„Die Identitären – wir wollen Aufmerksamkeit um jeden Preis“, so könnte das inoffizielle Motto der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB) lauten. Die Aktivist_innen versuchen dabei alles, um in den eigentlich so verhassten „Mainstream- Medien“ Erwähnung zu finden. Von öffentlichen Gebäuden werden Banner heruntergelassen oder Aktivist_innen setzen sich vor Ministerien oder Parteizentralen und nennen es „Besetzung“. Ziel dabei ist vor allem Bilder zu generieren, die dann über zahlreiche Social-Media-Kanäle verteilt werden können. Nach außen präsentiert sich so eine „Bewegung“. Nach Recherchen der „Zeit“ gibt es in der Realität in Deutschland allerdings nur eine kleine Gruppe von etwa 100 Personen, die für die Aktionen der Gruppierung verantwortlich ist.
Sobald die, in mehreren europäischen Ländern vertretene Gruppierung, tatsächlich größer angelegte Aktionen plant, stößt sie dabei schnell an ihre Grenzen. Im Sommer 2017 charterten die Aktivist_innen ein Schiff, um Seenotretter im Mittelmeer an ihrer Arbeit zu hindern. Immer wieder steckte das Schiff „C-Star“ wegen fehlender Papiere fest, Aktivist_innen konnten nicht an Bord gehen und der Kapitän wurde zu allem Überfluss auch noch wegen Schlepperei vorläufig festgenommen, nachdem Teile der aus Tamilen bestehenden Crew auf Zypern Asyl beantragt hatte.
Jetzt buhlt der Hamburger IB-Ableger mit einer weiteren zynischen Aktion um Aufmerksamkeit. Auf der Website der „Bewegung“ fordern die Rechtsextremen ihre Anhänger dazu auf, Vormundschaften für unbegleitete minderjährige Geflüchtete zu übernehmen. Der Text ist dabei ein Musterbeispiel identitärer Propaganda. Laut der Bewegung droht Deutschland und Euro nämlich die sogenannte „Umvolkung“. Dabei handelt es sich um eine Verschwörungsideologie, laut der „Eliten“ einen Bevölkerungsaustausch in Europa planen, indem sie Migrant_innen ansiedeln um das „Volk“ zu schwächen. Migration ist also nicht mehr die Folge von Krieg, Konflikten und Vertreibungen, sondern eine geheime und gesteuerte Mission.
Laut „IB“ ist eine „Asylindustrie“ am Werk, die mit Geflüchteten Geld verdient. Menschen die bereits jetzt als Vormund von minderjährigen Geflüchteten bei Verträgen, Unterbringung und vielen anderen Dingen helfen, sind für die Rechtsextremen nur Teil dieser „Industrie“ und gleichzeitig wird den potentiellen „Helfern“ eine gute Bezahlung in Aussicht gestellt: „Für diese Tätigkeiten erhalten die Vormünder eine Vergütung, die zwischen 19,50 und 33,50 Euro pro Stunde liegt. Die Höhe hängt von der beruflichen Qualifikation des Vormundes ab. Da Organisationen der Asyllobby meist über einschlägig ausgebildete Mitarbeiter, wie etwa Sozialpädagogen, verfügen, ist dies eine willkommene Gelegenheit, um die Hand aufzuhalten.“
Die IB versucht sich zwar als „Jugendbewegung“ zu vermarkten und setzt dabei auf zeitgemäße, hippe Präsentation, am Ende ist das ganze allerdings nur alter Wein in neuen Schläuchen. Die eigentlichen Forderungen der sogenannten Bewegung unterscheiden sich kaum von denen herkömmlicher Rechtsextremen. Während die NPD „Ausländer raus“ brüllt, spricht die IB verklausuliert von „Remigration“, meint dabei am Ende aber genau das gleiche. Dazu passt dann auch, dass tatsächliche Hilfe bei Integration oder Familienzusammenführungen für die Rechtsextremen nur ein „selbst gegebener politischer Auftrag“ sind.
Helfen will hier nämlich eigentlich niemand. Das Ziel der Aktion ist so einfach wie zynisch: „[Wir betrachten] dies als willkommene Gelegenheit mit ausländischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen ins Gespräch zu kommen. Dabei werden wir mit ihnen über vorhandene falsche Erwartungen an ihr Gastland ebenso sprechen, genauso wie über eine Zusammenführung mit ihrer Familie in ihrer Heimat.“
Die Reaktionen der IB-Anhänger auf die Ankündigung der Aktion auf Facebook fallen bisher eher gemischt aus. Einige denken, es handele sich um Satire, einer kommentiert das Ganze nur mit „auf keinen fall“. Ob hinter der Ankündigung mehr als Provokation steckt, lässt sich bisher noch nicht sagen. Aber vielleicht geht diese Aktion für die Rechtsextremen auch nach hinten los und der Umgang mit Geflüchteten zeigt ihnen, dass man es hier eben nicht mit einer „Migrationswaffe“ zu tun hat, sondern mit echten Menschen, die nach Europa gekommen sind, um Leid und Krieg hinter sich zu lassen.