Die Justiz benötigt mehr Ressourcen
Wir unterstützen den geplanten Stellenzuwachs beim BKA. Effiziente Strafverfolgung findet jedoch in den Ländern statt. Eine personelle Verstärkung muss deshalb auch bei den Landeskriminalämtern, den Staatsanwaltschaften und den Gerichten erfolgen. Die Einschätzung, dass nur geringfügige Mehrkosten bei der Justiz entstehen, ist wenig nachvollziehbar: Die geplante Meldepflicht und eine Stärkung des BKA werden eine Fülle von Ermittlungsverfahren zur Folge haben. Kommt es zu entsprechend vermehrten Anklagen im Bereich der Hasskriminalität, dann wird sich dies auch in der Belastung der Amtsgerichte bemerkbar machen. Es wäre kontraproduktiv, falsche Hoffnungen zu wecken. Wenn die Menge an zu erwartenden Fällen nicht zu bearbeiten ist, besteht die Gefahr, dass die Frustration über die Bearbeitungszeiten bei Polizei und Justiz weiter wächst, die Akzeptanz in der Bevölkerung und vor allem auch bei Betroffenen weiter abnimmt und diejenigen, die Hassrede als politisches Instrument nutzen, weiterhin größtenteils straffrei bleiben. Zudem verpufft der gewünschte Abschreckungseffekt. Betroffene werden durch ausbleibende Strafverfolgung weiterhin entmutigt, Hassdelikte überhaupt zur Anzeige zu bringen.
Erst Anfangsverdacht für Straftat prüfen, bevor Daten gespeichert werden
Sinnvoller als eine Meldung direkt ans BKA wäre eine Meldung an spezialisierte Staatsanwaltschaften. Diese könnten zunächst prüfen, ob ein Anfangsverdacht für eine Straftat vorliegt, damit nicht unnötig viele polizeiliche Kapazitäten durch Ermittlungen zu Inhalten gebunden werden, die nicht strafbar sind. Damit wird auch verhindert, dass das BKA Daten von Menschen speichert, die keine Straftaten begangen haben. Hasskriminalität darf nicht als Vorwand verwendet werden, um umfassende Überwachungsrechte für eine größtmögliche Menge an Behörden zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass wir das Vorhaben, die Provider zur Herausgabe auch von Passwörtern an behördliche Stellen zu verpflichten, mit Blick auf den Datenschutz für hoch bedenklich und nicht durchführbar halten.
Meldewege erleichtern
Konkrete Regelungen zu Transparenz und effektiven Kontrollmechanismen für eine korrekte Behandlung der NetzDG-Meldungen (Erfassung und Bearbeitung) fehlen in dem Referentenentwurf genauso wie spezifische, gesetzliche Vorgaben über die Erreichbarkeit der Meldeoptionen.
Mehr Infos
Wir empfehlen den Austausch mit der ZAC NRW (Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime) und der ZIT Hessen (Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität).
Wir Unterzeichner*innen dieser kurzen Stellungnahme arbeiten an einer ausführlichen Stellungnahme, die wir im Januar 2020 veröffentlichen.
Inhaltliche Rückfragen an belltowernews@amadeu-antonio-stiftung.de, info@das-nettz.de, sonja.boddin@ichbinhier.online, kontakt@hassmelden.de, oder gulde@campact.de.
Die unterzeichnenden Initiativen:
Reconquista Internet / Hassmelden
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Hintergrund: Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) wird aktuell überarbeitet. Nun liegt ein Referentenentwurf vor, der als Neuerungen weitreichende Eingriffe vorsieht. So sollen u.a. Netzwerke verpflichtet werden, Inhalte, die sie für strafrechtlich relevant halten, nicht nur zu entfernen, sondern auch an die Strafverfolgungsbehörden (BKA) zu melden – inklusive Bestandsdaten, die von IP-Adresse bis Portdaten und Passwörtern (die die Netzwerke laut DSGVO gar nicht im Klartext speichern dürfen). Mehr vgl. Netzpolitik.org, Tagesspiegel