Gender Mainstreaming meint zunächst eine »durchgängige Gleichstellungsorientierung«. Als Konzept aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit übernommen, wird Gender Mainstreaming etwa von der EU oder der Bundesregierung als Querschnittsaufgabe verstanden. Auf den Internetseiten der Bundeszentrale für politische Bildung wird dieser Gedanke weiter ausformuliert: »Gender Mainstreaming bedeutet, dass die Politik, dass aber auch Organisationen und Institutionen jegliche Maßnahmen, die sie ergreifen möchten, hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und von Männern untersuchen und bewerten sowie gegebenenfalls Maßnahmen zur Gleichstellung ergreifen.« Der Begriff Gender bezeichnet dabei das soziale Geschlecht oder die Geschlechterrolle. Die ist weder für Frauen noch für Männer naturgegeben, sondern unterliegt ständigen gesellschaftlichen Neubewertungen und Umdeutungen. Damit ist Gender veränderbar, jedoch nur begrenzt frei wählbar. Welche Rollenerwartungen an Individuen herangetragen werden, ist abhängig von gesellschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten, aber auch von Herkunft, Alter oder Schichtzugehörigkeit. In den Ausführungen des Journalisten Volker Zastrow klingt das jedoch vollkommen anders. So bezeichnet er Gender Mainstreaming in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Juni 2006 als »politische Geschlechtsumwandlung« und Gender als »emotionales oder metaphysisches Geschlecht«.30 Damit jedoch nicht genug. Zastrow wirft nicht nur unterschiedliche Konzepte und Theorien in einen Topf, die nicht zusammengehören und die sich teilweise widersprechen. Er sieht in Gender Mainstreaming letztlich eine ideologisch-verbohrte Interessenpolitik radikaler Feministinnen und Lesben, die »traditionelle Geschlechterrollen« und Familienformen zerstören und »den neuen Menschen« schaffen wollten. Damit hat der Journalist die Grundargumente für viele weitere Autorinnen und Autoren von Spiegel, Focus und Zeit, aber auch neu-rechten Denkerinnen und Denkern wie Barbara Rosenkranz oder Gabriele Kuby bereits ausformuliert.
Bundesweit gegen »Gender-Terror« und für die »Volksgemeinschaft«
Die kaum abgewandelten Wortgebilde und Beispiele tauchen auch in extrem rechten Kreisen auf. Etwa bei der 2009 gegründeten Initiative »Raus aus den Köpfen – Genderterror abschaffen«, die sich aus ehemaligen Aktivistinnen und Aktivisten der Freien Kräfte Thüringen und des Mädelrings Thüringen zusammensetzt. Deren Internetseite war erst auf den zweiten Blick als rechtsextrem zu erkennen und sollte »vor allem der jüngeren Generation aufzeigen, mit welchen Mitteln die politische Elite die Zukunft der Völker zerstört«. Nicht nur hier, sondern auch in der rechtsextremen Zeitschrift Umwelt und Aktiv oder der Zeitschrift der Jugendorganisation der NPD, den Jungen Nationaldemokraten (JN), wird von »Gleichstellungswahn«, der »Einebnung der Geschlechtsidentitäten« und letztlich einem »der größten Umerziehungsprogramme hin zum geschlechtslosen Homo Sapiens« gesprochen.
Dabei fällt nicht nur auf, dass Rechtsextreme den verschwörungstheoretischen Aspekt, der auch schon bei Zastrow angelegt ist, stärker betonen und Gender Mainstreaming als umfassendes, weltumspannendes und sozialistisches Projekt von »One-World-Ideologen« zur Schaffung einer »willenlosen grauen Masse« beschreiben. Sie verbinden ihre Ablehnung auch mit der Ablehnung von Homosexualität. Homophobie ist ein zentrales Feindbild in der extremen Rechten. So wird weibliche Homosexualität als Abweichung von einem aufopferungsvollen und mütterlichen Frauenbild abgelehnt. Aktuell äußern sich Rechtsextreme zunehmend abwertend gegenüber trans- und intersexuellen Menschen und deren vermeintlicher »Unnatürlichkeit«. Beispielsweise hat sich auch der »Ring Nationaler Frauen« in die Diskussionen um die Gewinner_in des »Eurovision Song Contest« 2014, Conchita Wurst, eingebracht. Männliche Homosexualität setzen Rechtsextreme dementsprechend mit einem Verlust von Männlichkeit gleich. Als bedrohlich werden eine damit angeblich einhergehende Verweichlichung und Feminisierung angesehen. Männlichkeiten sind im Rechtsextremismus nach wie vor rigide, martialische Männlichkeiten, die sich am »richtigen Mann« und »den harten Jungs« orientieren. Bei Michael Höss, Autor der JN-Zeitschrift „Der Aktivist“, liest sich die aufgebaute Drohkulisse des »Gender-Terrors« folgendermaßen: »Die Entmannung ganzer Generationen wird das Ende der freien Menschheit einläuten. Eine verweichlichte Männerschaft, Frauen, die keine Mütter mehr sein wollen und eine suchtkranke und auf Konsum getrimmte Jugend werden sich sicherlich nicht gegen eine weitere ökonomische und politische Unterwerfung wehren; und darauf bauen die Gender Strategen.«
Nazis vertreten in der Gender-Frage populistische und antimoderne Standpunkte
Es braucht wohl kaum noch erwähnt zu werden, dass es sich hier nicht mehr um das eingangs beschriebene Gender Mainstreaming-Konzept handelt. Ganz offensichtlich vertreten Rechtsextreme hier populistische und antimodernistische Standpunkte. Dabei können sie an entsprechende Debatten anknüpfen und greifen insbesondere deren völkisch-nationalistischen Ideologieversatzstücke auf. Damit bedienen sie sich weit verbreiteter gesamtgesellschaftlicher Diskussionen um »natürliche« Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Juliane Lang schreibt dazu zusammenfassend in dem Sammelband Gender und Rechtsextremismusprävention: »In derartiger Rhetorik eignet sich der Diskurs um ›Gender (Mainstreaming)‹ hervorragend dazu, um von der zweiten deutschen Frauenbewegung über den öffentlichen Umgang mit Homosexualität bis hin zum demografischen Wandel eine Vielzahl gesellschaftlicher Entwicklungen der letzten Jahrzehnte anzugreifen und zu einem Bedrohungsszenario für das »deutsche Volk« zu vermengen. Entgegengesetzt werden dem die heterosexuelle Ehe und Familie als kleinster Zelle der allem rechtsextremen Denken zugrunde liegenden Konstruktion der ›Volksgemeinschaft‹.« Jene »Volksgemeinschaft« bildet den Kern des rechtsextremen Weltbildes. Als Gesellschaftsvorstellung beruht sie auf starren – scheinbar »natürlichen« und damit unveränderlichen – und strikten Rollenvorstellungen und -aufgaben für diejenigen, die als Teil der »Volksgemeinschaft« angesehen werden. Nach Esther Lehnert sind hier starre Geschlechterbilder zentral. Ohne soldatische Männer und fürsorgende Frauen – selbstverständlich heterosexuell – wäre die beschworene Gemeinschaft nicht denkbar. Gerade in der Starre der »Volksgemeinschaft« liegt auch ihre »Verwundbarkeit«. Beständig sei sie von außen bedroht durch liberalere und durchlässigere Rollenangebote. Die Kehrseite der »Volksgemeinschaft« ist der »Volkstod«. Genau hier setzt die »identitätspolitisch aufgeladene« Debatte um Gender Mainstreaming an.
Rechte Frauen aus MV – Antifeministinnen aus der zweiten Reihe?
Bundesweit nehmen rechtsextreme Frauen dabei eine herausgehobene Rolle ein. In Fragen der Familien- und Geschlechterpolitik ist beispielsweise die »weibliche Perspektive« des »Rings Nationaler Frauen« (RNF) willkommen, der etwa durch Reden oder Flugblätter zur Stichwortgeberin der NPD wird.
Auffällig ist, dass sich rechte Frauen in ihren Äußerungen zu Gender Mainstreaming auf eine »natürliche Weiblichkeit« berufen, die es zu bewahren gelte. Feminismus und Gleichberechtigung gelten ihnen als Teil des »gigantischen Umerziehungsprojekts«, das die Frauen von ihren »natürlichen« Pflichten abbringen und letztendlich die gesamte »Volksgemeinschaft« bedrohen würde. Betont wird nicht die Gleichberechtigung von Mann und Frau, sondern ihre Gleichwertigkeit, »die auf der Unterschiedlichkeit von Frauen und Männern« beruhe. »Ungleiches gleich zu behandeln ist ungerecht« schreibt deshalb auch der RNF in einem Flugblatt zu Gender Mainstreaming. Doch während sich bundesweit eine Vielzahl von rechten Frauen zu den Themen Gleichstellung, Feminismus oder Familienpolitik äußert, liegen diese Themen in Mecklenburg-Vorpommern auf den ersten Blick vornehmlich in Männerhand. Dies ist ein Trugschluss, da hier ausschließlich auf die Aktivitäten der männlichen Landtagsabgeordneten geachtet wird. Die öffentlichen Reden und Publikationen der Landtagsfraktion der NPD sind jedoch nur der sichtbare Teil der Auseinandersetzung. Frauen, die beispielsweise in den Landesverbänden des RNF und der »Gemeinschaft deutscher Frauen« (GDF) aktiv sind, bringen sich in interne Diskussionen ein, werden selbst aktiv und gestalten die Politik der rechtsextremen Parteien und Kameradschaften mit. Vereinzelt vertreten sie ihre Ideologie auch öffentlich, wie beispielsweise Janette Krüger in einem Interview mit dem rechtsextremen Szene Portal »MUPinfo.de«. Oder Runhild Köster. Die Ehefrau des vorbestraften NPD-Landtagsabgeordneten Stefan Köster veröffentlichte im April 2008 für die Gemeinschaft deutscher Frauen einen langen Artikel zu Gender Mainstreaming in der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“. Sie argumentiert hier ähnlich wie der FAZ-Journalist Volker Zastrow oder die Publizistin Gabriele Kuby und bezeichnet außerdem aktuelle sexualpädagogische Ratgeber als »Anleitung zur Homosexualisierung der Schüler«. »Die Hinarbeitung auf alleinige sexuelle Interessen, bei der vor allen Dingen die eigene Lustbefriedigung im Mittelpunkt steht, lässt eine Vorbereitung auf die klassische Rolle als Eltern und verantwortungsvolle Partner nicht mehr zu. Es findet vielmehr die Heranbildung einer geschlechts- und damit identitätslosen Masse statt. Denn ohne Identität ist der Mensch wurzellos und dadurch ein manövrierfähiges Individuum.« Ebenfalls 2008 stellte die NPD-Landtagsfraktion den Antrag zur Einstellung aller Gender Mainstreaming-Programme. Stefan Köster behauptete, dass die Frauenquote ein Grund dafür sei, dass sich »viele Frauen […] als Frau in Ihren Milieuparteien (gemeint sind hier CDU, FDP, SPD und LINKE) nicht mehr wiederfinden und zunehmend der nationalen Opposition zuwenden« würden.
Auch in einem der wenigen veröffentlichten Interviews mit Marianne Pastörs geht es um Geschlechterrollen und Familienpolitik. Marianne Pastörs ist nicht nur Ehefrau des Fraktionsvorsitzenden der NPD im Landtag und auf Materialien der Partei stets prominent platziert. Sie saß bis 2014 auch für die gleiche Partei vier Jahre im Kreistag des Landkreises Ludwigslust-Parchim und ist nach wie vor führend aktiv im RNF. Nach dem Frauenbild der NPD gefragt, antwortet Pastörs 2010, dass es sich klar von den Vorstellungen der »sogenannten etablierten Parteien« unterscheide. Dabei bedient sie nicht nur das Selbstbild der NPD, sich fortwährend als einzige und angeblich »entideologisierte« Alternative zu den »Systemparteien« darzustellen. Gleichzeitig stellt sie klare frauenpolitische Forderungen auf. Frauen seien mehr als »das Heimchen am Herd« und verdienten für ihre Arbeit den gleichen Lohn wie Männer. Diese durchaus anschlussfähigen Ansichten untermauert Pastörs mit bekannten rechtsextremen Warnungen vor »Gleichmacherei« und »widernatürlichen Sichtweisen«. Die »natürliche Aufgabe« von Frauen ist für Pastörs die Mutterschaft, die es etwa durch ein »Müttergehalt« für ausschließlich deutsche Frauen zu fördern gelte. Wem dieses »Schicksalskorsett« zu eng ist, wird schnell zu einer »den Männern nacheifernden Emanze«, die sich bereitwillig »als Verfügungsmasse für die Industrie dienbar machen« lässt. »Das Ergebnis dieser Verirrungen spiegelt sich in der niedrigsten Geburtenrate, die es je auf deutschen Boden gab, wieder.« Deutlicher hätte es kaum ausformuliert werden können: Rechtsextreme Frauen wie Marianne Pastörs sehen deutsche Frauen in der Verantwortung, den befürchteten »Volkstod« zu verhindern. Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter würden sie nur davon ablenken.
Sexismus und Homophobie
Neben der Veröffentlichung der Interviews mit Janette Krüger und Marianne Pastörs widmet sich das rechtsextreme Info-Portal „MUPinfo“ auch an anderen Stellen der Ablehnung von Gender Mainstreaming und Feminismus. Da wird gegen die Geschlechterforschung an der Universität Greifswald gehetzt oder schadenfroh über eine »antifeministische Aktion« an der Universität Ros-tock berichtet: »Offenbar möchte man mit derben Parolen an archaische Männerinstinkte appellieren, Feministinnen auf die Palme bringen und die eigene Universität vor der zügellosen DurchGenderung schützen.« Seit April 2014 mobilisieren Rechtsextreme auf einer weiteren Internetseite aus MV gegen Gleichberechtigung und Geschlechterdemokratie. Auf »kontrakultur« versuchen die Macherinnen und Macher mithilfe von Podcasts, Text- und Videobeiträgen aktuelle, völkisch-identitäre Themen der rechten Szene aufzugreifen und theoretisch zu fundieren.
Zwei Beiträge beschäftigen sich mit dem »verlorenen Ideal« der Familie. Familie wird als »Keimzelle eines Volkes« und quasi unveränderliches Merkmal »eines gesunden Volkskörpers« beschrieben und mit Werten wie Treue, Pflicht und Verantwortung für die Gemeinschaft verknüpft. Der Bezug auf die rechtsextreme Volksgemeinschaftsideologie ist unverkennbar. Der Argumentation zufolge wird die Familie durch den Liberalismus in all seinen Ausformungen bedroht. Gender Mainstreaming gilt dabei als dessen »perverseste Maßnahme«. Die Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten hinter »kontrakultur.de« wiederholen hier die Beschreibung von Gender Mainstreaming als Auflösung der »natürlichen Geschlechterrollen«. Am Ende dieses individualistischen »Versuchsexperiments« drohe die »seelenlose kollektive Masse«, ohne »jeglichen Gemeinschaftswert« und unendlich formbar für »globalkapitalistische Interessen«.
Neben grundsätzlichen Verkürzungen und ideologischen Verbrämungen – einem Kollektiv ohne eigenen Willen wird hier ein anderes Kollektiv ohne eigene Interessen gegenübergestellt – und trotz reichlich Textoutput wiederholen die Rechtsextremist/innen hinter »kontrakultur.de« nur ein weiteres Mal die antimodernistische und autoritäre rechte Ideologie.
In ihren Ansichten werden rechtsextreme Frauen in MV tatkräftig von den NPD-Abgeordneten der Landtagsfraktion unterstützt. Vor allem der schon erwähnte Stefan Köster, sozialpolitischer Sprecher der Fraktion, bringt immer wieder Anträge und Wortbeiträge zu Gender Mainstreaming, Homosexualität und Familienförderung ein. So etwa im März 2008, als die NPD-Fraktion die Einstellung aller Gender Mainstreaming-Programme und stattdessen die Förderung deutscher Familien forderte. Im entsprechenden Antrag heißt es: »Durch ›Gender Mainstreaming‹ werden natürliche und gewachsene Bindungen sowie Horte der Geborgenheit wie die Familie sowie die Partnerschaft Mann-Frau negiert, herabgewürdigt und zerstört. Die Einstellung der Gender Mainstreaming-Programme ist ein folgerichtiger Schritt. Die freigewordenen Gelder sollen für die Vorsorge der Kinder und die Förderung der klassischen Familie eingesetzt werden.«
Diese Position wurde von der Landtagsfraktion der NPD auch in den folgenden Jahren zu jeder sich bietenden Gelegenheit verteidigt. Als im März 2014 die vierte Gleichstellungskonzeption des Landes vorgestellt wurde, sprach Stefan Köster nur von einer »angeblichen Gleichstellung«, die »an der Lebenswirklichkeit vorbei« gehe. Die Landesregierung würde »verfassungswidrig Gleichmacherei« betreiben. »Die Fortschreibung der Gleichstellungskonzeption dient der weiteren Entfremdung des natürlich gewachsenen Verständnisses des Frauen- und Männerbildes.« Nochmals zeigt sich, dass die Ablehnung von Gender Mainstreaming – oder von dem, was Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten dafür halten – zentral mit der Annahme einhergeht, dass Identität eben nicht sozial beeinflusst, sondern angeboren oder naturgegeben sei. Das vehemente Beharren auf Geschlecht und Geschlechterrolle als unveränderliche Tatsachen ist auch eine Stellvertreterdebatte: denn andere Ideologieelemente der extremen Rechten könnten über den Punkt des Veränderbaren ebenfalls infrage gestellt werden.
Beispielsweise Sexualität. Zentral für den Erhalt der homogenen »Volksgemeinschaft« ist die Ehe zwischen deutscher Frau und deutschem Mann, deren Ziel die Elternschaft von möglichst vielen deutschen Kindern ist. Abtreibungen, Homosexualität oder die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften sind in dieser Ideologie nicht denkbar. Gerade männliche Homosexualität bildet im rechtsextremen Denken den Gegensatz zur »völkisch-konstruierten Familie«. Einem Männlichkeitsbild, das auf Härte und Kraft basiert, wird die Vorstellung von verweichlichten, egoistischen und dekadenten Homosexuellen gegenüber gestellt, deren Sexualität zudem durch familienfeindliche Politik gefördert werde. Im August 2012 und Oktober 2013 etwa stellte die NPD-Fraktion im Landtag zwei Anträge, die sich gegen die steuerliche Gleichstellung und das Adoptionsrecht von gleichgeschlechtlichen Paaren richteten. Mehr als einmal führte Stefan Köster aus, wie die Sexualitätsvorstellungen seiner Partei aussehen, angereichert mit Kritik am angeblichen »Zeitgeist« und verschwörungstheoretischen Einschlägen. »Ihr lebensfeindliches Familienbild […], welches einzig und allein an der Profitmaximierung international vernetzter Konzerne ausgerichtet ist, richtet sowohl unser Land als auch unser Volk zugrunde.« Wiederholt attackieren Rechtsextreme außerdem Forderungen nach Gleichberechtigung von Lesben und Schwulen, wie sie z.B. alljährlich auf den Veranstaltungen zum Christopher Street Day weltweit Gehör finden. Im Juli 2013 wollte die »Kameradschaft Schwerin« mit einer »Heterophilen Schnipselaktion« auf ihre Ablehnung der »Homoehe und [der] völlige[n] Gleichstellung nichtheterosexueller Lebensgemeinschaften mit der Ehe« aufmerksam machen. »In ihrem blinden »Vielfalts«-Denken, getrieben von perversen und individualistischen Obsessionen, merken die Demokraten leider gar nicht mehr, wie einfältig sie eigentlich sind.«52 Nicht nur hier wird deutlich, dass es bei den Protesten gegen den Christopher Street Day um mehr geht, als die Ablehnung von Paraden und Demonstrationen. Knapp ein Jahr später, im Juni 2014, stellte die NPD-Landtagsfraktion den Antrag, das Land solle die Beflaggungsordnung strikt durchsetzen, um das Hissen der Regenbogenfahne anlässlich des »unsäglichen CSD« am Schweriner Schloss zu unterbinden. Doch nicht die Fahne an sich störte, sondern die öffentliche Absage an völkische Familien- und Geschlechtervorstellungen: »Die hoheitliche Förderung von familienfeindlichen Lebensformen hat in unserem Bundesland zu unterbleiben.«
Die NPD in MV: Keine »Männersekte«
Abschließend bleibt die Frage, wie denn die beschworene »Gleichwertigkeit« von rechtsextremen Frauen in der NPD von Mecklenburg-Vorpommern praktisch aussieht. Nach den Kommunalwahlen im Juni 2009 legten mehrere gewählte NPD-Kandidatinnen ihre Mandate zugunsten von männlichen Nachrückern nieder oder verzichteten auf Nachrückmandate. Zu den Landtagswahlen 2011 stellte die NPD dann eine rein männliche Kandidatenliste auf, obwohl die NPD-Kreistagsabgeordnete Doris Zutt fest mit einem Listenplatz gerechnet hatte. Stefan Köster betonte dazu in einem Interview, dass »Persönlichkeit« wichtiger sei als »Geschlecht«. Außerdem würden die Frauen in der NPD sich gerade eher mit Kindern als mit Politik beschäftigen. Parteiintern wird konsequent umgesetzt, was auch nach außen ideologisch vertreten wird. Damit ist die NPD weder eine »Männersekte« noch hat sie ein »Frauenproblem«. Die Mandatsniederlegungen und Kandidaturdebatten bestätigen vielmehr die Struktur und Ideologie der Partei. Entsprechend ihres Familien- und Geschlechterbildes kann ein allzu aktives Engagement von Frauen nicht zugelassen werden und von den Frauen auch selbst nicht gewollt sein. Alles andere würde im Selbstwiderspruch enden. Wer davon ausgeht, dass Gleichberechtigung, die »natürlichen Geschlechterrollen […] vollkommen auf den Kopf« stellen würde, kann in der eigenen Partei selbstredend keine Gleichstellungsmaßnahmen ergreifen. Carsten Hübner liegt im Neuen Deutschland vom 17. Juli 2009 ganz richtig mit seiner Annahme: Die Beteiligung von Frauen ist solange geduldet und förderlich, solange sie hilft, das »Machoimage der Partei« aufzubessern. »Kommen sie dabei jedoch ihren männlichen Kameraden in die Quere, haben sie selbstverständlich ins zweite Glied zurückzutreten.«
Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre:
Frauen und Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern.
Eine Broschüre des Vereins „Lola für Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern e.V.“ im Auftrag des Landesfrauenrates M-V e.V.in Kooperation mit der Amadeu Antonio Stiftung.2015
Die Broschüre gibt es hier als pdf zum Download.Eine Printversion können Sie hier bei der Amadeu Antonio Stiftung bestellen.
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