„Kein Bock auf Nazis“ mobilisiert als Mitmachkampagne seit langem gegen Nazi-Demonstrationen – etwa gegen die revisionistischen „Trauermärsche“ in Dresden, die einmal die größten Demonstrationen Europas waren und heute praktisch kaum noch stattfinden. Eigentlich probieren die engagierten Musiker_innen, bei ihrer Arbeit gute Laune zu behalten und es positiv anzugehen. Doch angesichts der aktuellen Situation sind sie erschüttert und fühlen sich hilflos. Dies ist Joshi von der Initiative auch anzumerken: „Ich hab die Schnauze voll, es muss jetzt etwas passieren.“ Deshalb hat „Kein Bock auf Nazis“ sich mit Pro Asyl zusammengetan, um einen Appell zu formulieren. Unterstützung bekommen sie dabei von bekannten Bands wie den Ärzten, Beatstakes, Deichkind, Fettes Brot, Materia und den Toten Hosen.
Ziel der Kampagne „Zeit zu handeln“ ist es, einerseits Druck auf die Politik auszuüben, andererseits wollen sich die Initiator_innen aber auch bei den vielen Freiwilligen zu bedanken, die schon länger für Demokratie aktiv sind, als Bewegung aber erst jetzt von der Politik und den Medien wahrgenommen werden. Mit den bekannten Bands an Bord wollen sie ihnen sagen: “Lasst euch nicht einschüchtern, wir stehen hinter euch.“
Bernd Mesovic von Pro Asyl kritisierte, dass „der Staat auf die jetzige Situation nicht vorbereitet sein wollte“ und die fehlende Planung sich jetzt etwa stark im Mangel an Sozialbauwohnungen zeige, dies übrigens nicht nur für Flüchtlinge. So scheitere es oft schon am Minimalen einer menschenwürdigen Behandlung, einer vernünftigen Unterkunft. Asylsuchende, aber auch Anerkannte, lebten größtenteils in untragbaren Sammelunterkünfte wie etwa nicht winterfesten Zeltstädten. Rund vierzig Prozent der in Deutschland Asylsuchenden seien psychologisch traumatisiert, fänden hier aber nicht die notwendige Versorgung – und selbst der aktuelle Stand werde noch reduziert.
Er plädiert für eine Aufstockung, befürchtet jedoch, dass auf dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern am 24. September im Kanzleramt weiter undurchsichtig bleibt, wer von Bund, Ländern und Kommunen was zahlt. Wie im letzten Jahr erwartet er nur eine Aufstockung der reinen Versorgung, also die Asylbewerberleistungen für mehr Leute und Hartz 4 für die anerkannten Flüchtlinge. „Pro Asyl“ erhoffen sich jedoch die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetz, das für sie “die Zeichen der gewollten Ausgrenzung“ trägt.
„Breiti“ von den Toten Hosen fand es erschreckend, dass es in Deutschland Städte und ganze Landstriche gibt, an denen der Staat nur noch die Infrastruktur stellt, sein Gewaltmonopol jedoch aufgegeben hat. Das dort Menschen, die gegen rechte Hetze aufstehen und sich für Demokratie einsetzen, beständig angegriffen werden und oft zum Wegzug gezwungen werden, hat ihn dazu motiviert, mit seiner Band auf dem Festival „Jamel rockt den Förster“ zu spielen: „Wir haben Hochachtung für das was die Veranstalter Lohmeyer dort leisten und für alle anderen, die sich nicht wegdrehen, wenn die Nazis Plätze für sich reklamieren“, sagt er. Das Ehepaar Lohmeyer schafft in einem Ort, in dem Nazis dominieren, eine Alternative für eine bunte, demokratische Gesellschaft. Sie ließen sich auch nicht durch den Brandanschlag auf ihre Scheune kurz vor dem diesjährigen Konzert einschüchtern.. Breiti sagt: „Die Politik darf sich nicht mehr hinterdem Feigenblatt der Zivilgesellschaft verstecken und Deutschland muss aufhörenüber die Dublin Verordnung das sogenannte Flüchtlingsproblem an die Peripherie der EU zu verlagern“.
Den Appell im genauen Wortlaut kann man hier lesen.