Rechtsextreme Mitglieder und Vernetzung

Dass die Mitglieder von Weda Elysia und ihre Weltanschauungen nicht so unschuldig und friedliebend sind, wie sie sich gerne präsentieren, zeigt auch deren gute Vernetzung ins rechtsextreme Milieu. Eine Recherche von Sachsen-Anhalt Rechtsaußen dokumentiert wie gut Weda Elysia in einem Netz aus Treffpunkten der verschwörungsideologischen Szene, Neonazi-Organisationen und Anastasia-Festivitäten eingebunden ist.

Eng verbunden ist die Gruppe zum Beispiel mit Steffen Hupka, einer Neonazi-Größe aus Sachsen-Anhalt. In einem von ihm vermieteten Haus wohnten zum Zeitpunkt der Recherche mindestens sechs Weda-Elysia-Mitglieder. Maik Schulz und Aruna Palitz-Schulz, Gründungsmitglieder und Kernpaar von Weda Elysia, waren zudem 2018 unter den Gästen einer Openair-Theater-Vorführung in Bischofswerda zu sehen, bei der völkische Neonazis aus dem ganzen deutschsprachigen Raum zusammenkamen. Enge personelle Kontakte bestehen auch zu rechtsextremen, religiös-völkischen Organisationen wie der „Artgemeinschaft – Germanische Glaubensgemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ und dem „Bund für Gotterkenntniss“, auch bekannt als Ludendorffer.

Ein anderes Mitglied der Gruppe, Johannes Degel, unterrichtete an einer in der lokalen Neonazi-Szene bei Lehrer*innen und Eltern beliebten Waldorfschule. Degel ist in einem Werbevideo der Siedler*innen-Gruppe zu sehen. In Tracht wird darin zu emotionaler Geigenmusik Heimatliebe, Bodenverbundenheit und das gesunde Entfalten von Kindern in vor Scheidungen geschützten Familien beschworen. Eine weitere Darstellerin in diesem Werbeclip ist Frederike Jung. Wie die Sachsen-Anhalt-Rechtsaußen-Recherche zeigt, ist Jung abseits ihrer Werbe-Performances für Weda Elysia bei der Identitären Bewegung aktiv und vertont auf YouTube unter dem Namen „Stimme der Heimat“ Neonazi-Lieder.

Auch in der Corona-Leugner*innen-Szene ist Weda Elysia unterwegs. Auf der „Querdenken“-Großdemonstration am 29. August 2020 in Berlin, die im Sturm auf den Reichstag gipfelte, tanzten Weda-Elysia-Mitglieder mit dem rechtsextremen Holocaustleugner Nikolai Nerling Volkstänze. Nerling, auch bekannt als „der Volkslehrer“ lud die Wienröder Siedler*innen auch in eines seiner Videos ein. Zu ihrem Gesang verbrannte er ein Sachbuch über völkische Landnahme.

Zwischen der Anastasia-Bewegung, völkischem Gedankengut und der Reichsbürger*innen-Szene lassen sich zunehmend ideologische Vermengung und persönliche Überschneidungen erkennen. „Gemein haben die verschiedenen Strömungen, dass sie ihr Agitationsfeld im ländlichen Raum sehen. Dort können sie sich verwirklichen, da sie günstig Land und Immobilien erwerben und weitgehend unbehelligt von staatlicher Kontrolle und öffentlicher Sichtbarkeit agieren können“, erklärt Weers.

Landnahme als Strategie rechtsextremer Expansion

Mit ihrem harmlosen Auftreten als naturverbundene Volkstänzer*innen und dem dahinterliegenden völkischen Gedankengut sind Weda Elysia nicht allein. Es lässt sich eine Strategie erkennen: Völkische Siedler*innen wie Weda Elysia oder das „Goldene Grabow“ in Brandenburg betreiben Landnahme in strukturschwachen ländlichen Gebieten. Dort zeigen sie sich unter harmlosen Schlagworten wie Brauchtums- und Kulturpflege aktiv in Dorfgemeinschaften und versuchen, anschlussfähig für die Bevölkerung vor Ort zu werden. Das Ziel ist letztlich, über die Verankerung in der Region und die entstehenden Sozialkontakte ihre völkische Ideologie zu verbreiten.

Freundlich und vor allem grün geben sich Weda Elysia auch in ihrem Internetauftritt (Screenshot von der Website von Weda Elysia)

In der mdr-Doku weist der ehemalige Neonazi, Christian Weißgerber, darauf hin, dass rechtsextreme Kreise davon ausgehen, für eine angestrebte Revolution erst den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung gewinnen zu müssen. In diesem Kontext lassen sich völkische Siedlerprojekte wie Weda Elysia als rechtsextreme Graswurzel-Arbeit verstehen. Zugleich geht es auch um den Aufbau von Räumen, in denen rechtsextremer Ideologie entsprechende Lebensformen ungestört praktiziert werden können. So finden auf den Ländereien völkischer Siedler*innen wie Weda Elysia und dem Goldenen Grabow unter anderem Zeltlager statt, in denen Kinder und Jugendliche nationalsozialistisch sozialisiert werden sollen, dokumentiert die Sachsen-Anhalt-Rechtsaußen-Recherche. „Solche Siedlungsprojekte sind Orte der Vernetzung, an denen bundesweit Völkische zusammenkommen. Sie dienen als idealtypisches Vorbild und es wird so auch eine Infrastruktur geschaffen, für die Nachwuchsakquise, um die Kinder untereinander in Partnerschaften zu vermitteln und sich gegenseitig zu weiteren Grundstücken zu verhelfen“, sagt Weers.

Das öffentliche Bewusstsein sei in den letzten Jahren, auch durch die zunehmende Berichterstattung, jedoch stark gestiegen. „Dadurch, dass über die eigene Region berichtet wird, werden Anwohner*innen in direkter Nachbarschaft wachsam. Die Leute merken, wenn ein Reichsbürger oder Anastasia-Anhänger in ihrem Dorf eine Immobilie kauft und sind alarmiert. An vielen Orten suchen die Menschen Verbündete, treten mit Behörden in Kontakt, entwickeln Konzepte und setzen sichtbare Zeichen wie das ‚Kreuz ohne Haken‘ der Initiative ‚beherzt‘“. Dass Anwohner*innen völkische Landnahme erkennen und ihr entgegentreten, bleibt entscheidend. Inzwischen gibt es ein gut ausgebautes Netz an Beratungsstellen, an die sich Betroffene wenden können.

Titelfoto: Wikimedia/ Dguendel /CC BY 3.0

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