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Wie Geflüchtete die „Epoch Times“ gerettet haben – Teil 1

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Screenshot der Website "Epoch Times"

„Importiert die EU ein neues Volk? Fünf verschwiegene Fakten zur Flüchtlingskrise“, „Facebook-User: Merkel bringt Deutschland an den Rand des Bürgerkriegs“ oder „Rothschild und die Asyl-Industrie: Das lukrative Geschäft mit den Flüchtlingen“: Nur drei von unzähligen Artikeln, die bei „Epoch Times Deutschland“ zur sogenannten „Flüchtlingskrise“ veröffentlicht wurden. Die Berichterstattung hat der Website nicht geschadet, im Gegenteil. 3,6 Millionen Menschen werden jeden Monat erreicht. Tendenz steigend. Aber wer steckt dahinter?

1999 gründete eine Gruppe von chinesischen Aktivisten in New York die Zeitung „Da Ji Yuan“, zu Deutsch „Große Epoche“. Sie wollten auf die Unterdrückung von Falun Gong hinweisen, einer ebenfalls seit 1999 in China verbotenen Gruppierung, die verschiedene chinesische Meditationstechniken und Weltanschauungen miteinander verbindet. 1999 soll es dabei auch zu Bücherverbrennungen von Seiten der chinesischen Regierung gekommen sein. Wieviele Mitglieder die Gruppe hat, bleibt offen. Falun Gong gibt an, eher ein loser Verbund von interessierten Menschen zu sein, verbreitet aber auch die Zahl von 100 Millionen Mitgliedern alleine in China. Der chinesische Staat spricht dagegen von lediglich zwei Millionen Mitgliedern. 2001 verbrannten sich angeblich fünf Mitglieder auf dem Beijinger Tiananmen-Platz, ein Vorfall, der die Regierung in ihrem Verbot bestärkt haben soll. Falun Gong bestreitet den gesamten Vorfall und gibt an, nichts mit den Selbstverbrennungen zu tun zu haben.

Da Ji Yuan entwickelte sich schnell zur größten chinesischsprachigen Zeitung außerhalb Chinas. Berichtet wurde über tagesaktuelle Ereignisse, aber auch über Menschenrechtsverletzungen und Korruption in China, über die in staatstreuen Medien Stillschweigen bewahrt wurde. Heute hat die Zeitung eine weltweite Auflage von 1,6 Millionen. Sie erscheint, unter dem Namen Epoch Times heute in 35 Ländern und in 21 Sprachen.

Überschriften wie die zitierten deutschen findet man dabei in der amerikanischen Ausgabe selten. Politisch erscheint das Blatt dort vielleicht etwas konservativ, aber doch neutral.

In Deutschland wird die Zeitung von der „Epoch Times Europe GmbH“ herausgegeben. Ihr Geschäftsführer ist Manyan Ng, der auch Vorsitzender von „Falun Dafa“ war, der deutschen Repräsentanz von Falun Gong. Zwischen 2005 und 2012 erschien sie in Deutschland zunächst unter dem Namen „Die neue Epoche“, später dann als Epoch Times, auch als gedruckte Ausgabe. Seit 2012 gibt es nur noch die Website.

Und um die schien es eine Zeitlang auch nicht besonders gut zu stehen. Der „Wirtschaftswoche“ sagte Geschäftsführer Ng: „Sie können so etwas nicht machen, wenn Sie dauerhaft nur Geld hineinstecken.“ Wirtschaftlich erfolgreich schien das Projekt zumindest in Deutschland zunächst nicht gewesen zu sein.

Mit Empörung an die Spitze

Mit Angela Merkels „Wir schaffen das“ und der sogenannten „Flüchtlingskrise“ kam aber plötzlich alles anders. Die Berichterstattung der Zeitung schoss sich langsam aber sicher ein. Die Zugriffszahlen gaben Ng dabei Recht. Anfang 2015 hatte man monatlich etwa 1,4 Millionen Zugriffe. Später im Jahr hatte sich diese Zahl fast verdoppelt. Heute sind es etwa 3,6 Millionen jeden Monat, wie sich mit Hilfe der Website „Similar Web“ nachvollziehen lässt. Laut der „Wirtschaftswoche“ macht das Unternehmen 2015 einen sechsstelligen Umsatz. Ng sagte der Zeitung, dass im Berliner Büro 12 Menschen arbeiten.

Auch in der Rangliste von „10.000 Flies“ macht sich die Berichterstattung bemerkbar. Hier wird festgehalten, wie sich deutsche Medien in den sozialen Netzwerken schlagen, also wie die Nutzer interagieren, mit Likes, Shares und Kommentaren. Zum ersten Mal erscheint die Epoch Times in der Liste für September 2015 und steigt auf Platz 28 ein. Im Oktober liegt sie dann schon auf Platz 9 und damit vor der Süddeutschen Zeitung, dem Stern, der Frankfurter Allgemeinen oder Tagesschau.de. Seitdem hat sich nicht viel geändert. In der aktuellen Rangliste für April 2017 erreicht sie den achten Platz. Erfolgreicher in den sozialen Netzwerken sind nur Bild, Welt, Focus Online, Spiegel Online, RTL Next, Sport1 und die österreichische Kronenzeitung.

Screenshots von der Pegida-Facebookseite. An einem Tag werden zwei Artikel der „Epoch Times“ geteilt.

„10.000 Flies“ nannte die Epoch Times 2015 das „Lieblingsmedium der Pegida-Bewegung“. Und auch heute werden auf der Facebookseite von Pegida (46.142 Likes, Stand 13.06.2017) neben Texten von PI-News, obskuren rechten Blogs und teilweise auch seriöseren Medien, immer wieder Artikel der Epoch Times geteilt. Am 02.06. waren es gleich zwei innerhalb von 24 Stunden. Kombiniert mit den eigenen Likes (73.827 am 13.06.) hat die Seite so eine große Reichweite, vor allem nach rechts.

Geflüchtete müssen dankbar sein

Die Epoch Times bewegt sich dabei auf einem schmalen Grat, bei dem es immer wieder Ausreißer gibt. Viele der Artikel haben vor allem reißerische Überschriften und bleiben im Text überraschend neutral. Oft handelt es sich dabei ohnehin nur um Agenturmeldungen der DPA. Immer wieder gibt es aber auch Stücke, die das tendenizöse Versprechen einhalten, dass die Überschrift gegeben hat. Ende 2015 und damit zu Beginn des großen Erfolges der Seite findet sich der Artikel „Essen schmeckt nicht, keine Gebetsräume, kein WLAN – im Asylheim Offenbach brodelt’s“. Als Autor_in findet sich nur das Kürzel „sm“ am Ende des Textes. Möglicherweise der im Impressum geführte Redakteur Steffen Munter. Erst werden im Text die Mängel der Asylunterkunft aufgezählt, schlechtes Essen, keine Winterkleidung, mangelnde Hygieneartikel und keine Decken. „Doch was hier am meisten fehlt ist Demut und Dankbarkeit, dass man noch am Leben ist, ein Dach über dem Kopf hat, überhaupt warme Mahlzeiten bekommt, bedient wird. Für das alles muss man kein Geld bezahlen, das hat die Gemeinschaft übernommen, die Gesellschaft, die Menschen in diesem Land.“

Hier wird schon recht eindeutig auf der Klaviatur des Rechtspopulismus gespielt. Es wird verallgemeinert und vor allem wird Dankbarkeit gefordert. Als gäbe es kein im Grundgesetz verankertes Recht auf Asyl und Geflüchtete müssten sich eigentlich aus permanenter Dankbarkeit vor den guten deutschen Helfern auf den Boden werfen. Ähnliches liest sich – wenig überraschend – in den Gastbeiträgen des mittlerweile verstorbenen Gastautors Udo Ulfkotte. Auch hier wird wieder wieder „Dankbarkeit“ gefordert: „In Deutschland schuften sich freiwilligen Helfer in den Notunterkünften ab um die Migranten menschenwürdig unterzubringen. Anstatt zu helfen schauen die jungen syrischen Männer nur zu und browsen in ihren Smartphones.“ Auch bei solchen Artikeln wählt man bei der Epoch Times gerne Überschriften, die an Clickbait erinnern. Also mit reißerischen Behauptungen, Fragen oder Andeutungen dazu verführen, geklickt zu werden: „Traumatisierte Flüchtlinge? So werden wir veräppelt“ heißt ein anderer Artikel von Ulfkotte oder „Die ‚Flüchtlings‘-Kriminalität zwischen Fakten und Medienlügen“ ein Artikel von Ines Laufer. Laufer schreibt ansonsten hauptsächlich für das Blog „Fisch und Fleisch“ mit Titeln wie „Deshalb wähle ich die AfD“ oder „Die neue Stasi heißt ver.di“.

Die Epoch Times und Pegida

Neben Geflüchteten, treibt auch Pegida die Epoch Times um. Bis Ende 2016 widmete die Websites dem rassistischen Demonstrationszug einen wöchentlichen Liveticker. Einige der Artikel haben am Ende nur das Kürzel „rf“, andere wurden unter dem Namen Rosemarie Frühauf veröffentlicht. Eine Autorin, die auch im Impressum der Website unter Redaktion gelistet ist.  

Die Liveticker sind dabei detaillierte Beschreibung aus der Pegida-Perspektive, ohne den Versuch, das Gesagte einzuordnen. Hier ein Beispiel vom 27. Juli 2015:

„Eine Chemnitzer Rednerin prangert die Bigotterie derjenigen smartphonebesitzenden ‚Flüchtlinge‘ an, die vor laufenden Kameras erklären, wie schlimm es sei, dass ihre Frauen und Kinder noch im Krieg leben müssten. Sie nennt sie ‚junge allein reisende Männer, die hier herkommen um unsere Sozialsysteme auszuplündern‘.

‚Kommen sie wirklich aus Gegenden wo Chaos, Hunger und Not herrschen‘, fragt sie, oder ’sieht dieses Chaos ganz anders aus, als man uns weiß macht?‘

‚Ich bin Mutter von vier Kindern, ich würde niemals flüchten ohne meine Kinder.'“

Die Autor_in „rf“ versucht gar nicht erst, sich vom Beitrag der „Chemnitzer Rednerin“ zu distanzieren oder zu hinterfragen was hier gesagt wurde. Vielmehr setzt sie sogar das Wort Flüchtlinge in Anführungszeichen. Ein gern benutzter Kunstgriff in der Szene von Pegida, AfD und Co, mit dem suggeriert werden soll, dass Menschen die nach Deutschland geflohen sind, nur vorgeben würden, Flüchtlinge zu sein.

In einem Liveticker von März 2015 – diesmal vollständig anonym veröffentlicht – wird eine Rede von der damaligen Pegida-Frontfrau Tatjana Festerling wiedergegeben. Auch diesmal wird auf eine Einordnung verzichtet. Unter anderem findet sich diese Passage im Text:

„‚Islamismus und Linksradikalismus werden benutzt, um Grundrechte auszuhebeln‘, sagt sie in ihrer Rede. ‚Political Correctness heißt das Umerziehungsprogramm, das uns Politik, Medien und Kirchen einbläuen. Erwachsene, verantwortliche, gebildete Menschen werden von den Etablierten diese Landes wie kleine Kinder und geistig Behinderte behandelt.‘, so Festerling. Die Ideologischen Waffen, die dazu verwendet würden, seien die Ismen wie Genderismus, Feminismus, Rassismus etc.“

Im Prinzip eine Wiedergabe von Festerlings Inhalten, ohne diese irgendwie in Frage zu stellen. In indirekter Rede benutzt die Autor_in schließlich die gleichen Begriffe, wie Festerling es getan hat unter anderem auch „Genderismus“, ein Kampfbegriff der Neuen Rechten und von Antifeministen, der hauptsächlich dazu dient Feminismus und Gleichstellungsbestrebungen ins Lächerliche zu ziehen.

Unter dem Titel „PEGIDA und Medienmanipulation: Warum das Medientheater um Pegida das eigentliche Problem ist“ fasst Frühauf ihre Sicht auf Pegida und die mediale Darstellung der Demonstrationen zusammen: „Es findet zum Thema Pegida eine ‚Berichterstattung‘ statt, die gar keine ist. Inhaltlich erfährt der Konsument der großen Medien nichts Präzises. Es wird gezielt desinformiert und verdreht.“ Medien lügen also und verdrehen die Wahrheit. Damit ist die “Epoch-Times”-Autorin ganz auf der Linie der Pegida-Demonstranten. Der Artikel endet mit klassischer Verschwörungsideologie: „Vielleicht ist Pegida und die Medienreaktion darauf ja auch ein Event, das von Geheimdiensten eingefädelt wurde, um uns einem (…) Bürgerkrieg näherzubringen? Unter diesem Gesichtspunkt sollte man die Berichterstattung, die Reden der Politik umso genauer betrachten und dem ganzen gegensteuern. Mit offenen Augen und Herzen.“

Screenshot aus dem Google Cache für die Website der „Bürgerbewegung pro Deutschland“ vom 17. März. Der Artikel erschien in gleichem Wortlaut auch auf der Website der „Epoch Times Deutschland“. Die Autorin Rosemarie Frühauf wird als Redakteurin im Impressum der „Epoch Times“ geführt.

Einige von Frühaufs Artikeln wurden bis vor kurzem auch auf der Website der rechtsradikalen Kleinstpartei „Bürgerbewegung pro Deutschland“ veröffentlicht. Wortgleich wurden sie offenbar von der Website von “Epoch Times” übernommen. Über die Details dieser möglichen Kooperation wollte sich gegenüber Belltower.News weder die Geschäftsleitung der Epoch Times, die „Bürgerbewegung pro Deutschland“ noch Frau Frühauf äußern. Nachdem wir um eine Stellungnahme gebeten haben, wurden die Artikel von der Website gelöscht. Eine Antwort auf unsere Emails haben wir von keiner Seite erhalten.

UPDATE 07.09.2017: Rosemarie Frühauf schreibt in einer Facebooknachricht, dass die Artikel der Epoch Times von der „Bürgerbewegung pro Deutschland“ ohne ihr Wissen oder das der Epoch Times übernommen wurden. Eine Kooperation fände nicht statt.

Hier finden Sie den zweite Teil dieses Artikels, in dem es um Unwahrheiten, Fake News und die enthemmten Kommentarspalten der Epoch Times geht.

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