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Ukraine Wie die Rechtsaußen-Szene Geflüchtete instrumentalisiert

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Am 02.03.2022 kommen Geflüchtete aus Ukraine, darunter Frauen und Kinder, in Görlitz an. (Quelle: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Danilo Dittrich)

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 versuchen Menschen, das Land zu verlassen und in angrenzenden Staaten wie Polen oder Deutschland Schutz zu suchen. Zahlreiche solidarische Menschen und Initiativen organisieren den Transport von Geflüchteten und selbst ein Konzern wie die Deutsche Bahn bietet Ukrainer:innen kostenfreie Reisemöglichkeiten in die Bundesrepublik.

So weit, so gut? Die Möglichkeit, den Angriffen auf die Zivilbevölkerung zu entkommen, wurde einigen Geflüchteten zunächst verwehrt. Wie etwa der Journalist Martin Glasenapp über Twitter berichtet, wurden Schwarzen Menschen, die in der Ukraine leben, die Einreise nach Polen verwehrt. 20 Prozent der internationalen Studierenden in der Ukraine kommen aus afrikanischen Ländern. Zumindest die nigerianische Botschaft konnte inzwischen erwirken, dass nigerianische Studierende nach Polen einreisen und dort Schutz suchen dürfen.

„Gute“ und „schlechte“ Geflüchtete?

Zahlreiche reaktionäre Kräfte, von der AfD bis hin zu Neonazis, vergleichen die aktuelle Krisensituation in der Ukraine mit der Situation von syrischen Geflüchteten von 2015 – und sehen rassistisch begründete Unterschiede. Ukrainische Geflüchtete seien in ihren Nachbarländern willkommen, da sie sich eine gemeinsame kulturelle, religiöse oder ethnische Herkunft teilen würden – anders als Geflüchtete aus dem arabischen Raum. Dies bedient klassische rassistische Bilder des „Eigenen“ und des „Fremden“. Ergänzt wird dieses Narrativ durch die Falschbehauptung, dass die Flucht aus der Ukraine legitimer Natur sei, Menschen aus Syrien jedoch „Wirtschaftsflüchtlinge“ seien, die nur aus ökonomischen Gründen nach Deutschland aufbrechen würden. Dies verleugnet selbstverständlich die grausame und brutale Realität des Syrienkrieges. Der ehemalige AfD-Politiker Uwe Junge zum Beispiel twittert: „Nochmal: Ostgebiete 1945 = Vertriebene, Afghanistan = Armutsmigranten, Ukraine = Flüchtlinge“. Auch der AfD-Abgeordnete Roger Beckamp spricht sich dafür aus, Menschen aus der Ukraine Asyl in Deutschland zu gewähren. Das neofaschistische Netzwerk „Ein Prozent“ des Identitären und Burschenschaftlers Philip Stein teilt auf Twitter ein Sharepic einer (angeblichen) Flüchtlingshelferin, die sagt: „[die Menschen in Polen] sind erleichtert: Diesmal kommen Weiße und nicht irgendwelche Muslime von weit her.“

Die Neonazi-Partei „Der III. Weg“ möchte die Solidarität praktisch werden lassen und ruft via Telegram dazu auf, ukrainischen „Nationalisten“ Unterkünfte zu bieten – vielleicht können diese ja in die Wohnungen jener abenteuerlustigen Neonazis einziehen, die gerade auf dem Weg gen Osten sind, um dort an der Seite des „Asow“-Bataillons zu kämpfen.

Identitären-Frontmann Martin Sellner teilt die plötzlich entdeckte Pseudo-Solidarität, die Teile der AfD gepackt hat, übrigens nicht. In einer Video-Ansprache echauffiert er sich über eine „Refugee Welcome-Verzückung“, die auch seine eigentlichen Gesinnungskameraden ergriffen hat. Stattdessen positioniert er sich an der Seite Putins.

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Rassistische Desinformationen

Ergänzt wird diese rassistische Panikmache durch die Erzählung, dass sich unrechtmäßig Geflüchtete aus dem arabischen/afrikanischen Raum unter die „legitimen“ Menschen aus der Ukraine mischen würden. So schreibt eine Autorin des rechtspopulistischen Magazin Achse des Guten: „Gerade bei RTL in einem Videoauschnitt vor einem Zug raus aus der Ukraine nur Schwarze gesehen. Studenten. Von mir aus. Allerdings will Baerbock jeden hier reinlassen, ob mit oder ohne ukrainischen Pass. In Verbindung mit einem schnelleren „unbürokratischen“ Aufnahmeverfahren (kein Asylverfahren) mit sofortigem Zugang zu Sozialleistungen und Co., befürchte ich schon wieder ganz Böses. Wer unterscheidet denn hier, wer aus der Ukraine kommt, wer Anrecht hat und wer nicht? Warum können afrikanische Studenten nicht zurück in ihr Heimatland für die Dauer des Krieges und wer sagt, dass sich da jetzt nicht noch ganz andere wieder unter die Flüchtlinge mischen?“

Das ebenfalls zum rechten Rand offenen Blatt Tichys Einblick nutzt die Notlage ukrainischer Geflüchteter, um Stimmung gegen transgeschlechtliche Menschen und Klimaaktivist:innen zu machen. Ein Tichys Einblick-Autor behauptet fälschlicherweise, dass der Bundestag nur über ihm unbedeutend erscheinende Themen wie den Klimawandel diskutieren würde, anstatt über den Krieg in der Ukraine. Das konkrete Leid von Menschen dient ihm lediglich als Instrument gegen die eigenen Feindbilder.

Ein vom rechtsoffenen Twitteraccount „Hartes Geld“ verlinktes Video, das Schwarze Geflüchtete aus der Ukraine zeigt, wird momentan großflächig auch bei Neonazis wie dem Aktivisten Sven Liebich geteilt. In dem Video berichtet ein Schwarzer Fluchthelfer aus einer Anlaufstelle für Asylsuchende, einige der von ihm gefilmten Menschen sind ebenfalls nicht weiß. Die Kommentare zu dem Video sprechen den Menschen ihr Anrecht auf Flucht und Asyl ab. Ein Narrativ: Nur nichtweiße Migrant:innen, deren Ziel es sei, von europäischen Sozialsystemen zu profitieren, würden fliehen, während echte ukrainische Männer ihr Land verteidigen würden. Diese Erzählung weist auf ein innerhalb der faschistischen Ideologie populäres Idealbild von soldatischer Männlichkeit hin: der heroische weiße Mann, der für seine Frau und seine Heimat in den Krieg zieht, wird einem in der Regel als illegal und  sexuell übergriffig imaginierten Migranten aus dem arabischen und afrikanischen Raum gegenübergestellt, um die Abwertung allumfassend zu machen.

Männerfantasien

Ergänzend betonen Rechtsaußen-Kanäle, dass aus der Ukraine primär Frauen und Kinder anreisen würden. Die rechtsextreme Organisation „KOLLEKTIV Zukunft schaffen – Heimat schützen“ schreibt auf der Plattform Telegram: „Die sogenannten Flüchtlinge aus Afrika und den arabischen Ländern hingegen können sich nun einmal anschauen, wie richtige Flüchtlinge ausschauen. Fast ausschließlich Frauen und Kinder, weil die Männer in ihrer angestammten Heimat für die Freiheit kämpfen.“ Dass auch Frauen in der Ukraine an der Front kämpfen oder Verwundete versorgen, ist für tapfere Faschisten ebenso irrelevant wie die Tatsache, dass Männer aktuell aus der Ukraine nicht ausreisen dürfen und zum Bleiben gezwungen werden. Die Menschen in der Ukraine sind für sie keine realen Personen, die unter einem brutalen Angriffskrieg leiden, sondern lediglich Projektionsfläche für ihre nationalistischen Fantasien.

Ukrainische Frauen werden zudem primär sexualisiert und fetischisiert. Die aktuell meistgesuchte Kategorie auf der regelmäßig wegen der Veröffentlichung von Vergewaltigungs- oder Rachepornographie kritisierten Plattform Pornhub lautet „Ukrainian [girl]“. Incels aus dem europäischen Raum nutzen den Krieg, um ihren misogynen Fantasien freien Lauf zu lassen und artikulieren stellenweise detaillierte Vergewaltigungsfantasien. Nicht nur in rechtsradikalen Telegram-Kanälen, sondern auch auf den Twitteraccounts „ganz normaler“ Männer teilen User die Bilder ukrainischer Frauen und kommentieren sie mit Aussagen im Stil von „Für solche Flüchtlinge habe ich immer Platz“.

Vom rechten Rand in die bürgerliche Mitte

Die hier thematisierten geflüchtetenfeindlichen Diskurse sind übrigens keine alleinige Sache des rechten Rands. Marc Felix Serrano, Chefredakteur der Neuen Züricher Zeitung schreibt: „Es sind diesmal echte Flüchtlinge“ und reproduziert in seinem Artikel die von Rechtsradikalen kolportierten Aussagen zu „vermeintlichen Flüchtlingen“, die unrechtmäßig nach Europa gereist wären auf der einen und tapferen ukrainischen Männern, die Frau und Vaterland verteidigen, auf der anderen Seite. In der Sendung der Talkshow „Hart aber Fair“ vom 28. Februar 2022 sprechen die Teilnehmer:innen von „Menschen, die unserem Kulturkreis näher“ sind, da es sich um Christ:innen handeln würde. Dies ist blind sowohl gegenüber der großen jüdischen Gemeinde der Ukraine als auch gegenüber den dort lebenden Muslim:innen oder Angehörigen anderer Konfessionen. Diskurse von Rechtsaußen kommen so auch  in der bürgerlichen Mitte zur beste Sendezeit an. Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, haben ein Anrecht auf Schutz und Asyl, vor allem ohne dafür von Rechts instrumentalisiert zu werden.

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