Es ist ein Bild, das rechtsextreme Frauen selbst gern pflegen – zumindest, wenn es ihnen zupasskommt, wie etwa vor dem Landesgericht München beim NSU-Prozess: „Ich bin doch nur die Freundin von…“, „Ich bin eigentlich ganz unpolitisch, ich habe von den Dingen, die mein Freund damals getan hat, gar nichts mitbekommen…“, „Mein Freund hat mich da so mit reingezogen…“, so stilisieren sich rechtsextreme Zeuginnen geradezu als Co-Opfer ihrer rechtsextremen Kader-Männer – und das, obwohl viele einen ausgesprochen aktiven Beitrag zum Untertauchen der Rechtsterrorist*innen des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ geleistet haben.
Weniger Ermittlungen, weniger Verfahren
Besonders geschickt vertrat dies im NSU-Prozess etwas Juliane W., eine ehemalige Freundin des Angeklagten Ralf Wohlleben: Zunächst will sie sich an nichts erinnern können. Dann reagiert sie auf die Nachfragen des Richters pampig. Und als dies alles nichts nützt und weitere Fragen kommen, fängt sie an zu weinen. „Da hat der Vorsitzende Richter denn auch Mitleid bekommen und die Fragen der Nebenklageanwälte beschränkt“, erzählt Antonia von der Behrens, selbst Nebenklageanwältin im NSU-Prozess, auf der Pressekonferenz der Fachstelle Gender und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung. Sie beobachtet die Ungleichbehandlung von rechtsextremen Männern und Frauen während der Ermittlungen zum NSU und im Prozess des Öfteren. Gegen die Zeuginnen gibt es bei widersprüchlichen Aussagen weniger Ermittlungsverfahren – offenbar wird ihnen weniger zugetraut und mehr geglaubt, wenn sie sagen, sie wüssten etwas nicht mehr. „Dabei spricht ihr ganzes Auftreten eine andere Sprache“, berichtet Antonia von der Behrens. „Sie treten – ebenso wie die Männer – dreist auf, vor Selbstbewusstsein und Unverschämtheit strotzend, wie es naive, unpolitische Menschen, die sie vorgeben wollen zu sein, niemals tun würden.“
Selbst Beate Zschäpe wird weiter unterschätzt
Dabei sollte spätestens der NSU-Prozess der Punkt sein, an dem das Unterschätzen rechtsextremer Frauen ein Ende hat – ist doch die Hauptangeklagte Beate Zschäpe eine Frau, die eben nicht nur das Leben der „Uwes“ organisierte und Kontakte zur Außenwelt hielt. Sie ist selbst eine durch und durch überzeugte Rassistin und Neonazistin. Sie ist gewalttätig, bricht etwa 1993 einer Punkerin den Arm, zieht einem Türsteher eine Bierflasche über den Kopf. Und sie ist eine besessene Waffensammlerin, deren Gaspistole sogar einen „Kosenamen“ hatte. Trotzdem wurde sie in den Medien weiter als „Freundin von“ dargestellt, und sie schüttelt eifrig bei jedem Prozesstag ihr langes Haar dazu und nestelt am rosa Brillenetui, um diesen Eindruck aufrecht zu erhalten.
„Doppelte Unsichtbarkeit“
Esther Lehnert von der Fachstelle „Gender und Rechtsextremismus“ spricht von einer „doppelten Unsichtbarkeit“: Schreibt die Gesellschaft schon Frauen an sich zu, friedfertiger, sanfter und auch weniger politisch interessiert zu sein als Männer, so werden Frauen im männerdominierten Rechtsextremismus erst recht nicht als Akteurinnen wahr- und vor allem nicht ernst genommen. Dabei ist ihr Beitrag, selbst wenn es sich um „klassische“ weibliche Betätigungsfelder handelt, nicht zu unterschätzen: Kindererziehung produziert die Nazis von morgen, die freundschaftlichen Kontakte in Elternbeirat und Kita ermöglichen, Rassismus und Antisemitismus länger unwidersprochen zu verbreiten, die Erwerbstätigkeit der unauffälligeren Nazi-Frauen ermöglicht den Männern erst den Spielraum, ihrer Einstellung intensiv und offensiv zu frönen.
„Schon wenn es um die Betrachtung des Nationalsozialismus geht, gibt es eine kollektive Abwehrhaltung gegenüber der Tatsache, dass es auch weibliche Täterinnen gab und Frauen das System NS durch ihre Mitarbeit ermöglicht haben“, sagt Esther Lehnert, „und ähnlich geht es nach 1945 weiter“. Wer kennt schon die Frauen, die in rechtsterroristischen Vereinigungen wie der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ (1980er Jahre) oder der „Schutzgruppe“ der „Kameradschaft Süd“ (2000er Jahre) entscheidend beteiligt waren? Die Broschüre „Rechtsextreme Frauen – übersehen und unterschätzt“ beschreibt dieses Phänomen kenntnisreich und mit vielen Fallbeispielen.
Was tun mit den Täterinnen?
Im Untertitel heißt die Publikation „Analysen und Handlungsempfehlungen“, denn im Endeffekt geht es natürlich auch bei der Betrachtung rechtsextremer Frauen um die Frage, wie man einerseits ihrer Hetze Einhalt gebieten und andererseits ihren Ausstieg unterstützen kann. Einerseits heißt das: Fortbildungen für Fachkräfte der Sozialen Arbeit, Erzieherinnen oder Lehrerinnen, die mit weiblichen Rechtsextremen oder rechtsextremen Familien konfrontiert werden und einen Umgang finden müssen, der die betroffenen Kinder nicht ausgrenzt, aber die anderen Kinder und ihre Eltern auch schützt. Und andererseits fehlen spezialisierte Ausstiegsangebote für Frauen, die in der Regel mit ihren Kindern die Szene verlassen und schon deshalb besonderer Unterstützung bedürfen.
Auch die Strafverfolgungsbehörden sollte ihr Bild rechtsextremer Frauen schleunigst bearbeiten. Nach dem NSU-Mord in Nürnberg 2007 gab es kurzzeitig Hinweise darauf, dass es sich wohlmöglich um rechtsextreme Täter handelte. Für eine Rasterfahndung forderte die Polizei vom Verfassungsschutz eine Liste der Rechtsextremen im Landkreis – und strich vor der Überprüfung alle Frauen, weil ihnen das der Arbeit nicht wert schien. So stießen sie auf nichts. Hätten sie die Frauen überprüft, wären sie auf NSU-Unterstützerin Mandy S. gestoßen und hätten sie zumindest einmal auf dem Revier gehabt.
D O W N L O A D
Die Broschüre „Rechtsextreme Frauen – übersehen und unterschätzt. Analysen und Handlungsempfehlungen“ gibt es hier zum Download:
| www.amadeu-antonio-stiftung.de/aktuelles/rechtsextreme-frauen-uebersehen-und-unterschaetzt/
Mehr Informationen zum Thema auf der Website der Fachstelle: