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Wissen, was gespielt wird… Was macht Menschen in der Krise so anfällig für Verschwörungsideologien?

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Ein Demonstrant mit "Widerstand2020"-Schild auf einer der Querfront-Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. (Quelle: picture alliance/Christoph Soeder/dpa)

Verschwörungsideologien erfüllen im Wesentlichen vier Funktionen, die erklären, warum sie insbesondere in Krisenzeiten an Anziehungskraft gewinnen.

1. Verschwörungsideologien stiften Sinn und Erkenntnis. Sie pressen komplexe, widersprüchliche Phänomene in stark vereinfachte gut/böse-, richtig/falsch-, Freund/Feind-Schemata. Dadurch vermitteln sie das Gefühl, die Lage zu überblicken und kontrollieren zu können. In der COVID-19-Pandemie werden wir täglich mit vielen, teilweise widersprüchlichen Informationen überflu-tet. Auch diejenigen, die als Expert*innen informieren und Entscheidungen treffen sollen, sind bisweilen von der Lage überfordert, irren sich oder machen Fehler. Diese Unsicherheit macht Menschen empfänglich für vermeintlich klare, entlastende „Lösungsvorschläge“. Besonders dann, wenn sie die Erklärung anbieten, die man ohnehin glauben möchte.

2. Verschwörungsideologien liefern leicht anschlussfähige Identitätsangebote. Innerhalb des Freund-Feind-Schemas verorten sich die Verschwörungsideolog*innen auf der Seite „der Guten“ und „Aufgeklärten“. Sie sind somit diejenigen, die „wissen, was wirklich gespielt wird“ und nun andere darüber aufklären. Diese Vorstellungen basieren auf Abgrenzung und zielen daher stets auf die Abwertung derjenigen, die als „böse Verschwörer“ ausgemacht werden . COVID-19 hat etwas Unheimliches an sich. Es ist für das menschliche Auge unsichtbar, man kann es haben, ohne es zu merken, es kann aber auch tödlich sein und hat sich bereits über die gesamte Welt verteilt. Es kann nur durch Forschung und langwierige, restriktive Maßnahmen bekämpft werden. Verschwörungserzählungen, die diesem eher abstrakten Phänomen ein konkretes Gesicht geben, wirken entlastend. Denn all die negativen Gefühle, die pandemiebedingt aufkommen, können so in ein eindeutiges Feindbild ausgelagert und in diesem bekämpft werden.

3. Verschwörungsideologien wirken manipulativ. Die Erzählweise ist in der Regel sehr einseitig, übermäßig gefühlsbetont und nicht differenziert. Sie vermittelt ein Gefühl der Bestätigung. In der aktuellen Krise möchten viele Menschen gerne glauben, dass COVID-19 gar nicht so schlimm sei. Denn dann gäbe es weniger Grund, Angst zu haben und die „Normalität“ könnte zurückkehren. Die Angst vor dem Virus, wie auch vor einer vermeintlich drohenden Diktatur durch die Einschränkung von Grundrechten wird von Verschwörungserzählungen aufgegriffen und instrumentalisiert.

4. Verschwörungsideologien legitimieren bestimmtes Verhalten (oder Scheitern) als Reaktion auf die Bedrohung durch „die Verschwörer“. Diese Funktion macht Verschwörungsideologien besonders gefährlich, da sie in letzter Instanz auch Gewalt oder sogar Mord rechtfertigen können. Das belegen die rechtsterroristischen Anschläge der letzten Jahre – etwa in Pittsburgh, Christchurch, Poway, Halle und Hanau. Die Täter rechtfertigten ihre Gewalt durch antisemitische und rassistische Verschwörungsideologien. Anlässlich der Pandemie verzeichnen auch Verschwörungserzählungen, die Gewalt rechtfertigen oder zu ihr aufrufen massiven Zulauf. Die Untergangsstimmung der Pandemie wird einigen dieser Erzählungen umgedeutet zu einer historischen Chance („Tag X“) für einen gesellschaftlichen Umsturz. Besonders Rechtsextreme rufen dazu auf, diesen Umsturz selbst herbei zu führen. In anderen Erzählungen wird behauptet, die Bundesregierung plane die Einführung einer Diktatur. Es wird dazu aufgerufen, die Demokratie „zu verteidigen“ – auch das meint jedoch in der Regel den Sturz der aktuellen Regierung.


Der Text ist ein Auszug aus der Broschüre:

Titelbild der Broschüre „Wissen, was wirklich gespielt wird: Krise, Corona und Verschwörungserzählungen“

Amadeu Antonio Stiftung (Hrsg.): Wissen, was wirklich gespielt wird: Krise, Corona und Verschwörungserzählungen (2020)

In Zeiten globaler Krisen und den damit verbundenen Unsicherheiten werden Verschwörungsideologien besonders häufig geteilt. Vermeintlich wird Kritik geübt, doch in Wirklichkeit werden komplexe Zusammenhänge auf das Wirken einzelner Personen oder Gruppen reduziert. Verschwörungsideologien entwerfen ein apokalyptisches Bild, aus dem es nur einen Ausweg zu geben scheint: den Kampf der Guten gegen die „Verschwörung“. Diese Handreichung des Projekts No World Order soll dabei helfen, Verschwörungserzählungen um die COVID-19 Krise zu widerlegen und ihre Verbreitung einzudämmen. Dazu wurden sieben aktuell populäre Verschwörungserzählungen zusammengestellt, die in ihnen enthaltenen Missverständnisse, Lügen und Desinformationen aufgedeckt und ihnen mit Fakten begegnet.

PDF zum Download: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2020/05/AAS_wissen_was_wirklich_WEB.pdf

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