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#SagJaZuWeißenMännern Die AfD Berlin wünscht „Weiße Weihnacht“

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Hier ein Bild der AfD-Aktion "Weiße Männer suchen ein Zuhause". Nein, es ist die Aktion #SagJaZuWeißenMännern. (Quelle: Screenshots / BTN)

 

Von Simone Rafael

 

Wohltätigkeit zur Weihnachtszeit – das hat christliche Tradition. Die AfD Berlin nimmt sich deshalb einer gesellschaftlichen Gruppe an, die sie als marginalisiert und unterdrückt ansieht – und hat einen „Adventskalender“ entwickelt, um sich für diese Abgehängten einzusetzen. Unter dem Titel „Aktion Weiße Weihnacht“ kämpft sie aber nicht für mehr Schnee und gegen den Klimawandel, sondern das „weiß“ im Titel ist tatsächlich als Hautfarbe gemeint. Denn „weiße Männer“ sind diejenigen, für die sich die AfD hier einsetzt, denn sie sehen eine Kampagne genau gegen jene im Schilde, die in Deutschland immer noch weite Teile des gesellschaftlichen Geschehens bestimmen. Aber die frechen Frauen und Migrant*innen, die immer noch Gleichberechtigung fordern, könnten sich ja eines Tages durchsetzen und Privilegien angreifen, die „weiße Männer“ wie die der AfD für sich beanspruchen.

Opfer einer „aus den Fugen geratenen Gender-Kampagne“

Beziehungsweise: Wenn man sich in antifeministischen Männerrechtler-Kreisen bewegt, ist dies sogar bereits geschehen. Und genau dort möchte die AfD offenbar ihre Klicks abholen. So fabuliert sie im Text zur Aktion: „Weiße Männer sind im Zuge einer längst aus den Fugen geratenen Gender-Kampagne in den letzten Jahren für manche zum Schimpfwort geworden. Diese Verächtlichmachung hat System. Ihr folgen Forderungen, die auf eine bewusste Benachteiligung von weißen Männern im Wettbewerb um Arbeitsplätze, Karrierechancen, öffentliche Auftritte oder staatliche Zuwendungen hinauslaufen.“

Stellt die AfD nun im „Adventskalender“ bedauernswerte Exemplare „weißer Männer“ vor, die das erleben mussten? Das wäre zwar konsequent, aber Fakten und Konsequenz sind nicht Sache der Rechtspopulist*innen. Instrumentalisierung allerdings schon. Und so wird ein Potpourri an „weißen Männern“ präsentiert, die allesamt berühmte und keinesfalls marginalisierte Persönlichkeiten sind. Interessanterweise sind die meisten alles andere als politisch AfD-nah – und tot, weshalb sie sich nicht wehren können, in diesem Zusammenhängen benannt zu werden. Gut ersichtlich wird dagegen die rechtspopulistische Rhetorik-Volte, sich Allianzen zu erlügen, um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken.

Realitätsverdrehung mit Brecht und Schmidt

So wird etwa Dramatiker Bertolt Brecht instrumentalisiert, der erwiesenermaßen Zeit seines Lebens gegen den Nationalsozialismus und Unterdrückung gekämpft und angeschrieben hat. Warum mag die AfD Bertolt Brecht, der natürlich konsequenterweise gegen seine eigene Intention „Berthold Brecht“ geschrieben wird? Er „würde heute“, so fabuliert der AfD-Pressesprecher, gegen Angela Merkel schreiben, denn die würde ja auch das deutsche Volk auflösen wollen. Dann werden „Frohe! Weiße! Weihnachten!“ gewünscht.

Am nächsten Tag muss sich SPD-Bundeskanzler Helmut Schmidt anpreisen lassen– als „Kämpfer gegen linken Terror“. Dass er rechtsstaatliche Prinzipien durchsetzte (normal) mache ihn zum „besten Kanzler, den wir je hatten“, sagt ein AfD-Europaabgeordneter. Das finden die Anhänger*innen, die das Video kommentieren, offenbar nicht bemerkenswert – etwas Anderes aber schon: „Muß man da ein angelsächsisches Weihnachtslied spielen? Da denken ja alle Afrikaner, die spielen ja auch wie zuhause die gleiche Musik!“, beschwert sich ein Nutzer. Im Hintergrund der Videos läuft „White Christmas“, aber das ist dem Nutzer offenbar nicht weiß  genug. Absurd genug: Ein anderer zustimmender Nutzer postet in Anlehnung an eine amerikanische „Alt-Right“-Kampagange: „It’s okay to be white!“ Schon wieder Englisch! Nicht leicht mit dem Kulturbewahren.

Thilo Sarrazin, der einzige bisher noch lebende weiße Mann im Kalender, passt natürlich ins Bild, wobei er nicht als „Islamfeind“, sondern als Kritiker von Politik gepriesen wird. Ähnlich ist es bei Martin Luther, der natürlich nicht als Antisemit, sondern als „Etabliertenschreck“ gefeiert wird. Die Kommentare lassen vermuten, dass die Betrachter trotzdem den Subtext verstehen. Sie wünschen zumindest auch: „Frohes Wintersonnenwendefest“.

„Spielen Sie, Ami- und Nato-Vasall gefälligst ein Deutsches Weihnachtslied!“

Das Prinzip der Realitätsbiegung dürfte damit klar sein. Nur, damit Sie nicht draufschauen müssen: Bisher gab es noch Ronald Reagan („Bezwinger des Kommunismus“, Top-Kommentar der User: „Lieber tot als rot“), Papst Johannes Paul II. (als „Kämpfer für die polnische Freiheitsbewegung“, was dachten Sie denn? Weil er Papst war? – Top-Kommentar übrigens der Verfechter für deutsches Weihnachtsliedgut, der nun wirklich wütend ist: „Spielen Sie, Ami- und Nato-Vasall gefälligst ein Deutsches Weihnachtslied!“) und Apple-Gründer Steve Jobs – und zwar, Sie ahnten das sicher: „weil er Alternativlosigkeit genauso ablehnte wie wir.“ Manche User freuen sich allerdings nicht darüber, dass ein Mann mit einem syrischen Vater als „weißer Mann“ präsentiert wird – andere halten das für Strategie: „Könnte daran liegen, dass manch ein Holzkopf nicht begreift, dass es der AfD letztlich nicht um Rasse geht?!“ Oder die AfD Berlin hat halt keine Ahnung von dem, was sie publiziert – wie übrigens der Teaser zum Tag vermuten lässt: „Dass auch der Adventskalender von einem weißen Mann erfunden wurde, ist zwar nicht sicher, aber wahrscheinlich.“ Äh. Ja. Recherche ist was für Nicht-AfD-Wähler.

Leider haben weiße Männer allerdings keine weiblichen Fürsprecherinnen, sondern alle Präsentatoren sind weiße Männer. Was allerdings vermutlich am Frauenanteil in der AfD-Fraktion liegt: Von 22 AfD-Abgeordneten sind 2 Frauen. Immerhin hat die Gender-Unterdrückung von weißen Männern in der AfD noch keine Chance!

#SagJaZuWeißenMännern – ja, es ist keine Satire

Um die Absurdität der Aktion auf die Spitze zu treiben, hat sie auch einen Hashtag. Er heißt #SagJaZuWeißenMännern. Dass hier auf ein SS im“ Weißen“ verzichtet wurde, ist beinahe schade, aber vermutlich mit dem Wunsch nach deutscher Rechtschreibung begründet. Was Twitter dazu sagt, wollen wir Ihnen natürlich nicht vorenthalten:

Wir wünschen einen frohen zweiten Advent!

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