Dabei ist es noch garnicht solange her, dass der Flirt zwischen AfD und Pegida so aussah, als könne doch noch etwas ernstes werden aus der Wutbürger-Partei und der Wutbürger-Demo. Im März 2018 beschloss der Parteikonvent der Rechtspopulisten, dass AfD-Mitglieder auf Pegida-Kundgebungen reden dürfen. Das vormalige Verbot ging noch auf die ehemalige Parteichefin Frauke Petry zurück. Aber schon hier kündigte sich Ärger an, denn auch der neue Parteichef Alexander Gauland sprach sich im Stern für eine Aufhebung des Verbotes auf, aber nur, wenn „Herr Bachmann aus dem Schaufenster der Bewegung verschwindet“. Auch Gaulands Co-Vorsitzender Jörg Meuthen sprach sich für die Abschaffung des Auftrittsverbotes aus. Der FAZ sagte er, dass er nur „wirklich ein Problem“ mit der „Personalie Bachmann“ habe. Mit ihm „können wir uns keine Kooperation vorstellen, das wurzelt in der Person Bachmann.“ Bachmann – unter anderem vorbestraft wegen Drogenhandel, Fahren ohne Fahrerlaubnis und Trunkenheit im Straßenverkehr, Einbruchsdiebstahl, Körperverletzung und Volksverhetzung – war schon damals empört und teilte per Facebook mit es gäbe „Personalien bei Pegida, die unverhandelbar sind“ und meinte damit offenbar hauptsächlich seine eigene. Schon im März war die AfD sich allerdings offenbar nicht ganz einig. Bild berichtete damals schon: „Tatsächlich wird in hochrangigen AfD-Kreisen jetzt auch nicht mehr ausgeschlossen, dass Bachmann von der besonders akut nach rechtsaußen driftenden AfD Sachsen künftig sogar als Europa-Kandidat aufgestellt wird.“ Bachmann war auch beim Kyfhäusertreffen des rechtsnationalen „Flügels“ der AfD, der laut André Poggenburg – mittlerweile in Ungnade gefallen – eine „Korrektivfunktion innerhalb der AfD“ habe und an die „Grundwerte“ der Partei erinnere. Vor dem Versammlungsort wurden Journalist*innen von Teilnehmenden als „Fotze“ und „Dreckschweine“ bezeichnet und bedroht.
Das komplizierte Verhältnis zu Bachmann zeigt sich auch aktuell wieder. In Chemnitz hatten Pegida und AfD gemeinsam am 1. September einen „Schweigemarsch“ veranstaltet. In der ersten Reihe der Demo viele bekannte AfD-Gesichter – unter anderem Björn Höcke und Christina Baum, stellvertretende Landesvorsitzende der AfD Baden-Württemberg und Mitinitiatorin der rechtsextremen „Kandel ist überall“-Proteste. Daneben die Pegida-Organistoren Bachmann und Däbritz. Die Sächsische Zeitung schreibt in ihrer Printausgabe mit Bezug zur Demo: „Die Verbundenheit ist so stark, dass Pegida-Organisatoren sogar als AfD-Kandidaten gehandelt werden: Nach SZ-Informationen soll Lutz Bachmann bei der Europawahl 2019 antreten, sein Vize Siegfried Däbritz bei der Landtagswahl im Kreis Zwickau.“
Der “Schweigemarsch”, auf dem Teilnehmende unter anderem „Frei, sozial, national“ skandierten, wurde von Gegendemonstrant*innen blockiert. Die AfD-Spitzen verabschiedeten sich schnell und unauffällig, unter Buhrufen der restlichen Teilnehmenden. Von den rechtsextremen Skandierern distanzierte man sich auch diesmal nicht. Jörg Urban, Landesvorsitzender der AfD Sachsen gab gegenüber der Zeit schlicht an, die Ausrufe hätte es einfach überhaupt nicht gegeben und „Was danach passiert ist, wissen wir nicht.“
Schon bei anderen Demonstrationen in Chemnitz für die einzelne AfD-Kanäle mobilisiert hatten und an denen sich auch AfD-Abgeordnete beteiligten, gab es ähnliche Szenen. „Ausländer raus“, „Für jeden toten Deutschen, ein toter Ausländer“ wurde beispielsweise skandiert, unter Beifall auch „Wir sind die Fans – Adolf Hitler Hooligans“, sowie „Nationaler Sozialismus – Jetzt! Jetzt! Jetzt!“
Obwohl auch hier die AfD hauptsächlich Verständnis zeigte – Alexander Gauland bezeichnete die Ausschreitungen in Chemnitz als „normal“ – will die Partei offenbar nicht mehr weiter mit allzu extremen Demonstrationen assoziiert werden. Götz Kubitschek, selbsternannter Vordenker der sogenannten „neuen“ Rechten, hatte bereits am 3. September auf seinem Blog in gewohnt dramatischer Art angeprangert, dass die Polizei beim blockierten “Trauermarsch” das „Recht nicht durchsetzt“, den AfD-Oberen sei gar nichts anderes übrig geblieben, als den Demonstrationszug zu verlassen und damit die Anhänger*innen zu verprellen: „Bloß keine schlechten Bilder!“ Kubitschek rät der Partei dann, überhaupt keine Demos mehr zu veranstalten: „Laßt das andere machen!“
Kubitscheks Vorschlag hat nur in sehr veränderter Form Gehör gefunden. Der Bundesvorstand fasste Mitte September einen Beschluss, in dem es heißt: „Auf Grund der Erfahrungen nach den Vorkommnissen in Chemnitz empfiehlt der Bundesvorstand allen Mitgliedern der Alternative für Deutschland dringend, nur an solchen Kundgebungen teilzunehmen, die ausschließlich von der AfD angemeldet und organisiert worden sind.“
Folgerichtig überdenkt auch die sächsische AfD jetzt ihr Verhältnis zu Pegida. Laut Sächsischer Zeitung wurde auf einem Parteitag die Forderung eines Schulterschlusses von Partei und Pegida „mit überwältigender Mehrheit abgelehnt“.
Lutz Bachmanns Chancen auf einen gutdotierten Job als AfD-Europaabgeordneter in Brüssel sind also wieder gefallen und er ist – wie so oft – empört. Aber noch ist nicht alles vorbei, denn der 17-fach vorbestrafte hat schon 2016 eine eigene Partei gegründet. Die Freiheitlich Direktdemokratische Volkspartei, kurz FDDV.
Auf Facebook hat die Bachmann-Partei zur Zeit 330 Likes. Auf der Seite passiert wenig: In diesem Jahr sind die beiden einzigen Einträge aus Februar und März. Seit September und seitdem klar ist, dass AfD und Pegida erstmal nicht weiter zusammenkommen, meldet sich Bachmann auf der Seite wieder vermehrt zu Wort und kündigt jetzt seine nächsten Schritte an: „Pegida wird sich baldmöglichst, ob in der EU oder in Sachsen dann, aktiv in die Politik einmischen und ihre Jobs übernehmen“, danach spricht er von einer „Liste Pegida“.
Wie sich der Rosenkrieg zwischen Rechtspopulist*innen und Rechtspopulis*innen weiter entwickelt, ist heute noch nicht abzusehen. Das Verhältnis dürfe aber turbulent bleiben, vor allem wenn Bachmanns Kleinstpartei tatsächlich zur EU- und zur Landtagswahl antreten sollte.