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Wie beschädigt Pegida die Debattenkultur in Deutschland?

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Rechtes Summen auf Pegida-Facebookseiten: Wer sich nur noch "Informationen" sucht, die die eigene Meinung bestätigen, ist für Dialog und Debatte nicht mehr wirklich zu erreichen. (Quelle: Pegida-Watch)

Immer, wenn es rechtspopulistische Aufmerksamkeitsereignisse gibt, hat das – zumindest temporäre – Folgen für die Gesellschaft in Deutschland. Dies war schon bei Sarrazin-Büchern und AfD-Wahlerfolgen der Fall. Die Demonstrationen von Pegida, den „Patriotischen Europäern gegen Islamisierung des Abendlandes“, machen die Einstellungen der unzufriedenen Rechtsaußenschar sichtbarer, weil es Menschen sind, die sie auf die Straße tragen. Aber macht sie das ansprechbarer?

Online: Mit Pegida steigen mehr Menschen in die Beschimpfungskultur ein

Pegida ist eine Bewegung, deren Unmut und rechtspopulistische „Lösungswege“ zuvor bereits seit Jahren im Internet kursierte – und zwar genauso aggressiv, uninformiert und debattenresistent wie jetzt auf der Straße. Allerdings haben die Online-Rechtsaktivisten nun enormen Aufwind: Immer mehr Menschen halten aktuell Rassismus, Islamfeindlichkeit, menschenverachtende Beschimpfungen (auch von Politik und Presse) für angemessen und von der Meinungsfreiheit gedeckt. Und dies äußern sie nicht nur allgemein und anonym, sondern mit persönlichen Adressaten und verblüffend oft mit Klarnamen: Politiker_innen mit Migrationshintergrund berichten von einer massiven Zunahme an Hassmails (Spiegel Online). Ebenso geht es Journalist_innen, die über Pegida, Rechtspopulismus, Migrations- oder Asylpolitik berichten, oder Wissenschaftler_innen, die zu diesen Themen interviewt werden. Diese Form von Grenzverschiebung hin zu einer aggressiven Beschimpfungs- statt einer Debattenkultur ist belegbar. Wer versucht, trotzdem argumentativ auf Beschimpfungen und Provokationen einzugehen, stellt in der Regel fest: Es ist ein Stadium, in der ein Dialog weder möglich noch gewünscht ist. Von solchen Beschimpfern kann man sich nur abgrenzen und sie in die Schranken weisen oder ihnen mit Humor begegnen als Form der psychosozialen Hygiene.

Was macht den Dialog mit Pegida attraktiv?

Größere Teile der Politiker_innen in Deutschland wollen angesichts von Pegida für Demokratie, Gleichwertigkeit und pluralistische Werte eintreten. Im Handeln allerdings bestärken sie die Denkmuster der Rechtspopulist_innen. Bei einem beliebigen Konflikt, bei dem eine Gruppe von einer anderen ohne wirklichen Grund angegriffen wird, gilt die Solidarität den Opfern der unfairen Attacke. Bei Pegida nicht: Statt mit in Deutschland lebenden Muslimen, Flüchtlingen, Wilkommensinitiativen oder mit Asylpolitik beschäftigten Behördenmit- oder Sozialarbeiter_innen wollen etliche Politiker_innen (und etliche Redakteur_innen) aktuell vor allem mit rassistischen, informationsresistenten, aggressiven Pegida-Anhänger_innen reden, die diese Menschen zumindest verbal hart attackieren.

Ist es Voyerismus? Ist es ein Grundverständnis der rassistischen Ressentiments, die so weit verbreitet sind, dass vielleicht auch viele Meinungsmacher_innen sie nur intellektuell ablehnen? Ist es wirklich die Hoffnung, man könne Menschen überzeugen, die einem nicht zuhören und der Meinung sind, man würde ihnen eh nur offen ins Gesicht lügen? Jedenfalls ist es kein Wunder, dass die Pegida-Anhänger_innen daraus Etabliertenvorrechte etwa gegenüber Migrant_innen ableiten – auch für die Politik sind diese offenbar Bürger_innen zweiter Klasse, deren Sorgen weniger wichtig sind als die oft realitätfreien „Argumentationen“ Pegidas.

Was, wenn bürgerlich hier nur rassistisch und demokratiefeindlich bedeutet?

Pegidas „Verdienst“ ist in diesem Bereich offenbar, dass die Bewegung es schafft, einen „bürgerlichen“ Ruf zu behalten, obwohl sie voller Neonazis, Hooligans, Reichsbürger_innen, Verschwörungstheoretiker_innen und Politiker_innen rechtsextremer Parteien ist. Es bleibt jedenfalls festzuhalten, dass noch niemand versucht hat, die Sorgen der „Hooligans gegen Salafisten“ ernst zu nehmen, die der Teilnehmer_innen der verschwörungstheoretischen Friedensmahnwachen oder von NPD-Demonstrationen. Wobei Pegida zeigt, was „bürgerlich“ in diesem Fall auch meint: Bürgerlich kann eben auch angstfixiert, rassistisch, ablehnend gegenüber Gleichwertigkeit, Vielfalt oder jeder Form von Freiheit sein, die einen anderen Menschen betrifft als sie selbst. Rechtsextreme Einstellungen, das zeigt die Wissenschaft seit Jahren, gibt es überall in der Bevölkerung – bei Neonazis sind sie nur sichtbarer.

Die getroffene „Lügenpresse“

Interessant ist auch die Reaktion der von Pegida viel gescholtenen Medien. Die „Lügenpresse“-Rufe treffen viele Medienmacher_innen, die sich als engagierte, der Wahrheit verpflichtete Berichterstatter_innen im Dienste der vierten Gewalt im Staat begreifen, in der Tiefe ihres journalistischen Selbstverständnisses. Überlegungen werden laut, wie sie mit Pegida-Anhänger_innen in ein Gespräch treten könnten, um ihnen zu zeigen, dass sie gar nicht gesteuert sind und auch gar nicht lügen! Dabei weiß die Medienwirkungsforschung, dass Menschen vor allem Informationen zu glauben, die ihr eigenes Weltbild bestätigen. Andere werden einfach ausgeblendet oder scheinbar widerlegt, indem man sich hinterher mehr Quellen sucht, die die eigenen Thesen bestätigen. Da wiederum werden Pegida-Fans im Internet schnell fündig, denn der Topos der „Lügenpresse“ wird in rechtspopulistischen und verschwörungstheoretischen Kreisen seit Jahrzehnten gepflegt – man betrachte nur einmal  „Kopp Online“ oder „PI News“. Doch auch nicht-rechte Quellen belegen immer wieder, das Journalist_innen nicht immer korrekt arbeiten.

Das interessiert sie nicht

Die Presse kann also so viele Aufklärungsartikel über Pegida bringen, wie sie will – die Pegida-Anhänger_innen interessiert das nicht. Über Lutz Bachmann war schon sehr früh bekannt, das er ein vielfacher Krimineller ist, der sich für Sicherheit stark macht, obwohl er selbst als Serien-Einbrecher unterwegs war, der für Familienwerte eintritt, aber demnächst wegen Unterhaltszahlungsverletzungen vor Gericht steht. Hat das Pegida-Anhänger_innen tangiert? Kein bisschen.

Aber andere schon

Also keine Aufklärungsartikel mehr? Und keinen Dialog? Doch, natürlich: Für die und mit den Menschen, die ansprechbar sind. Mit Menschen, die sich um den Frieden und die demokratische Kultur in Deutschland und vor Ort ernsthaft sorgen. Die Probleme sehen und benennen wollen und können, ohne dabei in Vorurteile, Pauschalverurteilungen, Rassismus und Rollenbilder zu verfallen. Oder die dies manchmal tun, aber darauf ansprechbar sind und Argumenten zuhören. Es sind die Menschen auf den Gegendemonstrationen, aber auch die, die einfach am Rand stehen und sich noch nicht positionieren. Zum Glück sind sie viel mehr als die Pegidas, und ihr Handeln zählt im Alltag. Dafür brauchen sie möglichst gute Argumente – und die Unterstützung der Politik.

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